Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Zulassung zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“
Leitsatz (NV)
- Ein Grund für die Zulassung der Revision zur "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" liegt nicht schon deshalb vor, weil das FG die Auslegungsgrundsätze der BFH-Rechtsprechung auf den konkreten Sachverhalt nicht zutreffend angewandt hat.
- Mit der Begründung, das FG habe die Auslegungsgrundsätze des BFH in zitierten BFH-Entscheidungen "verkannt", ist der Zulassungsgrund der "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" nicht dargelegt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. In seiner Umsatzsteuererklärung für 1990 machte er einen Vorsteuerbetrag in Höhe von 70 000 DM geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Mit Vertrag vom 15. September 1989 erwarb A, die Schwägerin des Klägers, von der B-GmbH alle Ansprüche aus der Patentanmeldung P 38 … vom 17. März 1988 mit dem Recht, die erworbenen Rechte durch Lizenzerteilung und Weitergabe des Fertigungs-Know-hows wirtschaftlich allein und ausschließlich zu verwerten. In § 2 der Vereinbarung heißt es:
"Für die Übertragung aller Rechte und deren wirtschaftlicher Verwertung ist vereinbarungsgemäß |
ein Kaufpreis von |
DM 500.000,00 |
Zuzüglich 14 % Umsatzsteuer |
DM 70.000,00 |
|
DM 570.000,00 |
festgesetzt. Auf den Kaufpreis wurde am 2. Mai 1989 bereits eine Anzahlung von DM 150.000,00 geleistet. Der Restkaufpreis ist am 15. Oktober 1989 zu bezahlen." |
Ebenfalls vom 15. September 1989 datiert ein Treuhandvertrag zwischen dem Kläger und A, wonach diese "durch Vertrag vom gleichen Tage von der B-GmbH alle Rechte aus der Patentanmeldung P 38 … vom 17. März 1988 namens und im Auftrag des Treugebers mit Mitteln des Treugebers erworben" habe.
Vom September 1989 datiert auch die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der C-GmbH. Unter Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der B-GmbH und A garantierte der Kläger der C-GmbH die Übertragungsmöglichkeit aller Rechte aus der Patentanmeldung P 38 … Die C-GmbH verpflichtet sich, diese Rechte zum 15. Oktober 1990 zum Preis von 600 000 DM zuzüglich 84 000 DM Umsatzsteuer zu übernehmen. Für die Nutzung dieser Rechte bis zu diesem Zeitpunkt verpflichtete sich die C-GmbH zur Zahlung eines Nutzungsentgelts. Alleiniger Gesellschaftergeschäftsführer der B-GmbH und der C-GmbH war jeweils R.B.
Mit Datum vom 10. August 1990 übersandte die B-GmbH dem Kläger ein Schreiben, in dem sie auf die Vereinbarung und den Treuhandvertrag vom 15. September 1989 Bezug nahm und über den Erwerb aller Ansprüche aus der Patentanmeldung P 38 … "folgende Abrechnung" gab:
"Als Kaufpreis ist gemäß § 2 vereinbart, für die Übertragung aller Rechte und deren wirtschaftlicher |
Verwertung |
DM 500.000,― |
+ 14 % Mehrwertsteuer |
+ DM 70.000,― |
Gesamtbetrag |
DM 570 000,― |
davon bereits bezahlt |
DM 500.000,― |
Verbleibender Restbetrag |
DM 70 000,―." |
Gleichzeitig forderte sie zur Zahlung des Restbetrages auf.
