Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Antrag auf Terminsverlegung
Leitsatz (NV)
Wer kurz vor dem vorgesehenen Beginn einer mündlichen Verhandlung die Verlegung des Termins beantragt und sich dazu auf eine plötzliche Erkrankung beruft, muss durch nähere Angaben über Art und Schwere der Krankheit oder durch Vorlage eines ärztlichen Attestes das Gericht in die Lage versetzen, die Frage der Verhinderung zu beurteilen.
Normenkette
ZPO § 227 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) auf Verfahrensmängeln beruht.
Im erstinstanzlichen Verfahren ging es um eine Klage, mit der die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zunächst eine Verlängerung der Frist zur Abgabe von Steuerklärungen für das Jahr 2000 begehrte. Nachdem das FG eine mündliche Verhandlung auf den 6. Juni 2002 anberaumt und den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin ―Steuerberater X― hierzu am 17. Mai 2002 (Datum der Zustellung der Ladungsverfügung) geladen hatte, ging am 5. Juni 2002 um 18.21 Uhr bei dem FG ein Telefaxschreiben des X ein, das sowohl Ausführungen zur Sach- und Rechtslage als auch einen Antrag auf Aufhebung des angesetzten Termins enthielt. Zur Begründung des Antrags auf Terminsaufhebung wurde auf eine Erkrankung des X hingewiesen. Dem Schreiben war die Ablichtung einer ärztlichen Bescheinigung beigefügt, die das Datum "13.5.2002" trägt und besagt, dass X "bis zum 30.6.02 nicht dienst- und arbeitsfähig" sei. Das FG führte die mündliche Verhandlung, zu der für die Klägerin niemand erschienen war, gleichwohl durch und wies im Anschluss hieran die Klage ab. Die Revision gegen sein Urteil ließ es nicht zu.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat nicht in der gebotenen Form dargelegt, dass die von ihr geltend gemachten Verfahrensmängel vorliegen können.
1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. dann zuzulassen, wenn das Urteil auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Wird auf diesen Zulassungsgrund eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt, so müssen seine Voraussetzungen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu ist erforderlich, dass das Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels schlüssig vorgetragen wird; die Darstellung des Sachverhalts in der Beschwerdebegründung muss, wenn man sie als wahr unterstellt, das Vorliegen des Verfahrensfehlers ergeben. Wenn weder die Beschwerdebegründung noch ein anderer innerhalb der Begründungsfrist eingehender Schriftsatz diesen Anforderungen genügt, ist die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig.
2. Im Streitfall rügt die Klägerin, dass das FG ihren Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt habe und dass sie deshalb im erstinstanzlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. Damit beruft sie sich zwar auf eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör, die einen Verfahrensmangel begründen kann. Sie hat diese Rechtsverletzung jedoch nicht schlüssig dargelegt.
a) Allerdings ist ein FG nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich verpflichtet, einen anberaumten Verhandlungstermin zu verlegen, wenn hierfür erhebliche Gründe i.S. des § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 23. November 2001 V B 224/00, BFH/NV 2002, 520; vom 1. Februar 2002 II B 38/01, BFH/NV 2002, 938). Ein solcher Grund kann u.a. darin liegen, dass der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten unerwartet erkrankt ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 520, 521, m.w.N.). Jedoch ist andererseits nicht jegliche Erkrankung des Bevollmächtigten ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass von dem Bevollmächtigten die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann (BFH-Beschluss vom 17. April 2002 IX B 151/00, BFH/NV 2002, 1047, m.w.N.). Allein die Arbeitsunfähigkeit des Bevollmächtigten reicht hierfür nicht aus (BFH-Beschluss vom 23. Oktober 2002 III B 167/01, BFH/NV 2003, 80).
b) Ob im Einzelfall eine Terminsverlegung gerechtfertigt ist, muss das FG anhand der ihm bekannten Umstände beurteilen. Dazu muss es in der Lage sein, sich über das Vorliegen eines Verlegungsgrundes ein eigenes Urteil zu bilden. Die Voraussetzungen hierfür zu schaffen, ist Aufgabe desjenigen, der die Verlegung beantragt (BFH-Beschluss vom 28. August 2002 V B 71/01, BFH/NV 2003, 178, m.w.N.); das gilt jedenfalls dann, wenn der Antrag erst kurz vor dem vorgesehenen Beginn der Verhandlung gestellt wird. Deshalb muss, wenn in dieser Situation der Antrag auf Terminsverlegung mit einer plötzlichen Erkrankung des Bevollmächtigten begründet wird, der Antragsteller dem Gericht regelmäßig nähere Angaben zu Art und Schwere der Krankheit machen. Bei Vorlage eines ärztlichen Attestes muss dieses entweder die Verhandlungsunfähigkeit des Bevollmächtigten bescheinigen oder eine so genaue Schilderung enthalten, dass das FG selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung ein Erscheinen zum Termin verhindert oder nicht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 80). Fehlt es daran, so darf das FG den Verlegungsantrag regelmäßig ablehnen.
c) Im Streitfall ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht, dass bei Anlegung dieser Maßstäbe das FG den anberaumten Verhandlungstermin hätte verlegen müssen. Denn X hatte zur Begründung des entsprechenden Antrags ausschließlich auf ein ärztliches Attest verwiesen, in dem ihm Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden war. Nähere Angaben zu der geltend gemachten Erkrankung hatte er nicht gemacht. Auf dieser Basis war das FG nicht in der Lage, sich ein hinreichend sicheres Bild vom Gesundheitszustand des X zu machen. Es war entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht verpflichtet, vor oder während der mündlichen Verhandlung den Aussteller des Attestes um ergänzende Auskünfte zu bitten; vielmehr durfte es davon ausgehen, dass eine solche Maßnahme schon im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht nicht hinreichend erfolgversprechend war. Deshalb musste es die Frage nach dem Vorliegen eines erheblichen Grundes i.S. des § 227 Abs. 1 FGO auf Grund des ihm vorliegenden Materials entscheiden, wobei es u.a. berücksichtigen durfte, dass einerseits die ärztliche Bescheinigung schon drei Wochen vor dem Terminstag ausgestellt worden war und andererseits X noch am Vortag des Termins schriftsätzlich zur Sache Stellung genommen hatte. Schließlich durfte es auch den Umstand, dass X im bisherigen Prozessverlauf nicht aktiv an der Förderung des Verfahrens mitgewirkt hatte, in seine Würdigung einbeziehen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1047) und hieraus auf das Bestehen einer Prozessverschleppungsabsicht schließen. Vor diesem Hintergrund ist die Schlussfolgerung des FG, ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung sei nicht gegeben, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das gilt auch dann, wenn man den Vortrag in der Beschwerdebegründung als sachlich richtig unterstellt, so dass die Klägerin in diesem Punkt keinen Verfahrensfehler aufgezeigt hat.
3. Die Sachaufklärungsrügen der Klägerin sind ebenfalls nicht in statthafter Form erhoben worden. Von weiteren Ausführungen hierzu wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 1018681 |
BFH/NV 2003, 1584 |