Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH für ein Verfahren auf Anordnung der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung
Leitsatz (NV)
1. Begehrt der Vollstreckungsschuldner die Bewilligung von PKH für ein Verfahren auf Anordnung der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung nach §114 FGO i.V.m. §258 AO 1977 muß er einen gegen die Vollstreckung als solche gerichteten Anspruch geltend und im summarischen Verfahren durch präsente Beweismittel glaubhaft machen.
2. In einem Wiederaufnahmeverfahren erhobene Einwendungen gegen die bestandskräftig festgestellte Forderung begründen die Unbilligkeit der Vollstreckung nicht.
Normenkette
AO 1977 §§ 256, 258; FGO §§ 114, 142
Tatbestand
Der Antragsgegner zu 1. (das Landesarbeitsamt I) hatte von der Antragstellerin ... DM zurückgefordert. Die dagegen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit geführte Klage blieb erfolglos. Die Antragstellerin hat einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt.
Gegen die Zahlungsaufforderung des Antragsgegners zu 1. legte die Antragstellerin "Erinnerung" ein, die als Widerspruch behandelt und als unzulässig verworfen wurde. Klage und Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung wurden ebenfalls als unzulässig verbeschieden.
Auf die Zahlungsanforderung und Mahnung des Antragsgegners zu 1. über insgesamt ... DM beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht K den Antragsgegner zu 1. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen. Das Sozialgericht K verwies den Rechtsstreit an das Finanzgericht (FG).
Der Antragsgegner zu 1. ordnete die Vollstreckung wegen eines Rückstandes von ... DM an und bat den Antragsgegner zu 2. (Hauptzollamt -- HZA --), die Vollstreckung durchzuführen. Auf die vom HZA ordnungsgemäß angekündigte Durchführung der Vollstreckungsmaßnahmen stellte die Antragstellerin bei dem Sozialgericht K einen weiteren Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die gegen sie eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen auszusetzen. Auch dieser Rechtsstreit wurde an das FG verwiesen.
Eine weitere Zahlungsaufforderung erging vom Landesarbeitsamt II über eine -- während eines Klageverfahrens gegen einen Rückforderungsbescheid -- auf ... DM reduzierte Forderung. Die gegen die Zahlungsaufforderung und nachfolgende Vollstreckungsankündigung des HZA eingeleiteten Klageverfahren sind ebenfalls ohne Erfolg rechtskräftig abgeschlossen worden. Die Antragstellerin beantragte nunmehr beim FG, ihr auch insoweit Vollstreckungsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung zu gewähren.
Die Antragstellerin beantragte ferner, ihr für das vorliegende Verfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen. Zur Begründung der Anträge hat die Antragstellerin vorgetragen:
1. Das Bestehen der vom Antragsgegner zu 1. gegen sie geltend gemachten Forderungen sei noch nicht rechtskräftig festgestellt. Bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seien dagegen noch Wiederaufnahmeverfahren anhängig.
2. Sie habe beim Landgericht K eine Amtshaftungsklage gegen die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) anhängig gemacht, weil diese zu Unrecht ihren Sozialversicherungsausweis eingezogen und die Antragstellerin dadurch ihr Arbeitsverhältnis verloren habe. Mit der ihr daraus zustehenden Schadensersatzforderung rechne sie gegenüber etwaigen Forderungen des Antragsgegners zu 1. und des Landesarbeitsamtes II auf.
Der Antragsgegner zu 1. entgegnet, die Forderungen seien gegenüber der Antragstellerin durch rechtskräftige Entscheidungen festgestellt worden. Das Bestehen von Gegenforderungen werde bestritten.
Das FG hat den Antrag auf Bewilligung von PKH für die Anträge auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt. Zwar sei der Finanzrechtsweg -- auch wegen der bindenden Verweisungsbeschlüsse des Sozialgerichts K -- gegeben; doch biete der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch einstweilige Einstellung der Vollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung (§114 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, §258 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) keine Aussicht auf Erfolg. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Sämtliche, von den Landesarbeitsämtern gegenüber der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche seien durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen bestätigt. Eine möglicherweise noch nicht verbeschiedene Wiederaufnahmeklage hemme den Eintritt der Rechtskraft nicht. Auch ergebe sich aus §5 Abs. 1 des Verwaltungs- Vollstreckungsgesetzes i.V.m. §§251 Abs. 1, 361 AO 1977, daß Verwaltungsakte wegen einer Geldforderung auch dann vollstreckt werden können, wenn sie angefochten seien, ihre Vollziehung aber nicht ausgesetzt worden ist. Die Forderungen seien auch nicht durch Aufrechnung erloschen. Die Antragstellerin habe das Bestehen von Gegenforderungen nicht glaubhaft gemacht. Präsente Beweismittel für das Bestehen einer Forderung gegen die BfA habe die Antragstellerin nicht vorgelegt. Der Antragsgegner zu 1. habe das Bestehen von Gegenforderungen bestritten. Der Stand des Klageverfahrens beim Landgericht K sei nicht bekannt. Das FG sei zudem nicht befugt, über das Bestehen einer Schadensersatzforderung wegen Amtspflichtverletzung zu entscheiden. Hierfür sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
Mit der von der Antragstellerin unter Vorlage der nach §142 FGO i.V.m. §117 Abs. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vorgeschriebenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse persönlich eingelegten Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung der PHK durch das FG verfolgt sie ihr Begehren auf Beiordnung eines Rechtsbeistandes zur Erlangung des beantragten Vollstreckungsschutzes weiter.
Die Antragstellerin trägt im wesentlichen vor, durch das Vorgehen der BfA bei der Einziehung ihres Sozialversicherungsausweises habe sie nicht arbeiten können, wodurch ihre gesamte Familie in den finanziellen Ruin getrieben und sozialhilfebedürftig geworden sei. Wegen des unrechtmäßigen Verhaltens der BfA bei Einziehung des Sozialversicherungsausweises sei ihr Amtshaftungsbegehren vor dem Landgericht K berechtigt.
Nach alledem sei ihrem Antrag auf Beiordnung eines Rechtsbeistandes stattzugeben.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluß des FG aufzuheben, ihr für das Verfahren vor dem FG PKH zu gewähren und ihr einen Prozeßbevollmächtigten beizuordnen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.
Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) muß sich -- wie aus der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses hervorgeht -- jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG --). Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG), und zwar auch dann, wenn sich die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von PKH richtet (vgl. BFH-Beschluß vom 5. November 1986 IV S 7/86, IV B 49/86, BFHE 148, 13, BStBl II 1987, 62). Fehlt es -- wie im Streitfall -- an diesem Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen, so ist die entsprechende Prozeßhandlung -- im Streitfall die Einlegung der Beschwerde -- unwirksam.
Das Begehren der Antragstellerin hätte selbst dann keinen Erfolg, wenn der Senat es als gesonderten Antrag deuten würde, der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren PKH zu gewähren. Das FG hat in dem angefochtenen Beschluß im einzelnen dargelegt, daß die Voraussetzungen des §142 FGO i.V.m. §114 ZPO nicht erfüllt sind, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Begehrt der Vollstreckungsschuldner die Bewilligung von PKH für ein Verfahren auf Anordnung der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung nach §114 FGO i.V.m. §258 AO 1977, so muß er einen gegen die Vollstreckung als solche gerichteten Anspruch geltend, d.h. im summarischen Verfahren zumindest glaubhaft, machen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. Mai 1986 VII B 10/86, BFH/NV 1987, 96, 98, sowie vom 15. April 1992 VII B 29/92, BFH/NV 1993, 660).
Wie das FG richtig dargelegt hat, ist der Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Als Rechtsgrundlage für den Anordnungsanspruch kommt im Streitfall allein §258 AO 1977 in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die Vollstreckungsbehörde die Vollziehung, wenn sie im Einzelfall unbillig ist, einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben. Es kann dahinstehen, unter welchen Voraussetzungen das Gericht vorläufigen Rechtsschutz gewähren kann, wenn der Anordnungsanspruch -- wie im Streitfall -- eine behördliche Ermessensentscheidung betrifft (vgl. Senatsbeschluß vom 5. und 13. Mai 1977 VII B 9/77, BFHE 122, 28, 30, BStBl II 1977, 587f.). Voraussetzung der Anordnung ist jedenfalls, daß die Antragstellerin die Unbilligkeit der Zwangsvollstreckung glaubhaft macht. Hierzu ist erforderlich, daß zunächst der Anordnungsanspruch schlüssig dargelegt wird und daß außerdem die Tatsachen, die für die Entscheidung erheblich sind, durch präsente Beweismittel in dem für die Glaubhaftmachung erforderlichen Maß nachgewiesen werden. Im Streitfall fehlt es schon an der schlüssigen Darlegung eines auf §258 AO 1977 gestützten Anspruchs.
Soweit die Antragstellerin Einwendungen gegen die bestandskräftige Feststellung der zu vollstreckenden Forderungen erheben will und sich dabei auf das angestrengte Wiederaufnahmeverfahren stützt, vermag dies die Unbilligkeit der Vollstreckung nicht zu begründen. Vielmehr ergibt sich aus §256 AO 1977, daß Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes bei der Entscheidung über die einstweilige Einstellung nicht zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Dezember 1990 VII B 166/90, BFH/NV 1991, 758).
Das Vorbringen der Antragstellerin, sie wolle mit einem von ihr in einem Amtshaftungsprozeß gegen die BfA geltend gemachten Schadensersatzanspruch aufrechnen, ist ebenfalls nicht geeignet, eine Unbilligkeit der Zwangsvollstreckung i.S. des §258 AO 1977 zu begründen. Abgesehen davon, daß die Antragstellerin nach §387 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur mit einer wirksamen und fälligen Gegenforderung aufrechnen könnte, hat die Antragstellerin auch keine Rechtsgründe vorgetragen, aus denen auf das Bestehen einer solchen Forderung geschlossen werden könnte. Daß die Antragstellerin nach einer im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bestätigung des Landgerichts K einen Antrag auf Gewährung von PKH für eine beabsichtigte (Schadensersatz-)Klage wegen behaupteter Amtspflichtverletzung durch Bedienstete des Arbeitsamtes K anhängig gemacht hat, genügt zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches i.S. des §258 AO 1977 nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 302979 |
BFH/NV 1998, 1459 |