Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Gewerblicher Grundstückshandel bei Weiterveräußerung geschenkter Grundstücke, rechtliches Gehör, Sachaufklärungspflicht, Terminsvorbereitung durch Bericht im „Urteilsstil“
Leitsatz (NV)
- Geklärt ist, dass für die Frage, ob ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, Objekte, die an Verwandte, Freunde oder Bekannte ohne Gewinn verschenkt werden, nicht in die Betrachtung einzubeziehen sind, ob die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten ist.
- Ebenso geklärt ist aber, dass die Weiterveräußerung geschenkter Objekte dem Schenker zugeordnet werden kann, wenn er nach dem Gesamtbild der Verhältnisse selbst das "Geschehen beherrscht hat" und ihm selbst der Erlös aus den Weiterveräußerungen zugeflossen ist.
- Es ist geklärt, dass die Terminsvorbereitung und Urteilsfindung durch einen im "Urteilsstil" abgefassten Bericht weder eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht noch des Anspruchs auf rechtliches Gehör begründet noch die Schlussfolgerung rechtfertigt, das FG habe nicht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden.
- Auch wenn die vor dem FG streitigen Fragen bereits anlässlich einer Außenprüfung, des Einspruchsverfahrens und des Klageverfahrens einschließlich eines Erörterungstermins umfänglich angesprochen wurden, ist es Sache des Klägers, die nach seiner Ansicht trotz einer Zeugenvernehmung weiterhin gegebene Ermittlungsbedürftigkeit durch eigene Beweisanträge geltend zu machen.
- Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das FG von ihm entgegengenommenes Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Misst es diesem Vorbringen eine andere als die vom Kläger gewünschte Bedeutung bei, berührt dies weder dessen Anspruch auf rechtliches Gehör noch verletzt das FG dadurch die Pflicht, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2; FGO § 76 Abs. 1, § 79 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3; AO 1977 § 42
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren die Zulassung der Revision insoweit mit dem Hinweis auf die grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), als gefragt werden müsse, ob ein Verstoß gegen die finanzgerichtliche Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO) sowie gegen die Pflicht aus § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO vorliege, wenn das Finanzgericht (FG) das Urteil und/oder die wesentlichen Urteilsgründe schon vor der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vorweggenommen habe. Sie wenden sich dagegen, dass das Urteil offensichtlich vor der mündlichen Verhandlung schon im Entwurf vorgelegen hat, so dass es nach einer Auskunft der Geschäftsstelle bereits 1 1/2 Stunden nach Urteilsverkündung abgefasst gewesen ist.
a) Damit rügen die Kläger ein rechtlich nicht zu beanstandendes Verfahren der Terminsvorbereitung und Urteilsfindung. Für die Meinungsbildung in einem Spruchkörper ist es unerlässlich, dass, bevor die zuständigen Richter eine Entscheidung fällen, ein Bericht vorliegt, der den gesamten Sach- und Streitstand wiedergibt und soweit möglich auch einen Entscheidungsvorschlag enthält. Eine solche Verfahrensweise bietet sich in verstärktem Maße für das Steuerrecht an, in dem regelmäßig komplexe Sachverhalte bei häufig schwieriger Beweislage anhand komplizierter Rechtsvorschriften zu beurteilen sind. Ohne derart umfassende schriftliche Vorbereitung könnte der Konzentrationsmaxime, also dem gesetzlichen Gebot, einen Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (§ 79 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. dazu näher: Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 79 Rdnr. 1) im Steuerprozess nicht entsprochen werden. Aus diesem Grunde gehört das von den Klägern beanstandete Verfahren auch bei der Tatsacheninstanz, den FG, zur allgemeinen Übung.
