Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsinteresse und richterliche Hinweispflicht
Leitsatz (NV)
Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die daraus folgende Erforderlichkeit, diese Tatsachen bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren (hier: Feststellungsinteresse bei einer Feststellungsklage), zur Erreichung des Prozeßziels auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hinweis trotz besonderer Umstände des Falles jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung durch das FG dar, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozeß entsprechend vertreten war.
Normenkette
FGO § 41 Abs. 1, § 76 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Sätze 1, 3
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage, mit der der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Feststellung der Unzulässigkeit der vom Vollziehungsbeamten des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) in seiner Wohnung durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen begehrt, als unzulässig abgewiesen, weil die Feststellungsklage subsidiär gegenüber der dem Kläger zur Durchsetzung seines Rechtsschutzziels -- Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen -- zu Gebote stehenden Anfechtungsklage sei (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), und weil der Kläger darüber hinaus auch nicht das Bestehen eines berechtigten Interesses an einer solchen Feststellung hinreichend dargelegt habe (§ 41 Abs. 1 FGO).
Entscheidungsgründe
Die hiergegen vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Der Senat läßt offen, ob in den Ausführungen des Klägers, mit denen er geltend macht, das FG habe das Rechtsschutzziel der Klage völlig verkannt, die hinreichende Bezeichnung eines Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 FGO, insbesondere eines Verstoßes des FG gegen die Bindung an das Klagebegehren (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 115 Rz. 26), zu sehen ist. Denn jedenfalls steht dem Kläger hinsichtlich des weiteren, selbständig tragenden Grundes für die Abweisung der Klage als unzulässig -- Fehlen eines Feststellungsinteresses -- kein durchgreifender Zulassungsgrund zur Seite.
Soweit der Kläger vorträgt, das FG habe das Vorliegen eines berechtigten Interesses verkannt, macht er einen materiell-rechtlichen Fehler des angefochtenen Urteils geltend, der nicht geeignet ist, seiner Nichtzulassungsbeschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang eine Aufklärungsrüge erhebt, ist diese nicht schlüssig vorgetragen, denn der Kläger hätte dazu zumindest angeben müssen, in welchen dem FG eingereichten Schriftsätzen (mit genauer Bezeichnung von Datum und Seite) er Tatsachen zum Bestehen eines Feststellungsinteresses vorgetragen hat, die das FG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat, aber entweder auf Beweisangebot hin oder von Amts wegen hätte berücksichtigen müssen. Die Schriftsätze vom ... und vom ... , auf die sich der Kläger beruft, sind Schriftsätze an das FA, aber keine Schriftsätze, die zu den Gerichtsakten des FG gelangt sind.
Die Rüge, das FG habe seine Hinweispflicht gemäß § 76 Abs. 2 FGO verletzt und es dem Kläger dadurch nicht ermöglicht, sein berechtigtes Interesse näher darzulegen, greift auch angesichts der besonderen Umstände des Falles (Verfahrensdauer von mehr als acht Jahren, Ausfertigung eines Urteils, das zum Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde -- eine Berichtigung ist erst später erfolgt -- mit zahlreichen Schreibfehlern versehen war, so daß sein Verständnis einige Mühe bereitete) nicht durch.
Bei den richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO geht es weniger um die eigene Aufklärung durch das Gericht als darum, Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten zu geben, deren Eigenverantwortlichkeit dadurch aber nicht eingeschränkt oder beseitigt wird. Liegt die rechtliche Bedeutung bestimmter Tatsachen und die daraus folgende Erforderlichkeit, diese Tatsachen bei Gericht vorzubringen und zu substantiieren, zur Erreichung des Prozeßziels auf der Hand, so stellt ein unterlassener Hinweis jedenfalls dann keine gegen § 76 Abs. 2 FGO verstoßende Pflichtverletzung dar, wenn der Kläger steuerlich beraten und im Prozeß entsprechend vertreten wird (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. November 1991 XI R 13/90, BFH/NV 1992, 609, m. w. N., dort für den Fall der Formulierung des Klageantrags).
Der Kläger ist selbst Rechtsanwalt und war vor dem FG auch durch seine Sozietät vertreten. Er hat ausdrücklich und bewußt eine Feststellungsklage erhoben, so daß ihm als Fachkundigen hätte bekannt sein müssen, daß das Vorbringen und Substantiieren von Tatsachen, aus denen sich das Bestehen eines Feststellungsinteresses i. S. des § 41 Abs. 1 FGO folgern läßt, unabdingbar für die Zulässigkeit und damit letztlich auch für den Erfolg der Klage ist. Im Unterlassen eines diesbezüglichen Hinweises durch das FG unter den Umständen des Streitfalls kann der Senat keine Pflichtverletzung und damit auch keinen Verfahrensfehler erkennen.
Soweit der Kläger schließlich die Frage des Feststellungsinteresses als von grundsätz licher Bedeutung ansieht, fehlt es in der Beschwerdeschrift bereits an der Formulierung einer diesbezüglichen Rechtsfrage und der Darlegung, daß deren Klärung das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Anwendung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rz. 7). Eine entsprechende Rechtsfrage wird erst in dem Schriftsatz vom ... formuliert. Dies kommt indessen zu spät, da der Zulassungsgrund i. S. des § 115 Abs. 2 FGO in seinem wesentlichen Kern innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Urteils geltend gemacht sein muß (§ 115 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Nach Ablauf der Frist sind nur noch Erläuterungen und Vervollständigungen von solchen Zulassungsgründen möglich, die innerhalb der Frist mit einem Mindestmaß der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung geltend gemacht worden sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. Dezember 1994 III B 77/94, BFH/NV 1995, 980; vom 4. September 1996 II B 6/96, BFH/NV 1997, 191).
Im übrigen ergeht dieser Beschluß nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 422260 |
BFH/NV 1997, 693 |