Leitsatz (amtlich)
1. Zur grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache.
2. Der Frage, ob eine gerichtliche Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO die für den Kostenbeamten bindende Feststellung enthält, daß ein Bevollmächtigter für das Vorverfahren tatsächlich zugezogen worden ist, kann eine grundsätzliche Bedeutung nicht beigemessen werden.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 1, 3, §§ 149, 148 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 2-5
Tatbestand
Der Rechtsstreit der Kostengläubigerin und Beschwerdeführerin (Kostengläubigerin) wegen ihrer Umsatzsteuer für die Jahre 1960 bis 1964 hatte sich dadurch erledigt, daß der Kostenschuldner und Beschwerdegegner (FA) die Steuer antragsgemäß herabsetzte. Die Kosten des Verfahrens wurden dem FA auferlegt. Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren beantragte die Kostengläubigerin, für die Zuziehung eines Bevollmächtigten - eines Rechtsanwalts - zum außergerichtlichen Vorverfahren die erstattungsfähigen Aufwendungen auf insgesamt 640 DM festzusetzen. Das FG erließ am 15. Juni 1973 den Beschluß, daß die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war. In dem Beschluß vom 20. Juli 1973 lehnte der Kostenbeamte die beantragte Erstattung für das Vorverfahren gleichwohl mit der Begründung ab, die Tätigkeit des Bevollmächtigten der Kostengläubigerin habe sich lediglich auf das Verwaltungsverfahren vor der Erteilung des Steuerbescheids beschränkt; in dem Zeitraum danach bis zum Erlaß des Einspruchsbescheids sei der Vertreter nicht erkennbar aufgetreten.
Die Erinnerung der Kostengläubigerin hatte keinen Erfolg.
Gegen die Nichtzulassung eines Rechtsmittels gegen die Erinnerungsentscheidung des FG wendet sich die Kostengläubigerin mit der Beschwerde.
Die Kostengläubigerin macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Von entscheidender Bedeutung sei, daß das FG durch den Beschluß vom 15. Juni 1973 die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt habe. Ein die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren bejahender richterlicher Beschluß enthalte zwangsläufig auch die für das Kostenerstattungsverfahren präjudizierende Aussage, daß ein Bevollmächtigter tatsächlich im Vorverfahren zugezogen worden sei. Es sei nach dem Sinn und Zweck der FGO nicht Aufgabe eines Gerichts, an inhaltsleeren und insbesondere wertfreien Beschlüssen mitzuwirken.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Vorschriften des § 115 Abs. 2 bis 5 FGO über die Zulassung der Revision gegen ein Urteil des FG gelten gemäß § 149 Satz 2 in Verbindung mit § 148 Abs. 3 FGO sinngemäß auch für die Zulassung der Beschwerde gegen eine Entscheidung des FG über die einem Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen. Die Ausführungen der Kostengläubigerin in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde befassen sich vornehmlich mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage schon Gegenstand der Entscheidung durch den BFH gewesen ist und von einer erneuten Entscheidung eine weitere Klärung nicht zu erwarten ist oder aber auch, wenn es lediglich um die Anwendung fester Rechtsgrundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt geht (vgl. die Beschlüsse vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl II 1966, 628, und vom 20. November 1969 I B 34/69, BFHE 97, 281, BStBl II 1970, 133).