Dass solche Berichte vielfach im "Urteilsstil" verfasst werden, ist nicht nur ein Gebot rationeller Arbeitsweise, weil damit zugleich die Basis für die spätere Urteilsbegründung erarbeitet wird, es dient auch der Selbstkontrolle, weil auf diese Weise die Entscheidungserheblichkeit einzelner Punkte und die Entscheidungsreife des Falles für alle zur Entscheidung berufenen Richter besonders deutlich werden.
b) Es ist geklärt, dass mit einer solchen Art der Vorbereitung für sich allein das FG die ihm auferlegte Sachaufklärungspflicht nicht verletzt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Mai 1995 X R 55/94, BFHE 177, 344, BStBl II 1995, 604). Dieses Verfahren dient typischerweise nur einer vorläufigen Standortbestimmung, die sich infolge anderer oder besserer späterer Erkenntnisse bei der endgültigen Überzeugungsbildung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) als korrekturbedürftig erweisen kann (vgl. im Übrigen auch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 17. Mai 1959 1 BvR 53/56, BVerfGE 9, 213, 215).
c) In dieser Vorgehensweise kann für sich gesehen auch keine Verletzung des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör gesehen werden. Sie ist im Gegenteil Ausdruck dafür, dass das FG deren Vorbringen bis zur mündlichen Verhandlung sorgfältig zur Kenntnis genommen und verarbeitet hat.
d) Genauso wenig kann aus diesem Vorgehen für sich gesehen gefolgert werden, das FG habe nicht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO). Wie wenig eine solche allgemeine Schlussfolgerung berechtigt ist, bestätigt gerade das angefochtene Urteil, in dem sich das FG ausführlich mit der Aussage der im Verfahren des Klägers gegen die Gewerbesteuermessbescheide 1991 und 1992 als Zeugin vernommenen Klägerin befasst und seine Entscheidung maßgeblich auf die Würdigung dieser Aussage stützt, in der nach seiner Auffassung das Gesamtbild der Verhältnisse seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss in BFHE 177, 344, BStBl II 1995, 604).
2. Des Weiteren sehen es die Kläger als klärungsbedürftig i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO an, ob eine gewerbliche Betätigung i.S. des § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ―ggf. i.V.m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977)― vorliegt, wenn nur drei Objekte verkauft, aber drei Objekte verschenkt und anschließend veräußert wurden. Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 6. August 1998 III R 227/94 (BFH/NV 1999, 302, m.w.N.) entschieden, dass Wohnungen, die an Verwandte, Freunde oder Bekannte ohne Gewinn verschenkt werden, nicht in die Betrachtung einzubeziehen sind, ob die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten ist. Sie können daher in der Regel auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer bei der Errichtung bestehenden bedingten Verkaufsabsicht dem Betriebsvermögen eines vom Schenker betriebenen gewerblichen Grundstückshandels zugeordnet werden. Er hat aber in diesem Urteil ebenso entschieden, dass bei einem Weiterverkauf von solchen Wohnungen durch den Beschenkten diese Veräußerungen nach § 42 AO 1977 dem gewerblichen Grundstückshandel des Schenkers zuzuordnen sein können. Diese vom BFH in ständiger Rechtsprechung vertretene Wertung kann sich auf unterschiedliche Sachverhaltsvarianten beziehen (vgl. Senatsurteile vom 14. Januar 1998 X R 1/96, BFHE 185, 242, BStBl II 1998, 346; vom 17. Juni 1998 X R 68/95, BFHE 186, 288, BStBl II 1998, 667; BFH-Beschlüsse vom 25. April 1996 VIII B 50/95, BFH/NV 1996, 746, mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung; vom 7. Juni 2000 III B 35/97, BFH/NV 2001, 138, s. auch FG Münster, Urteil vom 7. Mai 2002 1 K 2106/00 E, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2002, 1076; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2000 1 K 3017/97, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst ―DStRE― 2001, 629). Das Urteil in BFH/NV 1999, 302 hält einen Gestaltungsmissbrauch für denkbar, wenn die unentgeltliche Übertragung einer Wohnung auf den Ehepartner nur dazu diente, die Besteuerung des späteren Verkaufs der Wohnung als ein Geschäft des gewerblichen Grundstückhandels zu vermeiden und außer der Steuervermeidung keine Gründe zu erkennen sind, die die unentgeltliche Übertragung der Wohnung auf die Ehefrau vor einem Weiterverkauf als sinnvoll erscheinen ließen.
