Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidungserheblichkeit eines Verfahrensmangels
Leitsatz (NV)
- Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Dies beurteilt sich nach dem Rechtsstandpunkt des FG, mag dieser richtig oder falsch sein.
- Hat das FG das Urteil mehrfach begründet und stützt jeder der Gründe die Entscheidung, muss gegen jeden dieser entscheidungserheblichen Gründe ein Zulassungsgrund schlüssig dargelegt werden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Es ist streitig, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) in der Zeit von Januar bis Mai 1999 ―wie erklärt― Umsätze in Höhe von insgesamt 12 398 315 DM getätigt hat und ihr der Abzug von Vorsteuerbeträgen in Höhe von 2 030 412,63 DM zusteht. Die Geschäfte will die Klägerin, die im Inland über keinerlei Bankverbindungen verfügte, sämtlich bar abgewickelt haben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) vertrat im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Auffassung, weder den Rechnungen, deren ausgewiesene Umsatzsteuer die Klägerin als Vorsteuer geltend macht, noch den von ihr abgerechneten Leistungen lägen tatsächliche Lieferungen zugrunde. Das FA ließ deshalb die geltend gemachte Vorsteuer nicht zum Abzug zu und setzte die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) fest.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im Wesentlichen aus, es könne offen bleiben, ob die Klägerin tatsächlich die streitigen Leistungen bezogen und ausgeführt habe, denn nach den Gesamtumständen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin Unternehmerin sei. Vielmehr spreche alles dafür, dass es sich bei der Klägerin lediglich um eine Betriebsstätte einer in Polen ansässigen GmbH handele, die nicht selbständig am Rechtsverkehr teilnehme und deshalb auch nicht Unternehmerin sein könne. Im Übrigen sei die vorliegende Gestaltung unangemessen (§ 42 der Abgabenordnung ―AO 1977―), weil für die Tätigkeit der Klägerin weder wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorgetragen noch ersichtlich seien.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin Verletzung rechtlichen Gehörs.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) setzt voraus, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Dies beurteilt sich nach dem Rechtsstandpunkt des FG (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. August 1999 V B 52/99, BFH/NV 2000, 212). Aus der mithin maßgeblichen Sicht des FG konnte die Klage keinen Erfolg haben, weil die Klägerin mangels Selbständigkeit nicht Unternehmerin war und im Übrigen unabhängig davon deren Zwischenschaltung nach § 42 AO 1977 unbeachtlich bleiben müsse.
Ist das angefochtene Urteil ―wie hier― mehrfach begründet und trägt jeder dieser Gründe für sich allein das Entscheidungsergebnis, so kann die Zulassung der Revision nur erreicht werden, wenn für jeden dieser entscheidungserheblichen Gründe ein Zulassungsgrund schlüssig dargelegt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26. Juli 1999 V B 40/99, BFH/NV 1999, 1638, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Das FG hat das Urteil u.a. damit begründet, die vorliegende Gestaltung sei unangemessen i.S. des § 42 AO 1977 gewesen und deshalb sei die Zwischenschaltung der Klägerin nicht zu berücksichtigen. Diese Begründung trägt die Klageabweisung. In Bezug auf diese Alternative der Begründung hat die Klägerin keinen Verfahrensmangel schlüssig gerügt. Sie behauptet zwar, es handele sich insoweit um eine Überraschungsentscheidung, weil dieser Gesichtspunkt weder im Besteuerungs- noch im Klageverfahren angesprochen worden sei. Diese Behauptung trifft jedoch nicht zu. Ausweislich des ―insoweit maßgeblichen― Protokolls über die öffentliche Verhandlung am 22. November 2002 hat der Einzelrichter darauf hingewiesen, dass der Streitfall auch unter Berücksichtigung des § 42 AO 1977 zu überprüfen ist. Erst im Anschluss daran hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seinen Klageantrag gestellt. Insoweit fehlt es daher an einer schlüssigen Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen