Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Verfahrensrüge wegen unterbliebener Sachaufklärung über den Umfang einer tatsächlichen Verständigung
Leitsatz (NV)
Die bloße Behauptung, das FA habe in einem Erörterungstermin vor dem FG, in dem der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde, im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung Zusagen gegeben, dann aber nicht eingehalten, genügt nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Es sind Zeugen und Beweismittel zu benennen. Daß der Steuerpflichtige bei Abgabe seiner Erledigungserklärung möglicherweise von anderen Vorstellungen über die gegebenen Zusagen ausging als das FA, ändert hieran nichts.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 114 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
I. 1. Mit seiner Klage wandte der Antragsteller sich gegen den Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheid des Finanzamts (FA) für 1973. Streitig war eine Vielzahl von einzelnen Sachverhalten. Der Rechtsstreit wurde am 25. April 1989 in einem Erörterungstermin übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem das FA zugesagt hatte, die angefochtenen Bescheide in einer Reihe von in dem Protokoll über den Termin aufgeführten Punkten zugunsten des Antragstellers zu ändern. Dieser Zusage des FA war - auf Vorschlag des den Erörterungstermin durchführenden Berichterstatters - eine Verständigung zwischen den Beteiligten über die Behandlung der einzelnen Streitpunkte in tatsächlicher Hinsicht vorangegangen.
Mit seinem Schriftsatz vom 2. Mai 1989 führte der Kläger aus, der Verständigung mit dem FA in dem Erörterungstermin läge z. T. unrichtiges Zahlenmaterial zugrunde. Dies sei im Jahr 1973, ggf. auch im Folgejahr zu korrigieren.
Das FA erließ am 28. Juni 1989 aufgrund der im Protokoll über den Erörterungstermin festgehaltenen tatsächlichen Verständigung mit dem Antragsteller geänderte Einkommen- und Gewerbesteuermeßbescheide für 1983.
2. Mit einer weiteren Klage wandte der Antragsteller sich gleichermaßen gegen die Einkommen- und Gewerbesteuermeßbescheide des FA für 1974. Streitig waren auch hier zahlreiche einzelne Sachverhalte.
Auch dieser Rechtsstreit wurde - am 19. Mai 1989 - in einem Erörterungstermin übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem das FA zugesagt hatte, die angefochtenen Bescheide nach Maßgabe der im Protokoll über den Termin festgehaltenen, auf einer tatsächlichen Verständigung mit dem Antragsteller beruhenden Einzelheiten zu ändern. Änderungsbescheide über Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbetrag 1974 ergingen hiernach ebenfalls am 28. Juni 1989.
3. Sowohl die für 1973 als auch die für 1974 ergangenen Bescheide wurden vom Antragsteller erneut mit Einspruch und Klage angegriffen. Geltend gemacht wurde eine Reihe weiterer Sachverhalte und Streitpunkte, die der Antragsteller in den Änderungsbescheiden berücksichtigt wissen wollte. Das FA habe die in den Erörterungsterminen gegebenen Zusagen nicht korrekt umgesetzt. So habe er, der Antragsteller, in den Erörterungsterminen jeweils mündlich die Frage gestellt, ob drei bestimmte Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt . . . DM als Aufwand angesetzt worden seien. Dies führe - im Ergebnis - für 1973 zu einem Wenigergewinn. Die von ihm gestellten Fragen habe der Vertreter des FA unter Zustimmung des berichterstattenden Richters bejaht. Tatsächlich sei dann jedoch diesen mündlich gegebenen Zusagen widersprechend verfahren worden; die Rechnungsbeträge seien unberücksichtigt geblieben. Das aber sei treuwidrig. Daß auch er beide Rechtsstreite in den Hauptsachen für erledigt erklärt habe, stünde dem nicht entgegen. Denn diese Erklärungen habe er nur in Anbetracht der mündlichen Zusagen des FA abgegeben.
Die Rechtsbehelfe blieben zum überwiegenden Teil erfolglos. Das FG erhöhte lediglich die vom FA für 1974 gebildete Gewerbesteuerrückstellung. Im übrigen sah es die Klagen als unzulässig an, soweit der Antragsteller die Änderungsbescheide nunmehr über seine in den Klageverfahren geltend gemachten Begehren hinaus angriff, und als unbegründet, soweit der Antragsteller die Einhaltung der vom FA in den Erörterungsterminen gegebenen Zusagen rügte. Das FA habe den von ihm aufgrund der tatsächlichen Verständigungen mit dem Antragsteller eingegangenen Verpflichtungen so, wie sie protokolliert worden seien, in vollem Umfang entsprochen.
