Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH: Keine Hinweispflicht des Gerichts auf Frist- und Formvorschriften
Leitsatz (NV)
Prozesskostenhilfe kann nur dann gewährt werden, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist u.a. eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 ZPO auf dem vorgeschriebenen Vordruck (§ 117 Abs. 4 ZPO) vorlegt. Auf Unkenntnis kann sich der Antragsteller nicht berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich selbst kundig machen muss; die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 4, §§ 62a, 115 Abs. 2; ZPO §§ 114, 117
Tatbestand
I. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2003 hat der Antragsteller den Gewinn aus seinem …unternehmen mit 46.838,55 € angegeben. Diesen von einem Steuerberater ermittelten Gewinn hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) um nicht abzugsfähige Betriebsausgaben in Höhe von 1.317,52 € auf 48.156 € erhöht. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig.
Anlässlich der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen teilte der Antragsteller dem FA mit, 2003 sei tatsächlich nicht der erklärte Gewinn, sondern ein Verlust entstanden.
Das FA lehnte eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids 2003 ab. Den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid wies es als unbegründet zurück. Dabei berücksichtige es zu hoch erklärte Darlehenszinsen in Höhe von 2.372,53 € und weitere Betriebseinnahmen in Höhe von 82,21 € gewinnerhöhend. Bis zu dieser Höhe erkannte es in 2003 zu Unrecht nicht berücksichtigte Betriebsausgaben (Beiträge zur Berufsgenossenschaft in Höhe von 7.665 €, Löhne, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 19.133,70 €) als materielle Fehler der Steuerfestsetzung an.
Mit der fristgerecht erhobenen Klage hat der Antragsteller geltend gemacht, der Einkommensteuerbescheid 2003 sei ihm am 22. Juli 2005 zugegangen und bereits am 26. Juli 2005 habe er ein Schreiben an den Vollstreckungssachgebietsleiter des FA gerichtet, das auch als Einspruch zu werten sei. Im Übrigen habe ihm die Fa. A nur 473.488,70 € anstelle der erklärten 571.257,92 € überwiesen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Einkommensteuerbescheid 2003 sei bestandskräftig geworden, da der Antragsteller innerhalb der Einspruchsfrist keinen Einspruch eingelegt habe. Eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung komme nicht in Betracht, da den Steuerberater des Antragstellers am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen ein grobes Verschulden treffe. Dieses Verschulden seines steuerlichen Beraters müsse sich der Antragsteller zurechnen lassen.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller selbst Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben. Er trägt im Ergebnis vor, ihm sei am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen kein Verschulden anzulasten. Als steuerlicher Laie habe er nicht erkennen können, dass sein Berater mit völlig falschen Zahlen gearbeitet habe. Gleichzeitig beantragte er Prozesskostenhilfe (PKH). Eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging erst nach Ablauf der Beschwerdefrist beim Bundesfinanzhof (BFH) ein.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt.
Es kann dahinstehen, ob durch die seit dem 1. Juli 2008 geltende Neuregelung des Vertretungszwangs in § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und das Außerkrafttreten des § 62a FGO insofern eine Änderung eingetreten ist, dass nun auch der Antrag auf PKH vertretungspflichtig ist. Die erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH liegen jedenfalls nicht vor.
1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem beim Prozessgericht zu stellenden Antrag (§ 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 ZPO). Hierbei hat der Prozessbeteiligte die dafür eingeführten Vordrucke zu benutzen.
Im Streitfall hat der Antragsteller diesem Erfordernis nicht genügt, weil er die "Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" nicht innerhalb der am 19. Oktober 2009 abgelaufenen Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegt hat (vgl. hierzu z.B. Senatsbeschluss vom 28. September 2005 X S 15/05 (PKH), BFH/NV 2005, 2249). Auf Unkenntnis kann sich der Antragsteller nicht berufen, da er sich über die Voraussetzungen einer Bewilligung von PKH grundsätzlich selbst kundig machen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 8. April 1999 II B 82/98, BFH/NV 1999, 1470, m.w.N.); die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. August 1991 2 BvR 995/91, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1992, 426).
2. Selbst wenn dem Antragsteller wegen dieses Versäumnisses --was offenbleiben kann-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte, ist der Antrag auf PKH dennoch abzulehnen, weil die im vorliegenden Fall beabsichtigte Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde bei summarischer Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
a) Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
b) Der angerufene Senat vermag bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags des Antragstellers, des Inhalts der vorliegenden Akten und des vom Antragsteller beanstandeten FG-Urteils keinen hinlänglichen Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Der vorliegende Sachverhalt wirft keine über den spezifisch gelagerten Einzelfall hinausreichende allgemein bedeutsame Rechtsfrage auf, welche die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und/oder Nr. 2 Alternative 1 FGO gebietet. Die Zulassung der Revision wegen Divergenz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Antragsteller keine tragenden und abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und einer Divergenzentscheidung andererseits herausgearbeitet und einander gegenübergestellt hat. Überdies vermag der Senat auch ansonsten nicht zu erkennen, dass das FG mit einem bestimmten, in dem angegriffenen Urteil aufgestellten tragenden und abstrakten Rechtssatz von der Entscheidung eines anderen Gerichts zu derselben Rechtsfrage abgewichen wäre (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das FG-Urteil infolge schwerwiegender materiell-rechtlicher Fehler objektiv willkürlich erscheint und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; Lange, Deutsche Steuer-Zeitung 2002, 782, 784). Schließlich beruht das Urteil auch nicht erkennbar auf einem Verfahrensmangel, der --auf der Grundlage des vom FG eingenommenen materiell-rechtlichen Standpunkts-- dessen Entscheidung hätte beeinflussen können (zu Letzterem vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 79 und 96, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
3. Bereits aus diesem Grund bietet die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Fundstellen
Haufe-Index 2270935 |
BFH/NV 2010, 232 |