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BFH Beschluss vom 14.12.2001 - VII B 44/01 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung; Verfahrensmangel

 

Leitsatz (NV)

  1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gehört auch nach neuem Revisionszulassungsrecht, dass sich der Beschwerdeführer mit der vorhandenen Rechtsprechung zu der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage auseinandersetzt. Dies gilt insbesondere dann, wenn das FG das angefochtene Urteil ausdrücklich auf diese Rechtsprechung gestützt hat und der Beschwerdeführer eine dazu in Widerspruch stehende Rechtsauffassung vertritt.
  2. Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG hätte das Klageverfahren wegen Vorgreiflichkeit eines anderen anhängigen Rechtsstreits aussetzen müssen, so muss u.a. schlüssig vorgetragen werden, weshalb das dem FG hierfür eingeräumte Ermessen im Streitfall auf Null reduziert gewesen sein soll, die Aussetzung des Verfahrens also aufgrund der besonderen Umstände des Falles die einzige richtige Entscheidung gewesen wäre.
 

Normenkette

AO 1977 § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, § 284 Abs. 3; FGO §§ 74, 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 Sätze 3-4; ZPO § 807

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein selbständiger Steuerberater, ist vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) wegen rückständiger Umsatzsteuer 1993 zuzüglich steuerlicher Nebenleistungen mit Verfügung vom … 1998 zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses nebst Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgeladen worden. Nach erfolglosem Einspruch blieb auch die Klage des Klägers vor dem Finanzgericht (FG) ohne Erfolg.

Das FG hielt alle tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift für erfüllt und auch das dem FA eingeräumte Ermessen für pflichtgemäß ausgeübt. Hierzu führte das FG insbesondere aus, das FA brauche sich nicht mit dem vom Kläger außerhalb des Verfahrens nach § 284 AO 1977 vor dem Notar abgegebenen Vermögensverzeichnis zu begnügen, zumal dieses wegen Fehlens der Namen und der Anschriften von Auftraggebern, gegen die der Kläger nach eigenen Angaben Forderungen habe, nicht vollständig sei. Auch ein Steuerberater müsse fortlaufende Mandatsverhältnisse grundsätzlich detailliert offen legen und könne sich insoweit nicht auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b AO 1977 berufen. Das FG folge mit dieser Auslegung der ständigen Rechtsprechung der Zivilgerichte zur vergleichbaren Problematik bei der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 der Zivilprozeßordnung (ZPO).

Gegen dieses Urteil des FG richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, die er auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel stützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig, denn der Kläger hat innerhalb der Beschwerdefrist weder die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage noch das Bestehen eines Verfahrensmangels in einer den Anforderungen entsprechenden Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. die Hinweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Rz. 8 ff.). Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479).

a) Der Kläger hat in der Beschwerdeschrift eine Rechtsfrage, der nach seiner Auffassung grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, zwar nicht ausdrücklich formuliert; der Senat kann den Ausführungen jedoch entnehmen, dass der Kläger die Rechtsfrage aufwerfen wollte, ob die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch einen Steuerberater unter Benennung sämtlicher Mandanten gegen dessen berufliche Verschwiegenheitspflicht verstößt. Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage indessen nicht in der gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Darlegungserfordernisse, welche die Rechtsprechung des BFH zur grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage auf der Grundlage des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. entwickelt hat (s. oben), auch unter dem seit 1. Januar 2001 geltenden neuen Revisionszulassungsrecht nach Maßgabe des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO noch in ihrer Gesamtheit maßgeblich sind. Zur erforderlichen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage gehört jedenfalls, dass sich der Beschwerdeführer mit der vorhandenen Rechtsprechung zu dieser Frage auseinander setzt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 2. Oktober 1996 VIII B 101/95, BFH/NV 1997, 354, m.w.N.), und zwar insbesondere dann, wenn das FG sein Urteil ausdrücklich auf diese Rechtsprechung gestützt hat und der Beschwerdeführer eine dazu in Widerspruch stehende Rechtsauffassung vertritt. Im Streitfall hat sich der Kläger in keiner Weise mit der umfassenden Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu der aufgeworfenen Rechtsfrage (dort im vergleichbaren Rahmen des § 807 ZPO), auf die das FG sein Urteil ausdrücklich gestützt hat, auseinander gesetzt. Dies macht die Beschwerde insoweit unzulässig.

b) Soweit der Kläger ferner vorträgt, das vorliegende Verfahren gebe Anlass, einheitliche Grenzen im Hinblick auf das von der Finanzverwaltung auszuübende Ermessen bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch einen zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Steuerberater zu setzen, und dabei auf die Besonderheit des Falles hinweist, dass er nämlich bereits eine "ausreichende eidesstattliche Versicherung vor einem deutschen Notar" abgegeben habe, ist ein nach § 115 Abs. 2 FGO beachtlicher Grund für die Zulassung der Revision nicht ersichtlich. Sollte der Kläger auch mit diesem Vortrag eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert haben wollen, so wäre zu entgegnen, dass das FG die vor dem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung gerade nicht als ausreichend angesehen hat, weil darin die Namen und Anschriften der Honorarschuldner des Klägers fehlen, so dass das FA keine dahin gehenden Vollstreckungsversuche in die Wege leiten konnte. Es würde mithin an der Entscheidungserheblichkeit einer entsprechend formulierten Rechtsfrage fehlen.

Im Übrigen setzt sich auch hier die Beschwerde nicht mit der umfangreichen Rechtsprechung des BFH zur pflichtgemäßen Ermessensausübung im Rahmen des § 284 Abs. 3 AO 1977 auseinander (s. z.B. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 1995 VII B 166/95, BFH/NV 1996, 290, m.w.N., zu der Frage, ob ein vom Vollstreckungsschuldner außerhalb des Verfahrens nach § 284 AO 1977 abgegebenes oder angebotenes Vermögensverzeichnis Auswirkungen auf die Ausübung des Ermessens bei der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat, sowie Senatsurteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545, zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung für die gerichtliche Prüfung von behördlichen Ermessensentscheidungen).

2. Soweit der Kläger geltend macht, das FG hätte "das Verfahren im Hinblick auf die Parallelsache aussetzen können und müssen" (wobei der Kläger unter Parallelsache den beim FG anhängigen Antrag mit dem Az. … auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 1993 versteht), wird ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise schlüssig dargelegt.

Wird als Verfahrensmangel gerügt, das FG hätte das Klageverfahren wegen Vorgreiflichkeit eines anderen anhängigen Rechtsstreits nach § 74 FGO aussetzen müssen, so erfordert dies u.a., wie bei anderen Verfahrensmängeln auch, die genaue Angabe von Tatsachen, aus denen sich nach Auffassung des Beschwerdeführers ein Verfahrensverstoß ergibt (BFH-Beschluss vom 12. November 1993 III B 234/92, BFHE 173, 196, BStBl II 1994, 401). Da es sich bei der Vorschrift des § 74 FGO zudem um eine Ermessensvorschrift handelt, hätte der Kläger schlüssig dartun müssen, weshalb das dem FG in § 74 FGO eingeräumte Ermessen im Streitfall auf Null reduziert gewesen sein soll, die Aussetzung des Verfahrens mithin aufgrund der besonderen Umstände des Falles die einzige richtige Entscheidung gewesen wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 1995 II B 31/95, BFH/NV 1996, 237, und vom 7. August 2000 VII B 90/00, BFH/NV 2001, 189).

Hierzu enthält die Beschwerde nichts. Die bloße Behauptung des Klägers, das FG habe die bei ihm anhängige "Parallelsache" fälschlich nicht ausgesetzt, ist unzureichend. Der Kläger geht nicht einmal auf die vom FG gegebene Begründung, mit der es eine Aussetzung abgelehnt hat (keine Vorgreiflichkeit wegen § 256 AO 1977), ein. Schon dies führt zur Unzulässigkeit der Rüge. Im Übrigen ―darauf hat das FA zutreffend hingewiesen― betrifft das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 1993 nicht den der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zugrunde liegenden Teilbetrag der Umsatzsteuer 1993, sondern die Heraufsetzung der Umsatzsteuer auf 186 230 DM in der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 1999. Die der Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zugrunde liegende Steuerschuld ist entgegen dem Vortrag des Klägers vom FG auch später nicht ausgesetzt worden.

3. Die mit Schriftsatz vom 15. November 2001 nachgereichte weitere Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Kläger weist der Senat als verfristet zurück. Die vom Senatsvorsitzenden gemäß § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO um einen Monat verlängerte Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (Schreiben vom 28. März 2001) ist am 26. April 2001 abgelaufen. Bei der mit Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 6. August 2001 gesetzten Frist bis zum 14. September 2001, verlängert mit Schreiben vom 15. Oktober 2001 bis zum 15. November 2001, handelt es sich nach dem klaren Wortlaut der Schreiben nicht um eine ―ohnehin nicht zulässige (vgl. BFH-Beschluss vom 21. September 2001 IV B 118/01, BFH/NV 2001, 1667)― weitere Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern um eine Frist zur Stellungnahme auf die Beschwerdeerwiderung des FA vom 2. August 2001.

 

Fundstellen

Haufe-Index 707131

BFH/NV 2002, 655

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