Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und von Verfahrensmängeln
Leitsatz (NV)
- Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage.
- Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann, so muss der Beschwerdeführer vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe bzw. aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei. Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehören die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Übergehen eines Beweisantrags sowie die Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme.
- Die schlüssige Verfahrensrüge, das FG hätte den Sachverhalt ohne Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, erfordert unter anderem einen substantiierten Vortrag dazu, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch ohne entsprechende Antrag aufdrängen musste.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 81 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO § 295
Tatbestand
I. Beamte des Zollfahndungsamtes (ZFA) durchsuchten am … Dezember 1994 die Wohn- und Geschäftsräume des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger). Dabei fanden sie unter anderem Aufzeichnungen über den Bezug von 650 Stangen Zigaretten zu einem Preis von 24,50 DM je Stange und die Veräußerung von Zigaretten an B vor. B gab in seiner Vernehmung durch die Beamten des ZFA an, vom Kläger 204 Stangen Zigaretten der Marke Marlboro in dem Bewusstsein erworben zu haben, dass diese unverzollt aus dem Osten eingeführt worden seien.
Das Hauptzollamt S, dessen Zuständigkeit mittlerweile auf den Beklagten und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) übergegangen ist, setzte deshalb gegen den Kläger insgesamt … DM Einfuhrabgaben fest.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage vor dem Finanzgericht (FG). Das FG wies die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, nach den Angaben des B in seiner Vernehmung durch die Beamten des ZFA könne kein Zweifel daran bestehen, dass er 204 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten vom Kläger erworben habe. B habe auch bestätigt, dass es sich um Zigaretten der Marke Marlboro und nicht um Zigaretten einer Billigmarke gehandelt habe. Die von B gegen seine Inanspruchnahme erhobene Klage sei als unbegründet abgewiesen worden. Ein weiterer Abnehmer des Klägers habe den Erwerb der Zigaretten zugestanden. Die von diesem Abnehmer gegen seine Inanspruchnahme erhobene Klage sei durch rechtskräftig gewordenes Urteil gleichfalls als unbegründet abgewiesen worden. Da sowohl B als auch der weitere Abnehmer des Klägers in den Zigarettenhandel verwickelt gewesen seien, habe der Senat in Anbetracht der eindeutigen Aussagen bei der Vernehmung durch die Beamten des ZFA davon abgesehen, die übrigen in die Sache verwickelten Personen zu vernehmen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er macht geltend, die Vorentscheidung beruhe auf dem Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung. Er habe vor dem FG Beweis durch die Vernehmung des Zeugen B dafür angeboten, dass es sich nicht um aus dem Osten vorschriftswidrig eingeführte Zigaretten gehandelt habe. Das FG habe in einem Parallelverfahren durch Beweisbeschluss die Vernehmung der Zeugen C und D angeordnet, von einer Anhörung dieser Zeugen dann jedoch abgesehen. Das FG habe sich nicht nur auf Protokolle stützen dürfen, sondern habe die Umstände berücksichtigen müssen. Hätte das FG den Zeugen B vernommen, hätte es nicht davon ausgehen können, dass dieser Zigaretten der Marke Marlboro erhalten habe. Die Frage, ob von einem konkreten Preis auf eine unversteuerte Einfuhr der Zigaretten geschlossen werden könne, habe grundsätzliche Bedeutung.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil in der Beschwerdebegründung ein Grund, der zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) führen könnte, nicht schlüssig dargelegt ist, wie dies § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert.
1. Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist ferner ein konkreter und substantiierter Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2002 VII B 66/01, BFH/NV 2002, 1308; Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. April 2002 II B 24/01, BFH/NV 2002, 1311).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Er bringt lediglich vor, die Frage, ob von einem konkreten Preis auf eine unversteuerte Einfuhr der Zigaretten geschlossen werden könne, habe grundsätzliche Bedeutung.
2. Der Kläger hat die von ihm gerügten Verfahrensmängel gleichfalls nicht schlüssig dargelegt.
Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann (vgl. § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), so muss der Beschwerdeführer vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe bzw. aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei. Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehören die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Übergehen eines Beweisantrags (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 1997 VIII B 16/97, BFH/NV 1998, 608; Senatsbeschluss vom 15. November 2001 VII B 40/01, BFH/NV 2002, 373, 376) sowie die Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. November 1992 II B 169/91, BFH/NV 1993, 258; vom 14. Januar 2002 IX B 115/01, BFH/NV 2002, 667).
Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG das Unterlassen der Vernehmung der Zeugen gerügt hat. Es ist auch nicht ersichtlich, warum dem fachkundig vertretenen Kläger eine solche Rüge nicht möglich gewesen sein soll.
Sollte das Vorbringen des Klägers dahin zu verstehen sein, das FG hätte den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, hat er einen Verfahrensmangel auch insoweit nicht schlüssig dargelegt. Dies erfordert unter anderem einen substantiierten Vortrag dazu, aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag aufdrängen musste (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 2000 VII R 72/99, BFHE 192, 390; BFH-Beschluss vom 25. Juni 2002 X B 199/01, BFH/NV 2002, 1332). Daran fehlt es hier.
Soweit der Kläger sich gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung wendet, kann dies nicht zur Zulassung der Revision führen, weil hiermit kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).
Fundstellen