Leitsatz (amtlich)
Werden sämtliche Anteile an einer GmbH "B" in der Hand einer anderen GmbH "A" vereinigt, so bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß dieser Vorgang auch dann gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn zeitlich nach dieser Anteilsvereinigung auf Grund eines Umwandlungsbeschlusses nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes die Grundstücke der GmbH "B" auf die GmbH "A" übertragen werden und diese Übertragung auf einen vor der Anteilsvereinigung liegenden Umwandlungsstichtag durchgeführt wird.
Normenkette
GrEStG Bad.-Württ. § 1 Abs. 3 Nr. 2; GrEStG Bad.-Württ. § 1 Abs. 5; Umw-GrEStG Bad.-Württ. § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin, eine GmbH, hat durch Beschluß vom 11. Januar 1972 ihr Stammkapital durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile erhöht. Zur Übernahme der neuen Stammeinlagen wurden die bisherigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligungen zugelassen. Dabei wurde bestimmt, daß daß die neuen Stammeinlagen dadurch zu erbringen sind, daß die Übernehmer ihre nominell gleichhohe Beteiligung an der A-GmbH mit sofortiger dinglicher Wirkung an die Beschwerdeführerin abtreten. Die Beschwerdeführerin erwarb dadurch sämtliche Anteile an der A-GmbH. Zum Betriebsvermögen der A-GmbH gehört Grundvermögen.
Nach der Anteilsvereinigung erging am 15. März 1972 ein Umwandlungsbeschluß, wonach die A-GmbH in Anwendung der Vorschriften des Umwandlungsgesetzes in der Neufassung der Bekanntmachung vom 6. November 1969 (BGBl I, 2081 ff.) und des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform vom 14. August 1969 (BGBl I, 1163 ff.) ihr Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten unter Ausschluß der Abwicklung auf die alleinige Gesellschafterin, die Beschwerdeführerin, übertrug. Das von der A-GmbH betriebene Handelsgeschäft wurde von der Beschwerdeführerin fortgeführt. Der Umwandlung wurde die auf den Stichtag des 31. Dezember 1971 aufgestellte Bilanz der A-GmbH zugrunde gelegt.
Der Beschwerdegegner (FA) sah durch die Vereinigung aller Anteile der A-GmbH in den Händen der Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1, 2 GrEStG als erfüllt an und setzte Grunderwerbsteuer fest. Der Einspruch der Beschwerdeführerin blieb erfolglos. Der Beschwerdegegner lehnte es auch ab, die von ihm zunächst verfügte, befristete Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides zu verlängern.
Über die Klage der Beschwerdeführerin wurde noch nicht entschieden. Ein von ihr beim FG gestellter Antrag, die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids bis zur Entscheidung über die Klage auszusetzen, blieb - abgesehen von einem im vorliegenden Verfahren nicht bedeutsamen Kleinbetrag, der sich aus der Ermäßigung der Besteuerungsgrundlage ergab - erfolglos.
Mit der Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die beantragte Aussetzung der Vollziehung vollen Umfangs zu gewähren. Zur Begründung trägt sie vor, die vom FG angewandte Betrachtungsweise führe dazu, daß die im Gesetz ausdrücklich vorgesehene Grunderwerbsteuerbefreiung für Umwandlungsfälle ins Leere gehe, denn eine verschmelzende Umwandlung von zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung könne nach handelsrechtlichen Prämissen nur in zwei Stufen erfolgen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt die Vereinigung aller Anteile dieser Gesellschaft der GrESt (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Dieser Tatbestand wurde durch den Vertrag vom 11. Januar 1972 erfüllt.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Baden-Württembergischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform ... vom 12. Mai 1970 (Gesetzblatt Baden-Württemberg 1970, 155 - UmwGrEStG -) sind von der Besteuerung nach dem GrEStG auf Antrag Erwerbsvorgänge ausgenommen, die durch Umwandlungen nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes (BGBl I 1969, 2081 - UmwG -) verwirklicht werden. Der Senat hegt nach dem bisher erkennbaren Sachverhalt keine ernstlichen Zweifel daran, daß diese Befreiungsvorschrift auf den vorliegenden Fall der Anteilsvereinigung (Vertrag vom 11. Januar 1972) nicht anwendbar ist. Die Wortfassung des Gesetzes "durch Umwandlungen" erfaßt nur Rechtsübergänge, die sich unmittelbar aus dem Umwandlungsakt ergeben - hier den sich aus der Umwandlung selbst ergebenden Übergang des Eigentums an den Grundstücken A-GmbH auf die Beschwerdeführerin - nicht dagegen etwaige die Umwandlung nur "vorbereitende" Rechtsvorgänge. Auf den Beschluß vom 19. April 1972 II B 36/71 (BFHE 105, 302, BStBl II 1972, 590) zu dem insoweit gleichlautenden Bayerischen Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Änderung der Unternehmensform sowie auf das Urteil vom 30. Januar 1974 II R 8/66 (BStBl II 1974, 464).
