Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme strafgerichtlicher Tatsachenfeststellungen durch das FG
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen einer Übernahme strafgerichtlicher Tatsachenfeststellungen durch das FG (Anschluß an BFH-Urteil vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463).
2. Das substantiierte Bestreiten nur einer aus einer Reihe von im Strafurteil festgestellten Tatsachen zwingt das FG nicht zu eigenen Feststellungen, sofern die übrigen, nicht substantiiert bestrittenen Tatsachenfeststellungen in ihrem Umfang und Gewicht ausreichen, die vom FG hieraus gezogenen rechtlichen Folgerungen zu tragen.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; UStG § 21 Abs. 2; ZG § 57 Abs. 2 S. 2; ZPO § 114
Tatbestand
Das Hauptzollamt (HZA) hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) mit Steuerbescheid vom . . . auf Zahlung von Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von . . . in Anspruch genommen. Den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für die hiergegen von der Antragstellerin erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Zur Begründung führte das FG aus, die Antragstellerin sei rechtskräftig vom Strafgericht wahlweise wegen fortgesetzten gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Schmuggels oder fortgesetzter gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt worden. Nach den Feststellungen des Landgerichts habe die Antragstellerin gewußt, daß es sich bei dem von ihr von ihrem Ehemann angekauften Gold um Schmuggelware gehandelt habe. Das FG mache sich diese Feststellungen zu eigen, da substantiierte Einwendungen hiergegen nicht vorgetragen worden seien. Selbst wenn man aber zugunsten der Antragstellerin die vom Landgericht für wahrheitswidrig gehaltene Aussage ihres Ehemannes berücksichtige, wonach sie über die Herkunft des Goldes nicht informiert gewesen sei, hätte sie aufgrund der Begleitumstände der Geschäfte wissen müssen, daß es sich bei dem Gold um Schmuggelware und damit um Zollgut handelte. Dies reiche gemäß § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i. V. m. § 57 Abs. 2 Satz 2 des Zollgesetzes (ZG) für eine Inanspruchnahme als weitere Schuldnerin hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer aus.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie meint, das FG habe sich die Feststellungen des Strafurteils nicht zu eigen machen dürfen, da sie deren Richtigkeit substantiiert bestritten und durch Zeugnis ihres Ehemannes Beweis dafür angeboten habe, daß sie den Hintergrund von dessen Goldgeschäften weder gekannt habe noch habe kennen müssen. Da das FG die angebotenen Beweise nicht erhoben habe, sei es von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß für die Klage gegen den Einfuhrumsatzsteuerbescheid keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§ 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kann sich das FG in tatsächlicher Hinsicht die Feststellungen eines in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteils zu eigen machen, es sei denn, daß die Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen substantiierte Einwendungen vortragen und entsprechende Beweisanträge stellen, die das FG nach den allgemeinen für die Beweiserhebung geltenden Grundsätzen nicht unbeachtet lassen kann (Senatsurteil vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311; Urteil vom 23. Januar 1985 I R 30/81, BFHE 143, 117, BStBl II 1985, 305; Senatsurteil vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463).
Im Streitfall durfte das FG die Feststellungen des Strafgerichts seiner Entscheidung zugrunde legen. Das FG hat aus einer Reihe von im Strafurteil festgestellten Tatsachen (Antragstellerin als gute und gut informierte Geschäftsfrau, die sich in Geschäftsangelegenheiten nicht hineinreden ließ; hektische Aktivitäten des Ehemanns bei der Abwicklung der illegalen Goldgeschäfte; Verhalten der Antragstellerin bei einer Geschäftsbesprechung, nachdem der bisherige Abnehmer die Fortführung der Goldankäufe auf der bisherigen Basis ablehnte; Vorfinanzierung der Goldeinkäufe durch die Antragstellerin; Größenordnung der in einem Zeitraum von nur wenigen Monaten getätigten Goldgeschäfte mit der Folge einer enormen Umsatzsteigerung im Unternehmen der Antragstellerin) gefolgert, daß die Antragstellerin gewußt hat oder doch zumindest hätte wissen müssen, daß es sich bei dem von ihr angekauften Gold um Schmuggelware und damit Zollgut gehandelt hat. Dies reicht für eine Inanspruchnahme der Antragstellerin als weitere Schuldnerin der von ihrem Ehemann geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer aus (§ 21 Abs. 2 UStG i. V. m. § 57 Abs. 2 Satz 2 ZG; vgl. dazu das bereits angeführte Senatsurteil VII R 124/85).
Die dieser Beurteilung zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen hat die Antragstellerin jedenfalls nicht substantiiert bestritten. Lediglich die Ausführungen in dem Schriftsatz vom . . . , wonach der Ehemann in einer Art Abhängigkeitsverhältnis bestimmenden Einfluß auf die geschäftlichen Aktionen der Antragstellerin gehabt haben soll, sind - zusammen mit den entsprechenden Beweisangeboten - an sich nicht ungeeignet, eine der Feststellungen, nämlich die Antragstellerin sei eine ,,Geschäftsfrau gewesen, die sich in Geschäftsangelegenheiten nicht hineinreden ließ", zu erschüttern. Aber die weitere vom FG in diesem Zusammenhang zugrunde gelegte Feststellung, die Antragstellerin sei ,,eine gute und gut informierte Geschäftsfrau gewesen", wird durch dieses Vorbringen nicht berührt. Zudem ist gleichzeitig und wiederholt, auch noch in der Beschwerdeinstanz, vorgetragen worden, jeder der Eheleute sei geschäftlich seine eigenen Wege gegangen. Das macht die unter Beweis gestellte Behauptung der Antragstellerin in sich widersprüchlich und unschlüssig. Das FG durfte daher zu Recht davon ausgehen, daß die Antragstellerin im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen nichts vorgetragen habe, was die Annahme rechtfertigen könnte, daß die vom Strafgericht vorgenommene Beweiswürdigung unzutreffend wäre und daß eine erneute Durchführung der Beweisaufnahme vor dem FG zu einem anderen Ergebnis führen könnte.
Selbst wenn man das Vorbringen der Antragstellerin als substantiierte Einwendung gelten ließe, so griffe sie damit nur eine aus einem ganzen Bündel von Feststellungen an, auf die Strafgericht und FG ihre Entscheidungen gestützt haben. Die übrigen, auch in der Beschwerdeinstanz nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen reichen jedoch nach Auffassung des Senats in ihrer Summe und in ihrem Gewicht aus, jedenfalls die Folgerung des FG zu tragen, die Antragstellerin habe nach den Umständen der Ankäufe mindestens leichtfertig gehandelt, so daß ihr die - von ihr behauptete - Unkenntnis der Zollguteigenschaft des Goldes von Rechts wegen zur Last gelegt werden müsse.
Fundstellen
Haufe-Index 418182 |
BFH/NV 1992, 612 |