Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenvorstellung nur in Ausnahmefällen zulässig

 

Leitsatz (NV)

Die FGO sieht den Rechtsbehelf der Gegenvorstellung nicht vor. Gleichwohl ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß eine Gegenvorstellung in bestimmten Ausnahmefällen zu einer Änderung formell rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen führen kann (vgl. z. B. Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., Vorbem. III. 2 vor § 567, m. w. N.), wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht oder unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist (vgl. BFH- Beschluß vom 22. Oktober 1986 II B 144/86, BFH/NV 1987, 378).

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 1

 

Tatbestand

Der Senat hat mit Beschluß vom 29. März 1995 II B ... die Beschwerde des Antragstellers gegen einen Beschluß des Finanzgerichts (FG) betr. Richterablehnung als unbegründet zurückgewiesen.

"Auf Veranlassung des Antragstellers" baten dessen Prozeßbevollmächtigte mit Schreiben vom 3. August 1996 im Wege der Gegenvorstellung "um Bearbeitung und Neuentscheidung, weil einiges richtig und klargestellt werden" müsse. Einige Probleme der Grundordnung des Verfahrens und der Gerechtigkeit seien vom Bundesfinanzhof (BFH) nicht richtig gesehen worden. Zur weiteren Begründung setzten sich die Prozeßbevollmächtigten mit den schon im Verfahren II B ... geltend gemachten Gründen auseinander, die nach Auffassung des Antragstellers die Annahme der Befangenheit der Richter des 2. Senats des FG rechtfertigten. Diese sehr zahlreichen Verstöße der abgelehnten Richter gegen materielles Steuerrecht hätten einen so erheblichen Umfang gehabt, daß nicht mehr von einem Versehen ausgegangen werden könne, sondern daß sie ganz offensichtlich auf Willkür beruht hätten. Dies mache es erforderlich, den Beschluß des BFH vom 29. März 1995 aufzuheben und dem Befangenheitsantrag stattzugeben.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist unzulässig.

Soweit der Antrag des Antragstellers auf Neubearbeitung als ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen ist, ist dieser zwar -- auch gegen Beschlüsse (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 134 Rz. 2) -- an sich statthaft (§ 134 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. §§ 578, 579, 580 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil der Antragsteller nicht schlüssig behauptet hat, daß ein Wiederaufnahmegrund vorliegt (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252).

Auch als Gegenvorstellung (vgl. hierzu Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 1984 1 BvR 166/84, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, § 93, Rechtsspruch 17, und vom 8. Juli 1986 2 BvR 152/83, BVerfGE 73, 322, 326) ist das Begehren des Antragstellers ohne Erfolg.

Die FGO sieht -- wie auch die anderen Verfahrensgesetze -- den Rechtsbehelf der Gegenvorstellung nicht vor. Gleichwohl ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß eine Gegenvorstellung in bestimmten Ausnahmefällen zu einer Änderung formell rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen führen kann (vgl. z. B. Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., Vorbem. III. 2 vor § 567, m. w. N.), wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht oder unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) ergangen ist (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Oktober 1986 II B 144/86, BFH/NV 1987, 378). Im Streitfall hat der Antragsteller jedoch keinen Verfahrensfehler des Gerichts (BFH) vorgetragen, der als grobes prozessuales Unrecht gewertet werden und zu einer Aufhebung des Beschlusses vom 29. März 1995 führen könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421845

BFH/NV 1997, 251

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