4. Das FA hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbescherde des Antragstellers, für die er Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) sowie Beiordnung eines Steuerberaters als Prozeßbevollmächtigten beantragt.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Antragsteller zunächst - unter Hinweis auf seine diversen Schriftsätze in dem finanzgerichtlichen Vorverfahren - mangelnde Sachaufklärung durch das FG (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Außerdem macht er geltend, die Rechtssache sei von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die mangelnde Sachaufklärung sieht der Antragsteller darin, daß das FG nicht der Frage nachgegangen sei, das FA habe ihm - über die schriftlich in den Protokollen über die Erörterungstermine gegebenen Zusagen hinausgehend - weitere mögliche Zusicherungen gegeben. Grundsätzliche Bedeutung könne in der Frage gesehen werden, inwieweit die Klage gegen einen nach Erledigungserklärung unter Verletzung von Treu und Glauben ergangenen Steuerbescheid zulässig und begründet sei.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von PKH und damit auch der Antrag, ihm einen Prozeßbevollmächtigten beizuordnen, sind nicht begründet; die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 142 FGO). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist dementsprechend mit Beschluß des Senats vom heutigen Tage als unzulässig verworfen worden.
a) Den Anforderungen, die an die Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung durch Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zu stellen sind, ist nicht genügt.
Die Erledigungserklärungen sind (auch) von seiten des Antragstellers bedingungsfrei in den Erörterungsterminen vor dem FG abgegeben worden. Sie sind unwiderruflich. Damit sind die ehemals vor dem FG rechtshängigen Rechtsstreite formell erledigt (s. im einzelnen BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 X R 1/80, BFHE 151, 118, BStBl II 1988, 121; FG des Saarlandes, Urteil vom 13. September 1990 1 K 177/90, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 140). Dennoch war das FA nach Treu und Glauben verpflichtet, die Änderungsbescheide entsprechend seinen in den Erörterungsterminen gegebenen Zusagen zu ändern. Dies aber ist nach den - den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) - Feststellungen des FG geschehen. Von seinem Standpunkt aus bedurfte es also keiner weiteren Sachaufklärung.
Soweit der Antragsteller demgegenüber der Auffassung ist, es seien vom FA mündlich weitere - nicht in den Protokollen über die Erörterungstermine festgehaltene - Zusagen gegeben, nicht aber eingehalten worden, kann der Senat den Ausführungen des Antragstellers nicht entnehmen, auf welche Weise das FG den Sachverhalt weiter hätte aufklären sollen. Dies aber wäre erforderlich gewesen. Die mangelnde Sachaufklärung muß dargelegt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 24. Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694). Es reicht nicht aus, eine solche Verletzung nur unsubstantiiert zu behaupten. Vielmehr sind die Beweismittel anzugeben, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich ihm aber auch ohne besonderen Antrag als erforderlich hätte aufdrängen müssen (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 115 FGO Rdnr. 90; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rz. 228). Der Hinweis auf die diversen Schriftsätze des Antragstellers entspricht diesen Anforderungen nicht. Daraus ergibt sich lediglich - erneut - die bloße Behauptung der angeblich vom FA möglich erteilten Zusagen, nicht aber die Benennung von Zeugen und Beweisthemen. Daß der Antragsteller bei Abgabe seiner Erledigungserklärung möglicherweise von anderen Vorstellungen über die gegebenen Zusagen ausging als das FA, ändert hieran wegen der Unwiderruflichkeit der Erledigungserklärungen nichts (FG des Saarlandes, EFG 1991, 140).
b) Soweit der Antragsteller die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, mangelt es ebenfalls an den für eine Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Darlegungen des Zulassungsgrundes. Das Vorbringen des Antragstellers erschöpft sich in einer bloßen Behauptung bzw. in einer diesbezüglichen ,,Prüfungsfrage" an den Senat. Im übrigen ist eine grundsätzliche Bedeutung auch nicht ersichtlich. Daß einem Steuerpflichtigen der Rechtsweg offensteht, um die Einhaltung einer seitens der Finanzverwaltung gegebenen Zusage überprüfen zu lassen, steht außer Frage. Dies ist dem Antragsteller im Streitfall auch nicht versagt worden.
c) Der Antragsteller hat mit seinem Schriftsatz vom 28. März 1991 weitere Ausführungen zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemacht und diese - im Hinblick auf die Aufklärungsrüge - erweitert. Ein Eingehen auf diese Ausführungen erübrigt sich jedoch, da sie außerhalb der maßgeblichen Begründungsfrist (§ 115 Abs. 3 FGO) erfolgt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 418350 |
BFH/NV 1992, 827 |