Entscheidungsstichwort (Thema)

PKH; keine einschränkende Auslegung des § 14 Abs. 3 UStG 1980, wenn der Rechnungsaussteller durch einen Dritten zur Erstellung der Rechnungen überredet wurde

 

Leitsatz (NV)

§ 14 Abs. 3 UStG 1980 ist nicht dahingehend auszulegen, daß bei entsprechender Fall gestaltung nicht der Rechnungsaussteller, sondern der ihn anweisende Hintermann gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer schulden soll. Durch eine solche Interpretation würde die Vorschrift ihre generalpräventive Wirkung verlieren. Der Schuldner der ausgewiesenen Steuer hat sich gegebenenfalls mit zivilrechtlichen Ersatzansprüchen an seinen "Hintermann" zu halten.

 

Normenkette

FGO § 142; ZPO § 114; UStG 1980 § 14 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) meldete bei der Stadt X zum 9. März 1989 ein Gewerbe für den Vertrieb und die Vermittlung von Lastwagen und Baumaschinen an. In der Gewerbeanmeldung wurde als Anschrift der Betriebsstätte Y-Straße in X angegeben. Die Abmeldung erfolgte zum 16. November 1989. Der Beklagte (das Finanzamt -- FA --) erhielt vom Antragsteller die Mitteilung, er habe keine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Der Antragsteller reichte am 16. Januar 1991 eine auf keine Umsätze lautende Umsatzsteuererklärung für 1989 ein.

Durch Ermittlungen der Steuerfahndung wurde die Existenz von insgesamt 35 Rechnungen einer Firma Z-LKW-Handel, Y-Straße, Z bekannt. Die Rechnungen tragen die Unterschrift des Antragstellers.

Das FA setzte mit Bescheiden vom 3. August 1994 gegen den Antragsteller Umsatzsteuer in Höhe von ... DM und Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von ... DM fest. In der die Einsprüche des Antragstellers im übrigen zurückweisenden Einspruchsentscheidung wurde die Umsatzsteuer 1989 unter Änderung des Bescheids für Umsatzsteuer vom 3. August 1994 auf ... DM festgesetzt. Das FA führte zur Begründung aus, der Antragsteller schulde die Steuer gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Er habe Urkunden unterschrieben, in denen Umsatzsteuerbeträge gesondert ausgewiesen gewesen seien, und damit wie ein leistender Unternehmer abgerechnet, obwohl er die in den Urkunden bezeichneten Lieferungen nicht ausgeführt habe. Der Zins anspruch wurde vom FA auf § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt.

Hiergegen richtet sich die unter dem Aktenzeichen ... registrierte Klage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat.

Den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozeßbevollmächtigten lehnte das FG mit der Begründung ab, die beabsichtigte Durchführung des Klageverfahrens biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1980 seien gegeben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der das FG nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Klage bietet bei der summarischen Prüfung im PKH-Verfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG 1980 schuldet derjenige, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis nicht berechtigt ist, den ausgewiesenen Betrag. Das gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980).

a) Der Antragsteller ist Aussteller der Rechnungen. Er hat die Rechnungen unterschrieben und zusätzlich den Firmenstempel des von ihm angemeldeten Gewerbes LKW-Vermittlung und Vertrieb von Baumaschinen, Y-Straße, Z angebracht.

b) Für die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1980 im vorliegenden Fall ist es ohne Bedeutung, daß der Antragsteller nach seinen Angaben durch einen Dritten zur Erstellung der Rechnungen überredet wurde. § 14 Abs. 3 UStG 1980 ist als abstrakter Gefährdungstatbestand besonderer Art ausgestaltet und soll Mißbräuchen durch die Ausgabe von Rechnungen mit offenem Steuerausweis in bezug auf den Vorsteuerabzug entgegenwirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 1995 V R 29/94, BFHE 177, 554, BStBl II 1995, 747, mit Nachweisen). Gegen die Formulierung der Vorschrift bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschluß des Senats vom 2. Dezember 1992 V B 79/92, BFH/NV 1995, 345f., unter d).

Eine einschränkende Auslegung des § 14 Abs. 3 UStG 1980 dahingehend, daß bei entsprechender Fallgestaltung nicht der Rechnungsaussteller, sondern der ihn anweisende Hintermann gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1980 die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer schulden soll, scheidet aus. Denn durch eine solche Interpretation würde die Vorschrift ihre generalpräventive Wirkung verlieren. Rechnungsaussteller könnten durch Schutzbehauptungen die Anwendung des § 14 Abs. 3 UStG 1980 bis zum rechtskräftigen Abschluß von Steuerstraf- bzw. Finanzgerichtsverfahren verhindern. Der Schuldner der ausgewiesenen Steuer hat sich gegebenenfalls mit zivilrechtlichen Ersatzansprüchen an seinen "Hintermann" zu halten.

c) Durch das Überlassen der von ihm erstellten Abrechnungspapiere an den Hintermann hat der Antragsteller diese in Verkehr gebracht ("ausgegeben" vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 4 UStG 1980). Es ist nach Wortlaut und Sinn von § 14 Abs. 3 UStG 1980 unerheblich, daß der Rechnungsempfänger und die in den Abrechnungspapieren bezeichneten Leistungsempfänger nicht personengleich sind. Entscheidend ist, daß der Antragsteller in Kauf genommen hat, der Hintermann werde von den ihm übergebenen Abrechnungspapieren als Rechnungen Gebrauch machen (vgl. Urteil des Senats in BFHE 177, 554, BStBl II 1995, 747).

d) Die Argumentation des Antragstellers zu Art. 21 Nr. 1 Buchst. c und Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) überzeugt nicht. Art. 21 Richtlinie 77/388/EWG enthält eine klare Regelung, die als solche keiner Auslegung bedarf.

Art. 22 Abs. 8 Richtlinie 77/388/EWG, der den Mitgliedstaaten erlaubt, zusätzlich zu den in Art. 22 Abs. 1 bis 7 Richtlinie 77/388/EWG normierten Pflichten weitere Pflichten der Steuerschuldner vorzusehen, kann nicht zu einer Einschränkung der von Art. 21 Richtlinie 77/388/EWG bestimmten Steuerschuldnern führen. Dementsprechend ist die vom Antragsteller angestrebte einschränkende Auslegung des § 14 Abs. 3 UStG 1980, der Art. 21 Nr. 1 Buchst. c Richtlinie 77/388/EWG umsetzt, ausgeschlossen.

e) Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des Zinsbescheides vom 3. August 1994 bestehen nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421643

BFH/NV 1997, 203

BFH/NV 1997, 204

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