Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Rechtsschutzbedürfnis, Bezeichnung von Verfahrensfehlern, Beglaubigung einer finanzrichterlichen Verfügung
Leitsatz (NV)
- Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensfehler die nicht ordnungsgemäße Ladung und infolgedessen die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne Beteiligung der Klägerin als Verfahrensfehler gerügt, so fehlt es an dem für die Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
- Mit der Nichtzulassungsbeschwerde gerügte Verfahrensfehler sind hinreichend genau zu bezeichnen.
- Für die Beglaubigung einer finanzrichterlichen Verfügung, mit der eine Frist in Lauf gesetzt wird, bestehen keine gesetzlichen Formvorschriften.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 1-2, § 79 Abs. 1 Nr. 4, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3; VwZG § 2 Abs. 1
Tatbestand
I. Für die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) legte ein Steuerberater als deren Prozessbevollmächtigter Klage gegen den Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ein, mit dem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ―HZA―) den Antrag der Klägerin auf Erstattung von Mineralölsteuer aus Billigkeitsgründen abgelehnt hatte. Das Finanzgericht (FG) forderte den Steuerberater unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 1. Juni 1999 auf, eine Prozessvollmacht vorzulegen. Mit am 9. Juli 1999 eingegangenen Schriftsatz verwies der Steuerberater auf die in einem anderen Verfahren bereits eingereichte Vollmacht, die auch das gegenwärtige Verfahren abdecke. Die Berichterstatterin des FG wies den Steuerberater darauf hin, dass die in dem anderen Verfahren vorgelegte Vollmacht keine hinreichende Vollmacht für das gegenwärtige Verfahren darstelle, und setzte ihm mit Verfügung vom 13. Juli 1999 erneut eine Ausschlussfrist für die Vorlage einer Vollmacht bis zum 16. August 1999. Diese Verfügung wurde dem Steuerberater am 17. Juli 1999 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Das zugestellte Schriftstück enthielt den vollständigen Text der Verfügung, darunter den maschinenschriftlich gedruckten Namen der Berichterstatterin, darunter und seitlich versetzt den Vermerk
"Für die Richtigkeit
X, Justizangestellte".
Das mit dem zugestellten Schriftstück wörtlich übereinstimmende Original ist von der Berichterstatterin unterschrieben. Mit am 17. August 1999 per Telefax eingegangenen Schriftsatz vom 15. August 1999 teilte der Steuerberater mit, dass er (auch) die Fristsetzung vom 13. Juli 1999 nicht für form- und fristgerecht halte. Auf den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid hat der Steuerberater ―nunmehr unter Vorlage einer Vollmacht― Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
Die Terminsladung zur mündlichen Verhandlung wurde dem Steuerberater zugestellt. Sie ist von der Geschäftsstelle des FG gefertigt worden und war von dem Justizhauptsekretär L unterzeichnet; in ihrem Eingangssatz enthält sie den Hinweis auf die erfolgte Terminbestimmung. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erschien weder die Klägerin noch deren Prozessbevollmächtigter.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Es führte im Einzelnen u.a. aus, dass die Klägerin über ihren durch die nachgereichte Vollmacht ordnungsgemäß legitimierten Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß geladen worden sei. Erhebliche Gründe für eine Aufhebung oder Vertagung des Termins seien nicht ersichtlich. Für die Klage habe es an den erforderlichen Sachurteilsvoraussetzungen gefehlt, weil die Bevollmächtigung nicht innerhalb der ordnungsgemäß gesetzten Ausschlussfrist nachgewiesen worden sei.
Ihre Beschwerde, mit der die Klägerin die Zulassung der Revision gegen das Urteil des FG begehrt, stützt sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache und auf Verfahrensfehler.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) ist nicht ausreichend dargelegt und für die Geltendmachung der angeblichen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) in diesem Verfahren besteht entweder kein Rechtsschutzbedürfnis oder sie sind nicht hinreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Sache ist schon deswegen nicht hinreichend dargelegt, weil die Klägerin es versäumt hat, eine Rechtsfrage zu formulieren, die nach ihrer Meinung grundsätzliche Bedeutung haben soll.
2. a) Soweit die Klägerin als Verfahrensfehler ihre angeblich nicht ordnungsgemäße Ladung und die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne Beteiligung der Klägerin oder von deren Prozessbevollmächtigten rügt, fehlt es bereits an dem für die Geltendmachung dieses Vorwurfs im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Würde sich nämlich der Vorwurf der Klägerin insoweit als schlüssig erweisen, käme als Verfahrensfehler die fehlende Vertretung der Klägerin in Betracht, der zur zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO führt und daher eine auf ihn gestützte Nichtzulassungsbeschwerde überflüssig macht.
