Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert des Streits über die Erforderlichkeit einer Beiladung
Leitsatz (NV)
Hat der Beigeladene im Klageverfahren keinen Sachantrag gestellt, ist der Gegenstandswert der Beschwerde gegen den Beiladungsbeschluß in entsprechender Anwendung des §13 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem aus dem Vorbringen im Klageverfahren erkennbaren Interesse des Beigeladenen an der Aufhebung des Beiladungsbeschlusses festzusetzen.
Normenkette
BRAGO § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 2, § 10 Abs. 1-2; GKG § 13 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
In dem beim Finanzgericht (FG) anhängigen (inzwischen durch Erledigung der Hauptsache beendeten) Klageverfahren der Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Kommanditisten R wegen Gewinnfeststellung 1989 der R GmbH & Co. KG im Konkurs (KG) war streitig, in welcher Höhe der Veräußerungsgewinn des Gesellschafters R aus der Auflösung seines negativen Kapitalkontos festzustellen war. Der Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) hatte im angefochtenen Feststellungsbescheid den Veräußerungsgewinn des R in voller Höhe des sich aus der Bilanz zum 31. Dezember 1978 ergebenden negativen Kapitalkontos von 1 201 674 DM festgestellt. Die Klägerin begehrte mit der Klage, diesen Gewinn zu vermindern um den Betrag des positiven Kapitalkontos in der Sonderbilanz des R auf den 31. Dezember 1976 in Höhe von 1 036 330 DM. Bei diesem Betrag handelte es sich im wesentlichen um gestundete Kaufpreisforderungen des R gegen seine Mitgesellschafter X und Y aus der Veräußerung von Teilen seines Gesellschaftsanteils im Dezember 1970.
Im Dezember 1993 traten X und Y Teile ihrer Kommanditanteile an den Beschwerdeführer ab; der Kaufpreis für diese Anteilsübertragungen wurde ebenfalls gestundet.
Zu dem Klageverfahren hatte das FG mit Beschluß vom 4. August 1994 den Beschwerdeführer sowie die weiteren Kommanditisten X und Y beigeladen (§60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Zur Begründung führte das FG aus, die Beiladung dieser Gesellschafter sei erforderlich, da die Entscheidung über die Klage nur einheitlich gegenüber allen Gesellschaftern der KG ergehen könne. Die Beiladung sei auch deshalb geboten, weil die mit der Klage begehrte Berücksichtigung des positiven Kapitalkontos des R in seiner Sonderbilanz bei den übrigen Kommanditisten eine entsprechende (anteilige) Erhöhung ihres Veräußerungsgewinns in Höhe des in ihren Sonderbilanzen ausgewiesenen negativen Kapitals bewirken müsse.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hob der erkennende Senat dessen Beiladung ersatzlos auf und verpflichtete das beklagte FA zur Kostentragung (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 24. Mai 1995 VIII B 153/94, BFH/NV 1995, 1078).
Der Prozeßbevollmächtigte des Beschwerdeführers beantragt nunmehr, den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren festzusetzen. Er ist der Meinung, dieser Gegenstandswert sei identisch mit dem des Klageverfahrens. Das FA und das FG seien ursprünglich davon ausgegangen, daß die von der Klägerin begehrte Herabsetzung des Veräußerungsgewinns zu einer entsprechenden Erhöhung der Veräußerungsgewinne der Kommanditisten führen müßten. Der Beschwerdeführer habe deshalb damit rechnen müssen, im Falle eines Obsiegens der Klägerin in voller Höhe für die aus dem Veräußerungsgewinn resultierende Einkommensteuerschuld herangezogen zu werden.
Entscheidungsgründe
Der Antrag des Prozeßbevollmächtigten auf Festsetzung des Gegenstandswerts ist zulässig. Dieser ist nach den §§9 Abs. 2 und 10 Abs. 1 und 2 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) befugt, Wertfestsetzung zu beantragen. Nach §8 Abs. 1 BRAGO bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften. Er ist demnach gemäß §13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bei einem Streit über die Erforderlichkeit einer Beiladung ist der Gegenstandswert nach dem Interesse des Beigeladenen an einer Aufhebung des Beiladungsbeschlusses zu bestimmen (BFH-Beschluß vom 25. Januar 1990 X S 5/89, BFH/NV 1990, 665). Im vorliegenden Fall läßt sich der für die Streitwertfestsetzung maßgebende Wert nicht unmittelbar aus einem Sachantrag ableiten, weil der Beschwerdeführer, dessen Prozeßbevollmächtigter gerichtliche Wertfestsetzung beantragt hat, keinen Sachantrag als Beigeladener gestellt hat. Mit seiner Beschwerde hat er nur den Willen bekundet, am Klageverfahren nicht beteiligt zu sein, weil die Beiladung "weder faktisch noch rechtlich zu einer Änderung der bereits entrichteten Steuer zu Lasten des Beigeladenen führen" könne.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist das Klagebegehren keine geeignete Grundlage für die Wertbemessung, weil es wegen der unterschiedlichen Interessenlage über die hier allein maßgebliche Bedeutung der Sache für den Beigeladenen und Beschwerdeführer nichts aussagt.
Der Senat setzt den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren gemäß §8 Abs. 1 BRAGO in entsprechender Anwendung des §13 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem aus dem Vorbringen der Beteiligten im Klagever fahren und der Begründung des Beiladungsbeschlusses erkennbaren Interesse des Beigeladenen an einer Aufhebung des Beiladungsbeschlusses auf 61 200 DM fest.
Aus der Begründung des Beiladungsbeschlusses ergibt sich, daß das FG der Ansicht war, im Falle eines Erfolgs der Klage müsse die von der Klägerin beantragte Herabsetzung des Veräußerungsgewinns des R um den Betrag der in seiner Sonderbilanz ausgewiesenen Forderungen gegen X und Y zu einer entsprechenden Erhöhung des Veräußerungsgewinns bei allen Beigeladenen in Höhe der in ihren Sonderbilanzen jeweils ausgewiesenen Verbindlichkeit aus dem Kauf der Gesellschaftsanteile führen. Die Verbindlichkeit des Beschwerdeführers aus dem Erwerb war in seiner Sonderbilanz auf den 31. Dezember 1976 mit 244 800 DM ausgewiesen. Nach dem Vorbringen der Beteiligten im Klageverfahren war der Stand der Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem Verkauf der Gesellschaftsanteile an den Bilanzstichtagen der Folgejahre un verändert. Der Beigeladene mußte deshalb aufgrund der Ausführungen im Beiladungsbeschluß damit rechnen, im Falle eines Erfolgs der Klage einen (weiteren) Veräußerungsgewinn in Höhe von 244 800 DM versteuern zu müssen.
Bei einem Streit über die Höhe eines tarifbegünstigt zu versteuernden Veräußerungsgewinns ist der Gegenstandswert in der Regel pauschal mit 15 v. H. des streitigen Gewinns anzusetzen (BFH-Beschluß vom 2. Februar 1967 IV 224/64, BFHE 88, 23, BStBl III 1967, 274); bei sehr hohen streitigen Veräußerungsgewinnen ist der Gegenstandswert angemessen zu erhöhen. Im vorliegenden Fall schätzt der Senat den Gegenstandswert auf 25 v. H. des Betrags von 244 800 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 66808 |
BFH/NV 1998, 348 |