Entscheidungsstichwort (Thema)
Kfz-Steuer wegen widerrechtlicher inländischer Nutzung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen
Leitsatz (NV)
1. Hat das FG das Erfordernis der inländischen Zulassung des Fahrzeugs und damit seine widerrechtliche Benutzung unter dem ausländischen Kennzeichen allein auf den regelmäßigen Standort des Fahrzeugs im Inland gestützt, so kann die Zulassung der Revision nicht mit der Begründung erreicht werden, von der Feststellung eines inländischen Wohnsitzes dürfe nicht auf den inländischen Standort eines Fahrzeugs geschlossen werden, weil das einer inländischen Zwangsanmeldung gleichkomme und die EU-Freizügigkeit einschränke.
2. Zu den Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe der Sicherung der Rechtsprechungseinheit und der Verfahrensmängel der unzureichenden Sachaufklärung und der Verletzung rechtlichen Gehörs.
3. Die Unrichtigkeit des Tatbestandes des finanzgerichtlichen Urteils kann nicht im Rechtsmittelverfahren, sondern nur durch einen binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils zu stellenden Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes nach § 108 Abs. 1 FGO geltend gemacht werden.
Normenkette
KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Abs. 5; FGO §§ 76, 93 Abs. 1, § 96 Abs. 2, § 108 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bewohnt eine Wohnung im elterlichen Zweifamilienhaus in der Gemeinde X. Dort betreibt sie in einem häuslichen Arbeitszimmer einen Büroservice. Außerdem besitzt sie zusammen mit ihrem Ehemann ein Haus in Frankreich, in dem sie sich nach ihrem eigenen Vorbringen die überwiegende Zeit des Jahres aufhält, während ihr Ehemann in den Streitjahren bis auf ca. zehn Wochen und ihre erwachsenen Kinder bis auf ca. vier Wochen in Deutschland wohnten.
Die Klägerin ist Halterin von vier Kfz (je ein VW Golf Typ I und II, ein VW-Bus und ein Renault Twingo). Sämtliche Fahrzeuge waren zunächst in Deutschland zum Verkehr zugelassen. Nach Feststellungen der Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) wurden sie in Deutschland ab- und von der Klägerin in Frankreich mit französischem Kennzeichen angemeldet. Der Golf II, um den es im vorliegenden Rechtsstreit geht, wurde am 2. Januar 2001 dort zugelassen.
Das FA setzte für alle vier Kfz mit Bescheiden vom 25. April 2003 Kraftfahrzeugsteuer wegen widerrechtlicher inländischer Nutzung der Fahrzeuge i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens --insbesondere aufgrund der Angaben in den Einkommensteuererklärungen betreffend die Klägerin und ihre Kinder und weil sie keine substantiierten Angaben zur Verwendung der Fahrzeuge nach Ort, Dauer und Nutzer gemacht habe-- davon überzeugt, dass die Fahrzeuge im Inland ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung und damit widerrechtlich (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 1 KraftStG) genutzt worden seien, da der regelmäßige Standort und damit der Ort der Zulassung i.S. des § 18 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung der deutsche Wohnort der Klägerin sei.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Abweichung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), des FG Baden-Württemberg und einer nicht näher bezeichneten, von ihr selbst erstrittenen Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Z sowie mangelnde Sachaufklärung und Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt.
1. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Hierfür reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist zunächst eine konkrete Rechtsfrage herauszustellen. Sodann ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen darzutun, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (z.B. BFH-Beschluss vom 30. Oktober 2002 IX B 129/02, BFH/NV 2003, 328, m.w.N.).
Der Beschwerde ist schon nicht eindeutig zu entnehmen, welche Rechtsfrage die Klägerin für klärungsbedürftig hält. Sofern die von ihr formulierte Frage "zur Zulässigkeit der angedachten Zwangsanmeldung und eingeschränkter EU-Freizügigkeit" dahin zu verstehen sein sollte, ob von der Feststellung eines inländischen Wohnsitzes auf den inländischen Standort eines Fahrzeugs geschlossen werden kann und damit die inländische Zulassung vorgeschrieben ist, ist nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich, dass das Beibehalten des inländischen Wohnsitzes im Streitfall entscheidungserheblich ist. Die Klägerin hat übersehen, dass das FG das Erfordernis der inländischen Zulassung des Fahrzeugs und damit seine widerrechtliche Benutzung unter dem französischen Kennzeichen allein auf den regelmäßigen Standort des Fahrzeugs im Inland gestützt hat.