Unter Bezugnahme auf dieses BFH-Urteil hat das FG unter Berücksichtigung des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen den unentgeltlichen Übertragungen auf die Klägerin und den jeweiligen (Weiter-)Veräußerungen sowie des Umstands, dass im Wesentlichen der Kläger selbst ―und zwar nicht auf der Grundlage eines mit der Klägerin abgeschlossenen Darlehens― Nutzen aus der Veräußerung der sechs Wohnungen gezogen hat, den Tatbestand des § 42 AO 1977 als erfüllt angesehen. Es hat keine außersteuerlichen Gründe für die unentgeltliche Übertragung der Wohnungen auf die Klägerin vor dem Verkauf erkennen können. Es hat aus dem Gesamtbild der Verhältnisse die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger selbst "das Geschehen beherrschte", indem er die Errichtung und Verwertung der Eigentumswohnungen "steuerte" und dass ihm selbst der Erlös zuzurechnen war, der zur Finanzierung des Baus, zur Bestreitung des Familienunterhalts, der Tilgung der Schulden für sein Ferienhaus sowie für ein Darlehen an seine Tochter verwendet wurde. Dies enthält der Sache nach die rechtliche Aussage, dass der Kläger selbst den steuerbaren Handlungstatbestand verwirklicht hat und ihm der Handlungserfolg in Gestalt eines Gewinns aus Gewerbebetrieb auch aus der Veräußerung der verschenkten Wohnungen persönlich zuzurechnen ist. Dies wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
3. Ebenfalls geklärt und damit nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Gewerbesteuer (so Senatsbeschluss vom 14. Juni 2000 X B 97/99, BFH/NV 2001, 65, m.w.N.).
4. Die Rüge der im Verfahren fachkundig vertretenen Kläger, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, weil es weitere Ermittlungen unterlassen habe, die es von sich aus hätte anstellen müssen, kann die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht begründen.
Entgegen ihrer Ansicht hat sich dem FG die mit der Nichtzulassungsbeschwerde behauptete weitere Ermittlungsbedürftigkeit verschiedener Einzelfragen nicht aufdrängen müssen. Es wäre im Gegenteil Sache der Kläger gewesen, das FG durch entsprechende Beweisanträge zu den von ihm für erforderlich gehaltenen Ermittlungen zu veranlassen. Nach der Vernehmung der Klägerin als Zeugin im Verfahren des Klägers gegen die Gewerbesteuermessbescheide 1991 und 1992 und deren Aussage bestand für das FG zu Recht kein Grund, von sich aus den von den Klägern nachträglich für ermittlungsbedürftig gehaltenen Fragen weiter nachzugehen. Bis zur Vernehmung der Zeugin möglicherweise offene Fragen durfte das FG nach deren Aussage als geklärt ansehen. Bei dieser Sachlage durften sich die Kläger nicht schon deshalb davon entbunden sehen, die nach ihrer Ansicht weiterhin gegebene Ermittlungsbedürftigkeit durch eigene Beweisanträge geltend zu machen, weil die streitigen Fragen bereits anlässlich der Außenprüfung, des Einspruchsverfahrens und des Klageverfahrens einschließlich des Erörterungstermins umfänglich zur Diskussion gestellt oder durch Vorlage von Urkunden in den Prozess eingebracht worden seien.
5. Das Vorbringen der Kläger, das Urteil beruhe auf einer Vorwegnahme der Beweisaufnahme und verletze dadurch die Sachaufklärungspflicht, weil es schon 1 1/2 Stunden nach seiner Verkündung der Geschäftsstelle zum Schreiben vorgelegen und somit bereits vor Beginn der Verhandlung festgestanden habe und auch hinsichtlich der Begründung vorformuliert gewesen sei, geht fehl, wie schon oben (unter 1.) dargelegt worden ist.
6. Unbegründet ist die Beschwerde der Kläger auch insoweit, als sie vortragen, das FG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und die sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ergebende Pflicht verletzt, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, weil es eingereichte Unterlagen nicht gewürdigt hat.
Zum einen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das FG von ihm entgegengenommenes Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2001 II B 129/00, BFH/NV 2001, 1292). Zum anderen hat das FG z.B. die unterschiedlichen Makleraufträge auch tatsächlich zur Kenntnis genommen, wie sich schon aus der ausdrücklichen Erwähnung im Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt. Dass es diesem Vorbringen nicht die von den Klägern gewünschte Bedeutung beigemessen hat und es ―insbesondere aufgrund der Zeugenaussage der Klägerin in dem Verfahren des Klägers gegen die Gewerbesteuermessbescheide 1991 und 1992― anders als die Kläger würdigt, berührt weder den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör noch verletzt dies die Pflicht des FG, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu bilden.
7. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 870809 |
BFH/NV 2003, 162 |