Eine abweichende rechtliche Beurteilung kann sich - soweit im Rahmen des Aussetzungsverfahrens erkennbar - auch nicht daraus ergeben, daß der Umwandlung laut Nr. II, 2. der notariellen Niederschrift über die Gesellschafterversammlung vom 15. März 1972 die auf den Stichtag des 31. Dezember 1971 aufgestellte ... Bilanz zugrunde gelegt wurde. Hieraus folgt zwar gemäß §§ 2, 3, 12 UmwStG, daß Einkommen und Vermögen der umgewandelten Kapitalgesellschaft sowie der aufnehmenden Gesellschaft so zu ermitteln sind, als ob das Vermögen der Kapitalgesellschaft mit Ablauf des Umwandlungsstichtags (hier 31. Dezember 1971) auf die übernehmende Gesellschaft übergegangen und die aufgenommene Gesellschaft gleichzeitig aufgelöst worden wäre. Diese Vorschrift bezieht sich indes nur auf Steuerarten, bei denen die "Ermittlung des Einkommens oder Vermögens" von Bedeutung ist. Das ist bei der GrESt nicht der Fall. Hier verbleibt es bei der Regel des § 5 UmwG, wonach die Umwandlung erst mit der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregister wirksam wird. Für die GrESt muß es somit sein Bewenden dabei haben, daß der Steueranspruch durch Vereinigung aller Anteile der A-GmbH in der Hand der Beschwerdeführerin am 11. Januar 1972 entstanden ist (§ 3 Abs. 1 StAnpG), da zu diesem Zeitpunkt der Steuertatbestand (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG) verwirklicht wurde. Eine Rechtsgrundlage für einen nachträglichen Wegfall dieser Schuld oder für eine fiktive Änderung des Steuertatbestandes mit rückwirkender Kraft ist nicht ersichtlich.
Auch eine Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 1 Abs. 5 Satz 4 GrEStG Baden-Württemberg kann nicht in Betracht kommen. Diese Vorschrift besagt, daß der nachfolgende Rechtsvorgang nicht der Steuer unterliegt, wenn der vorausgegangene Rechtsvorgang von der Besteuerung ausgenommen war. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann als vorausgegangener Rechtsvorgang im Sinne dieser Vorschrift nicht die Umwandlung gesehen werden. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, daß - wie dargelegt - eine mögliche Rückwirkung des Umwandlungsaktes nur für die Steuern vom Vermögen und Ertrag, nicht aber für die GrESt in Betracht kommt. Zum anderen kann nicht unbeachtet bleiben, daß die Anteilsübertragung auf die Beschwerdeführerin - zumindest teilweise - notwendig war, um die Voraussetzungen für eine Umwandlung nach den Vorschriften des § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 15, § 24 UmwG zu schaffen, denn die Umwandlung einer GmbH auf eine andere GmbH konnte nach diesen Vorschriften nur erfolgen, wenn die aufnehmende Gesellschaft (Beschwerdeführerin) an der aufzunehmenden Gesellschaft A-GmbH als Allein- oder Hauptgesellschafter beteiligt war. Bildete aber die Anteilsvereinigung die rechtliche Voraussetzung für die Umwandlung überhaupt, so kann nicht die Umwandlung als "vorausgegangener Rechtsvorgang" im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 4 GrEStG Baden-Württemberg angesehen werden.
Gleichwohl muß dem Antrag der Beschwerdeführerin insoweit entsprochen werden, als eine höhere Grunderwerbsteuer als X DM festgesetzt wurde. Der Senat hegt ernstliche Zweifel, ob das FA zu Recht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 29 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG Baden-Württemberg versagt hat. Betrachtet man § 1 Abs. 3 GrEStG als einen wirtschaftlichen Ersatz für den Erwerb des Grundstücks durch denjenigen, in dessen Hand die Anteilsvereinigung erfolgt, so erscheint eine entsprechende Anwendung des § 29 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG Baden-Württemberg als ernstlich erwägenswert. Die Vollziehung des angefochtenen Bescheids war somit auszusetzen, soweit der Steuerberechnung ein höherer Steuersatz als (2 + 4 =) 6 v. H. zugrunde gelegt wurde und sich dementsprechend eine höhere Steuer als X DM ergab.
Fundstellen
Haufe-Index 70662 |
BStBl II 1974, 493 |
BFHE 1974, 310 |