Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Steuerbescheids bei Anrechnung bisher nicht berücksichtigter Kapitalertragsteuer
Leitsatz (NV)
- Für die Auslegung eines Steuerbescheides kommt es darauf an, wie der Steuerpflichtige den materiellen Gehalt der bekannt gegebenen Regelung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte.
- Übernimmt das FA aus einem bestandskräftigen Steuerbescheid die ursprüngliche Berechnung des zu versteuernden Einkommens und erhöht es zur Berechnung der Nachzahlungszinsen lediglich die Steuerabzugsbeträge um die ‐ inzwischen nachgewiesene ‐ Kapitalertragsteuer, handelt es sich bei der eigentlichen Steuerfestsetzung um eine nicht anfechtbare wiederholende Verfügung. Daran ändert auch die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung nichts.
Normenkette
AO 1977 § 124; BGB § 133
Gründe
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757).
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Finanzgericht (FG) ist in dem angefochtenen Urteil nicht von den von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) genannten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ―BFH― (Urteile vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23, und vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293, sowie Beschluss vom 25. August 1981 VII B 3/81, BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34) abgewichen. Nach diesen Entscheidungen sind auch Verwaltungsakte einer Behörde der Auslegung unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zugänglich. Dabei kommt es jedoch nicht auf dasjenige an, was die Behörde mit ihrer Erklärung gewollt hat, sondern darauf, wie der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte; Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde. Da der Verwaltungsakt mit dem Inhalt wirksam wird, mit dem er bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung ―AO 1977―), muss die Auslegung einen Anhalt in der bekannt gegebenen Regelung haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293).
Von diesen Grundsätzen ist auch das FG ausgegangen. Es hat zu Recht entschieden, dass die Kläger den Verwaltungsakt vom 27. April 1998 nicht als Änderung der Steuerfestsetzung 1994 verstehen konnten. Es hat vielmehr ―in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung― darauf abgestellt, dass die Kläger aufgrund des vorausgegangenen Schreibens des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―) vom 2. April 1998 wussten, dass dieses ―trotz Vorlage der inzwischen erstellten Einkommensteuererklärung 1994― die bereits bestandskräftige Steuerfestsetzung für das Jahr 1994 nicht ändern, sondern nur die bereits gezahlten Steuern anrechnen wollte. So ist das FA auch verfahren; insbesondere hat es dem Antrag der Kläger auf Änderung der Steuerfestsetzung nicht entsprochen. Es hat vielmehr in dem angefochtenen Verwaltungsakt die ursprüngliche Berechnung des zu versteuernden Einkommens aus der bereits bestandskräftigen Steuerfestsetzung übernommen und lediglich für die Berechnung der Zinsen die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge um die ―inzwischen― nachgewiesene einbehaltene Kapitalertragsteuer erhöht. Dadurch ergab sich ―ersichtlich aus dem Abrechnungsteil auf der Vorderseite des Verwaltungsaktes vom 27. April 1998― für die Einkommensteuer ein Erstattungsbetrag von 715 DM. Ebenso wie die Festsetzung der Zinsen ist auch die Abrechnung der Steuerabzugsbeträge gegenüber der Steuerfestsetzung ein selbständiger Verwaltungsakt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. April 1993 I R 123/91, BFHE 170, 573, BStBl II 1994, 147). Damit war auch für die Kläger eindeutig erkennbar, dass das FA mit der Aufnahme der bereits bestandskräftigen Steuerfestsetzung in den Verwaltungsakt insoweit keinen neuen und selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt erlassen wollte (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1983 IV R 211/82, BFHE 137, 542, BStBl II 1983, 360, zum umgekehrten Fall des Vorliegens eines neuen Verwaltungsaktes). Es handelt sich bei diesem Teil des Schriftstücks lediglich um eine nicht anfechtbare wiederholende Verfügung. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das FA dem Verwaltungsakt vom 27. April 1998 eine Rechtsbehelfsbelehrung des Inhalts beigefügt hat, dass die Festsetzung der Einkommensteuer mit dem Einspruch angefochten werden könne. Eine solche ―hier― wiederholende Verfügung wird nämlich nicht dadurch zu einem selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt, dass sie die Form eines Verwaltungsaktes hat und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen ist (BFH-Urteil vom 25. Februar 1997 VII R 129/95, BFH/NV 1997, 542).
Fundstellen
Haufe-Index 603054 |
BFH/NV 2001, 1103 |