2. Mit der Rüge, das FG "weiche von einer einheitlichen Rechtsprechung ab" wird der damit angesprochene Zulassungsgrund der Sicherung der Rechtsprechungseinheit i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nur behauptet. Die ausreichende Bezeichnung der Divergenz erfordert außer der genauen Bezeichnung der abweichenden Entscheidungen die Gegenüberstellung der aus diesen Entscheidungen und dem angefochtenen FG-Urteil abgeleiteten abstrakten tragenden Rechtssätze derart, dass die Abweichung erkennbar wird (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Dezember 2001 VII B 109/01, BFH/NV 2002, 663, m.w.N.). Die Klägerin hat keinen dem FG-Urteil zugrunde liegenden, von der übrigen Rechtsprechung abweichenden abstrakten Rechtssatz bezeichnet. Außerdem sind die von der Klägerin angeführten finanzgerichtlichen Entscheidungen für den Streitfall nicht einschlägig. So ist das BFH-Urteil vom 19. März 2002 I R 15/01 (BFH/NV 2002, 1411) zum Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes nach § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.V.m. § 8 der Abgabenordnung (AO 1977) und das des FG Baden-Württemberg vom 1. März 1996 9 K 276/93 (nicht veröffentlicht) zur Annahme einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a des Erbschaftsteuergesetzes i.V.m. § 8 AO 1977 ergangen. Auf den Wohnsitz kommt es aber im Streitfall nicht an (s.o.). Welchen Inhalt und welches Ergebnis das vor dem Verwaltungsgericht Z von der Klägerin geführte Eilverfahren hat, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Die Klägerin hat dazu nur das Aktenzeichen mitgeteilt.
3. Wird als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufklärung (Verstoß gegen § 76 FGO) wegen Nichterhebung angebotener Beweise geltend gemacht, so sind gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO darzulegen:
die ermittlungsbedürftigen Tatsachen,
die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen,
die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, Terminprotokoll), in denen die Beweismittel und Beweisthemen angeführt worden sind,
das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,
inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann,
dass die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte
(vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2005 III B 90/04, BFH/NV 2005, 1329, m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde in keiner Weise gerecht. Es wird nur ganz allgemein vorgetragen, die Klägerin habe umfangreich Beweis dazu angeboten, von wem zu welchen Zeiten wo und warum der in Rede stehende PKW genutzt worden sei und der Hinweis vor der mündlichen Verhandlung, diesen Zeugenbeweisen werde nicht nachgegangen, der Klägerin stehe aber frei in der Verhandlung präsente Zeugen zu stellen, sei zu kurzfristig und für ordnungsgemäße Sachaufklärung nicht angemessen gewesen. Auch ergibt sich aus der Beschwerde nicht, weshalb die entsprechenden Anträge in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden sind.
4. Auch die geltend gemachte Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wegen Verwertung des Inhalts der Einkommensteuerakten der Klägerin selbst und ihrer Tochter hat die Klägerin nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt.
Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (vgl. § 96 Abs. 2 FGO); darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO; vgl. auch § 93 Abs. 1 FGO; BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1329). Einen Verstoß gegen § 96 Abs. 2 FGO kann nicht geltend machen, wer es selbst versäumt hat, sich vor Gericht Gehör zu verschaffen. Dies ist der Fall, wenn ein fachkundig vertretener Kläger weder einen Antrag gestellt hat, ihm weitere Ausführungen zum Streitstoff zu gestatten, oder ihm zumindest nachzulassen, noch einen Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung einzureichen (BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 2000 VIII B 122/99, BFH/NV 2000, 1233; vom 22. April 2005 III B 58/04, BFH/NV 2005, 1589).
Mit der Beschwerde trägt die Klägerin selbst vor, dass ihr das FG die Verwertung ihrer Einkommensteuerakten vor der mündlichen Verhandlung angekündigt und im Urteil auf die Erörterung des Inhalts der Einkommensteuererklärungen sowie der Steuerbescheide der Tochter für die Streitjahre verwiesen hat. Der Vorwurf, ihr sei nicht die Möglichkeit eröffnet worden, Erklärungen zum Inhalt der Steuerakten abzugeben, ist danach nicht nachvollziehbar.
Möglicherweise meint die Klägerin mit ihrem Vorbringen, dass das Protokoll der mündlichen Verhandlung auf die Verwertung der sie betreffenden Einkommensteuerakten "ebenso wenig Bezug (nimmt) wie auf die im Urteil angeführten Erklärungen zur Einkommensteuer der Tochter", dass diese Steuerakten in der mündlichen Verhandlung --entgegen der Darstellung im Urteil-- tatsächlich nicht erörtert worden sind. Damit rügt sie aber die Unrichtigkeit des Tatbestands des finanzgerichtlichen Urteils. Diese kann gemäß § 108 Abs. 1 FGO nur durch einen binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils zu stellenden Antrag auf Berichtigung des Tatbestands und nicht im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 108 Rz 1, m.w.N.).
5. Mit ihrer Beschwerde rügt die Klägerin im Kern fehlerhafte Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung des FG. Dies vermag die Zulassung der Revision nach ständiger Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen. Zwar eröffnet § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO die Revision, wenn eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das ist nach der Rechtsprechung des BFH u.a. der Fall, wenn das Urteil des FG an einem derart schwerwiegenden Fehler leidet, dass es willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 2003 III B 15/03, BFH/NV 2004, 166; vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474). Dafür bietet weder die Beschwerde Anhaltspunkte, noch sind solche sonst ersichtlich. Die subjektive Gewissheit des Tatrichters vom Vorliegen eines entscheidungserheblichen Sachverhalts ist für das Revisionsgericht bindend, wenn sie auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Beweiswürdigung beruht, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden (BFH-Urteil vom 26. Juni 1990 VII R 5/88, BFHE 161, 225). Die Würdigung des FG entspricht diesen Grundsätzen.
Fundstellen
Haufe-Index 1560797 |
BFH/NV 2006, 1885 |