Der Kläger machte in seiner Umsatzsteuererklärung für 1990 diesen Betrag vergeblich als Vorsteuer geltend.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, bereits am 15. September 1989 sei die zwischen der B-GmbH und A, als Treuhänderin für den Kläger, vereinbarte Leistung ausgeführt worden; die B-GmbH habe uneingeschränkt alle Rechte aus der Patentanmeldung abgetreten und die Abtretung sei am selben Tag vom Leistungsempfänger angenommen worden. Dementsprechend habe die Treuhänderin auch schon vor der endgültigen Patenterteilung das in der Anmeldung beschriebene Verfahren nutzen dürfen. Über diese Leistung sei auch i.S. des § 14 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in § 2 Abs. 1 des Vertrages vom 15. September 1989 zwischen der GmbH und A abgerechnet worden. Danach seien am 15. September 1989 alle für den Vorsteuerabzug erforderlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen. Der Kläger hätte deshalb den Vorsteuerbetrag aus dem Vertrag vom 15. September 1989 entweder in der Voranmeldung für den Monat September 1989 oder jedenfalls in der Umsatzsteuererklärung für 1989 berücksichtigen müssen. Selbst wenn das Schreiben der B-GmbH vom 10. August 1990 als Rechnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG beurteilt werden könnte, handle es sich hierbei um eine zusätzliche Rechnung, der keine Leistung zugrunde liege und die nicht zum Vorsteuerabzug berechtige.
Der Kläger wendet sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG. Er macht geltend, das FG weiche von den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Juli 1988 V B 72/86 (BStBl II 1988, 913) und vom 22. Januar 1997 V B 77/96 (BFH/NV 1997, 628) ab und beruhe auf einem Verfahrensmangel.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde richtet sich nach den Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), weil die angefochtene Entscheidung nach dem 31. Dezember 2000 zugestellt worden ist (Art. 4 2.FGOÄndG).
2. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder
3. wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Nichtzulassung der Revision kann gemäß § 116 Abs. 1 FGO mit der Beschwerde geltend gemacht werden. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Der Kläger hat die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht dargelegt. Der in § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO vorgesehene Revisionszulassungsgrund umfasst die bisherige Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F., geht aber darüber hinaus. Auch zur Darlegung des Zulassungsgrundes "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" ist aber der schlüssige Vortrag erforderlich, dass die angestrebte BFH-Entscheidung geeignet und notwendig ist, künftige unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen über die betreffende Rechtsfrage zu verhindern. In der Beschwerdebegründung müssen bereits bestehende oder zu erwartende Unterschiede in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung oder eine Abweichung des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des BFH aufgezeigt werden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. Juli 2001 X B 46/01, BFH/NV 2001, 1596; Senatsbeschluss vom 17. Januar 2002 V B 88/01, nicht veröffentlicht ―NV―). Diesem Erfordernis genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Zwar enthält sie den Hinweis, dass die Vorentscheidung mit den im Urteil des FG zitierten Entscheidungen des BFH nicht übereinstimme. Der Kläger trägt insoweit aber lediglich vor, dass das FG im angefochtenen Urteil bei der Beurteilung des konkreten Sachverhalts die vom BFH in den zitierten Entscheidungen aufgestellten Rechtsgrundsätze "verkenne" und rügt damit nur, dass seiner Auffassung nach das FG über den zu entscheidenden Sachverhalt falsch entschieden habe. Allgemeine Angriffe gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung eröffnen die Zulassung der Revision jedoch nicht. Auch nach der Neufassung der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO soll nicht jede Vorentscheidung schon mit der Begründung revisibel sein, das FG habe falsch entschieden (vgl. zu den Zulassungsgründen im Einzelnen Seer, Betriebs-Berater 2000, 2387, 2389; Beermann, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 2000, 773, 776, und DStZ 2001, 155; Spindler, Der Betrieb 2001, 61, 62; Lange, Neue Juristische Wochenschrift 2001, 1098, 1099).
b) Als Verfahrensfehler rügt der Kläger, das FG habe seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt; er führt insoweit lediglich aus, das FG habe die Frage eines einheitlichen Vertragswerks aufgrund der zeitlichen, personellen und sachlichen Verflechtung der Verträge nicht erörtert. Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze sind jedoch in der Regel materiell-rechtliche Rechtsfehler, und zwar selbst dann, wenn ein solcher Verstoß sich nicht auf die rechtliche Subsumtion, sondern auf die Würdigung von Tatsachen erstreckt (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 83 f.). Mit der Begründung, das FG habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt oder die von ihm ausgesprochene Rechtsfolge sei nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt, kann eine Revisionszulassung nicht erreicht werden.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen