Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendbarkeit der gesetzlichen Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG und zum Umfang der Probenentnahme im Falle der stichprobeweisen Zollbeschau.
Normenkette
ZG § 16 Abs. 3, § 17 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Auf Grund von Übernahmeverträgen mit der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel (EVStG) in Frankfurt führte die Antragstellerin (Astin.) in drei Sendungen insgesamt ca. … t einer von ihr als Nebenerzeugnis der Maisölgewinnung, extrahiert, bzw. Maiskeimschrot angesprochenen Ware ein und ließ diese beim Zollamt (ZA) zum freien Verkehr abfertigen. Das ZA ließ die Ware entsprechend der auf „Maiskeimschrot der Tarifnr. 23.04 19”, in einem. Fall auf „brasilianisches Maiskeimschrot extrahiert”, laufenden Zollanmeldung vorläufig abgabenfrei, entnahm jedoch aus jeder Sendung Proben, und zwar bei der ersten, 10 000 Sack umfassenden Sendung aus 50 Säcken, bei der zweiten 2 520 Sack enthaltenden Sendung aus mindestens 20 Säcken und aus der dritten, aus 19 467 Sack bestehenden Sendung aus 100 Säcken.
Die Proben wurden durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) untersucht. Auf Grund der darüber erstatteten Gutachten forderte das ZA durch endgültigen Abgabenbescheid vom 19. Januar 1967 sowie die vorläufigen Bescheide vom 26. April und 18. Mai 1967 insgesamt … DM Abschöpfung und … DM Umsatzausgleichsteuer nach. Es wies die Ware nunmehr als geschrotete Maiskörner der Tarifstelle 11.02–(C)–II–e zu.
Gegen die drei Abgabenbescheide des ZA legte die Astin. fristgerecht Einspruch ein. Die von ihr gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das Finanzgericht (FG) ab.
Mit den hiergegen erhobenen Beschwerden macht die Astin, im wesentlichen folgendes geltend:
Die von den Zolldienststellen festgestellten Ergebnisse der Stichproben könnten nach den Vorschriften des Zollgesetzes (ZG) nicht auf die gesamten Partien übertragen werden. Die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG greife im Streitfall nicht Platz. Sie gelte nur, wenn das Ergebnis einer stichprobenweisen Untersuchung mit der Zollanmeldung übereinstimme.
Auch für eine stichprobenweise Zollbeschau genüge es nicht, bei Gesamtparteien von 10 000 oder 20 000 Säcken nur aus 50 bzw. 100 Säcken Proben zu ziehen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
Im Streitfall beruht die Abgabenforderung des ZA auf dem Ergebnis der von der ZPLA vorgenommenen Warenuntersuchungen. Danach weisen die den Einfuhrsendungen der Astin. jeweils entnommenen Proben sowohl nach ihren analytischen Daten als auch nach dem mikroskopischen Befund die Zusammensetzung und die Merkmale von geschrotetem Mais, nicht von Rückständen der Maisölgewinnung auf.
Da in den Zollanmeldungen der Astin. nicht angegeben war, daß die Waren in sich unterschiedlich beschaffen seien, wird gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG vermutet, daß jeweils die gesamte Sendung der Beschaffenheit der Proben entsprach.
Aus dem Vorbringen der Astin. ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel an der Anwendbarkeit der gesetzlichen Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG auf den Streitfall. Die von der Astin, vertretene Beschränkung dieser Vermutung auf diejenigen Fälle, in denen das Ergebnis der Zollbeschau mit der Zollanmeldung übereinstimmt, weicht von dem klaren Wortlaut des Gesetzes ab.
Auch Sinn und Entstehungsgeschichte der Norm sprechen gegen eine solche einengende Auslegung. Die gesetzlichen Vermutungen des § 17 ZG müssen im Zusammenhang mit dem Übergang von der früheren Beschaupflicht auf das im ZG 1961 niedergelegte Beschaurecht des ZA gesehen werden. Die mit dieser Neuregelung verbundene Elastizität der Zollkontrolle soll trotz des starken Ansteigens der Einfuhren eine zügige Abfertigung ermöglichen, gleichzeitig aber eine wirksame Überwachung gewährleisten. Unter diesen Gesichtspunkten kommt bei der Handhabung des Beschaurechts gerade der stichprobenweisen Beschau eine vorrangige Bedeutung zu. Sie ermöglicht es, mit verhältnismäßig geringem Aufwand einen großen Anteil der Einfuhrsendungen wirksam zu kontrollieren. Dem entspricht es aber, wenn die an eine stichprobenweise Beschau anknüpfenden Rechtsfolgen unabhängig davon eintreten, ob deren Ergebnis mit der Zollanmeldung übereinstimmt oder nicht.
Demgegenüber würde die von der Astin. vertretene Auffassung die stichprobenweise Zollbeschau in allen Fällen ihres Wertes entkleiden, in denen die Beschaffenheit einer Ware nur auf Grund einer Begutachtung durch eine Untersuchungsanstalt zuverlässig ermittelt werden kann. In dem von ihr zitierten Urteil des BFH VII 63/60 vom 14. Dezember 1960 (Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK – Zollgesetz 1939, § 80, Rechtsspruch 1) findet die Meinung der Astin keine Stütze. Denn diese Entscheidung beruht auf dem vor Inkrafttreten des ZG 1961 bestehenden Rechtszustand. Zwar kannte auch das ZG 1939 einen dem § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG 1961 entsprechenden Tatbestand, nach welchem bei der probenweisen Ermittlung der Gattung einer Ware vermutet wurde, daß der nichtgeprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entsprach. Die Beschränkung dieser gesetzlichen Vermutung auf den Fall der Übereinstimmung des Ergebnisses der Zollbeschau mit der Zollanmeldung ergab sich damals jedoch – wie auch dem o. a. Urteil des BFH zu entnehmen ist – aus der Vorschrift des § 186 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Zollordnung (AZO). Danach war nämlich die Befugnis, eine Sendung lediglich probenweise zu beschauen, von zwei Bedingungen abhängig: Die Zollanmeldung mußte die Angabe enthalten, daß alle Packstücke von gleicher Beschaffenheit seien, und das Ergebnis der Zollbeschau mußte mit der Zollanmeldung übereinstimmen.
Bei der Schaffung des ZG 1961 hat der Gesetzgeber eine dieser beiden Voraussetzungen, wenn auch in abgewandelter Form, in den Tatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG aufgenommen, indem er die gesetzliche Vermutung daran knüpfte, daß „in der Zollanmeldung nicht angegeben ist, daß die Ware in sich unterschiedlich beschaffen ist”. Der Umstand, daß er dabei nicht auch die zweite, in § 186 Abs. 1 Satz 1 AZO a. F. enthalten gewesene Bedingung auf die Neuregelung übertragen hat, spricht ebenfalls gegen die Auffassung der Astin.
Den Einwänden, welche die Astin, gegen Art und Umfang der Probenentnahme erhebt, kommt ebenfalls kein besonderes Gewicht zu. Wie der erkennende Senat im Urteil VII 277/64 vom 21. März 1967 (BFH 88, 480) entschieden hat, sind die Zollstellen bei der Entnahme von Warenproben weder an einschlägige Vorschriften des Futtermittelrechts oder sonstiger nicht abgabenrechtlicher Gesetze noch an etwaige Handelsbräuche gebunden. Die Art der Probenentnahme und die Menge der Proben bestimmen sie vielmehr nach ihrem – in sachgerechter Weise auszuübenden – Ermessen. Die dabei gebotene Rücksichtnahme auf die Interessen des Zollbeteiligten bedeutet entgegen der Meinung der Astin, nicht, daß die Proben in einer Weise entnommen werden müßten, welche es ihm ermöglicht, die Ergebnisse der amtlichen Begutachtung auch gegenüber seinen Lieferanten zu verwerten. Die Sicherung der für die Geltendmachung seiner Rechte nach Gesetz, Handelsbrauch oder Vertrag notwendigen Beweise ist vielmehr ausschließlich Sache des Importeurs.
Geht man hiervon aus, bestehen gegen die Ordnungsmäßigkeit der Probeentnahme im Streitfall keine ernsthaften Bedenken. Der Einwand der Astin., daß die Zahl der Proben nicht ausreiche, um ein für die gesamte Sendung repräsentatives Untersuchungsergebnis zu erhalten, greift nicht durch. Denn die stichprobenweise Zollbeschau dient nicht der Ermittlung der (gegebenenfalls durchschnittlichen) Beschaffenheit der gesamten Sendung, sondern soll nur die Beschaffenheit eines Teiles davon ergeben. Hinzu kommt, daß es die Astin. abgelehnt hat, an der Probenentnahme teilzunehmen. Damit hat sie darauf verzichtet, auf Art und Umfang dieser Amtshandlung Einfluß zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 514623 |
BFHE 1968, 256 |