In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Rechtsfrage, ob einem Verfahrensbeteiligten für einen Rechtsanwalt, der in dem außergerichtlichen Vorverfahren nicht erkennbar aufgetreten ist, die Gebühren und Auslagen nach § 118 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte allein deshalb erstattet werden müssen, weil das FG durch einen Beschluß nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat. Der BFH hat in dem vom FG angeführten Beschluß vom 7. November 1969 III B 36/69 (BFHE 97, 338, BStBl II 1970, 123) eingehend dargelegt, daß es Grundvoraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen der vorliegenden Art ist, daß der Bevollmächtigte im außergerichtlichen Vorverfahren zugezogen worden ist. Das bedeutet, der Bevollmächtigte muß selbst Erklärungen im Namen des Vertretenen abgegeben haben. Unterstützt er nur den Vertretenen bei der Abfassung von Erklärungen und gibt der Vertretene diese Erklärungen selbst ab, so ist der Bevollmächtigte als solcher nicht aufgetreten. Nun hat allerdings das FG im vorliegenden Fall die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch besonderen Beschluß für notwendig erklärt, obwohl, wie das FG in dem späteren Erinnerungsverfahren festgestellt hat, im Einspruchsverfahren ein Bevollmächtigter für die Kostengläubigerin tatsächlich nicht aufgetreten ist. Die Kostengläubigerin legt dem Beschluß über die Notwendigkeit der Zuziehung aber eine Wirkung bei, die ihm jedenfalls seinem Wortlaut und Umfang nach nicht zukommt. Der Tenor eines Beschlusses nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO sagt nichts über die Tatsache der Zuziehung als solcher aus oder stellt eine derartige Tatsache fest. Die Zuziehung wird von dem Verfahrensbeteiligten verwirklicht durch Erteilung einer Vollmacht und durch Abgabe von Erklärungen seitens des Bevollmächtigten gegenüber den mit dem außergerichtlichen Vorverfahren befaßten Verwaltungsbehörden. Ein Beschluß nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO stellt somit nicht mit Bindungswirkung für den Kostenbeamten unwiderruflich fest, daß ein Bevollmächtigter tatsächlich zugezogen worden ist. Der Kostenbeamte muß in jedem Fall selbständig prüfen, ob eine solche Zuziehung vorliegt und ob der Bevollmächtigte im Vorverfahren tatsächlich aufgetreten ist. Nur wenn das der Fall ist, ist der Kostenbeamte infolge des Gerichtsbeschlusses über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten dem Erfordernis einer näheren Prüfung enthoben, ob die Kosten für einen im außergerichtlichen Vorverfahren zugezogenen Bevollmächtigten notwendige Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nach § 139 Abs. 1 FGO waren. Ist ein Bevollmächtigter im außergerichtlichen Vorverfahren nicht zugezogen worden, ist ein Beschluß des Gerichts nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO ohne Wirkung und für die vom Urkundsbeamten in eigener Zuständigkeit nach § 149 FGO vorzunehmende Festsetzung der erstattungsfähigen Aufwendungen ohne Bedeutung.
Auch der Große Senat des BFH hat in der Entscheidung vom 18. Juli 1967 GrS 8/66 (BFHE 90, 156, BStBl II 1968, 59) ausgeführt, daß zu den Kosten nach § 139 Abs. 1 FGO die Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand im Vorverfahren nur unter der Voraussetzung rechnen, daß der Bevollmächtigte oder Beistand dem FA gegenüber auch wirklich aufgetreten ist. Werden die Aufwendungen für die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren von § 139 Abs. 1 FGO nicht erfaßt, so geht nach Auffassung des Großen Senats ein Beschluß des FG, daß die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt wird, ins Leere.
Durch höchstrichterliche Rechtsprechung ist somit der Begriff der Zuziehung eines Bevollmächtigten weitgehend geklärt. Im Grunde geht es bei der von der Kostengläubigerin aufgeworfenen Rechtsfrage um die Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze, und zwar hinsichtlich der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen und hinsichtlich des Umfangs erstattungsfähiger Aufwendungen. Einer gerichtlichen Entscheidung kann nach den geltenden Verfahrensrechtsordnungen eine über den Entscheidungsausspruch hinausgehende Bindungswirkung nicht zugesprochen werden. Für das Kostenrecht besteht die Regel, daß Aufwendungen für einen Bevollmächtigten nur erstattet werden können, wenn dieser tatsächlich in einem Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren aufgetreten ist. Der Nichtzulassungsbeschwerde der Kostengläubigerin kann daher eine grundsätzliche Bedeutung nicht zuerkannt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 71077 |
BStBl II 1975, 196 |
BFHE 1975, 409 |