b) Soweit die Klägerin "eine nicht form- und sachgerechte Ausschlussfristsetzung gemäß § 62 Abs. 3 FGO durch die FG-Verfügung vom 13.7.1999" rügt, ist ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht ausreichend bezeichnet worden. Denn in der Beschwerdebegründung wird weder eindeutig ausgeführt, dass es sich hierbei nach Meinung der Klägerin um einen Verfahrensfehler handelt und worin er in Bezug auf die angefochtene Entscheidung besteht, noch hat die Klägerin genau angegeben, durch welche Tatsachen sie die nicht form- und sachgerechte Ausschlussfristsetzung begründet sieht. Der pauschale Vorwurf der Klägerin, mit seinen von ihr im Einzelnen wiedergegebenen Ausführungen beanspruche das FG "von den allgemeinen, gesetzlichen Formerfordernissen für richterliche Verfügungen i.S. der §§ 329 Abs. 1 S. 3, 317 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 155 FGO für sich in einer Art und Weise und mit Begründungen richterlichen Dispens, welche diese Vorschriften zur Gewährleistung eines rechtssichernden Prozeßverfahrens im Ergebnis praktisch weitgehend leer laufen lassen würden", reicht hierfür nicht aus.
Sollte die Klägerin als Verfahrenfehler rügen wollen, die Klage hätte nicht mit der Begründung als unzulässig abgewiesen werden dürfen, ihr Prozessbevollmächtigter habe seine Vollmacht nicht innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfrist vorgelegt, weil die Ausschlussfristverfügung vom 13. Juli 1999 nicht wirksam sei, wäre diese Rüge unzulässig. Denn der Vorwurf, die dem Prozessbevollmächtigten zugestellte Verfügung sei mit einem "Allerweltsnamen" unterschrieben, dem die nichtssagende Funktionsbezeichnung "Justizangestellte" beigefügt worden sei, ergibt nicht schlüssig, dass die dem Prozessbevollmächtigten gesetzte Ausschlussfrist nicht wirksam ist.
Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen. Nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO kann dem Bevollmächtigten eine Frist mit ausschließender Wirkung zur Nachreichung der Vollmacht gesetzt werden. Eine solche Ausschlussfrist hat die Berichterstatterin (§ 79 Abs. 1 Nr. 4 FGO) der Klägerin durch Verfügung vom 13. Juli 1999 gesetzt, die dem Prozessbevollmächtigten bekannt zu geben war.
Nach § 53 Abs. 1 und 2 FGO sind Anordnungen, durch die wie im Streitfall eine Frist in Lauf gesetzt wird, nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) von Amts wegen zuzustellen. § 2 Abs. 1 VwZG bestimmt, dass die Zustellung in der Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift oder in dem Vorlegen der Urschrift besteht. Hier ist die gerichtliche Anordnung zur Nachreichung der Prozessvollmacht durch Übergabe einer beglaubigten Abschrift des bei den Akten befindlichen Originals der Verfügung zugestellt worden.
Anders als die Klägerin meint, führen die ihrer Beschwerdeschrift allenfalls als geltend gemacht zu entnehmenden angeblichen Mängel bei der Beglaubigung der zugestellten Abschrift nicht zur Unwirksamkeit der Anordnung. Denn eine besondere Form der Beglaubigung ist durch das Gesetz nicht vorgeschrieben; die beglaubigte Abschrift muss lediglich als solche erkennbar sein. Beglaubigte Abschrift i.S. des § 2 Abs. 1 VwZG ist eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit der Urschrift von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle versichert wird (vgl. § 210 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―). Es ist nicht erforderlich, dass der Beglaubigungsvermerk den Zusatz "als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle" enthält. Es ist im finanzgerichtlichen Verfahren auch nicht gesetzlich vorgeschrieben, dass dem Vermerk ein Dienstsiegel beizufügen ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 2. September 1999 IV B 91/98, BFH/NV 2000, 444). Eine solche Vorschrift besteht nach § 155 FGO i.V.m. § 329 Abs. 1 Satz 2, § 317 Abs. 3 ZPO nur für die Ausfertigung von Verfügungen. Für Beglaubigungen ist die Beifügung eines Dienstsiegels nur in §§ 33, 34 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorgeschrieben, die aber im Streitfall nicht einschlägig sind. Es reicht deshalb im vorliegenden Fall aus, wenn sich aus den sonstigen Umständen ergibt, dass die Abschrift von einer Person beglaubigt worden ist, der die Funktion des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragen worden ist. Dies ist im Streitfall aus der Beifügung der Bezeichnung "Justizangestellte" zu dem Namen derjenigen, die die Beglaubigung der Abschrift unterschrieben hat, zu entnehmen (vgl. BFH in BFH/NV 2000, 444). Sollten dennoch Zweifel bestehen, ob der Unterzeichneten tatsächlich die Funktion des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragen worden ist, so ist es dem Prozessbevollmächtigten zuzumuten, sich über deren Befugnisse durch Rückfrage beim FG zu versichern (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Juli 1995 X B 346/94, BFH/NV 1996, 154).
Fundstellen