Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschriften des § 69 FGO über die Aussetzung der Vollziehung gelten auch für rechtsgestaltende Verwaltungsakte.
2. Zur Bemessung des Streitwerts bei finanzgerichtlichen Verfahren, welche die Aufhebung einer auf unbestimmte Zeit gewährten, widerruflichen Steuervergünstigung zum Gegenstand haben.
Normenkette
FGO §§ 69, 140 Abs. 3
Tatbestand
Die Antragstellerin führt Branntwein aus Frankreich in die Bundesrepublik ein und lagert ihn in ihrem Branntweineigenlager. Das Hauptzollamt (HZA) hatte ihr durch Verfügung vom 15. Februar 1963 widerruflich einen fortlaufenden sechsmonatigen Zahlungsaufschub für den Monopolausgleich in Höhe der Branntweinsteuer bewilligt, welcher für den eingeführten Branntwein im Anschluß an die Lagerung in einem Branntweineigenlager zu entrichten war. Mit Verfügung vom 19. November 1965 wiederrief der Antragsgegner den gewährten Zahlungsaufschub mit Ablauf des Monats November 1965.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 1966 erhob die Antragstellerin hiergegen Beschwerde.
Auf ihren Antrag setzte das FG die Vollziehung der angefochtenen Widerrufsverfügung aus. Es behandelte den Antrag als zulässig, weil die Aufhebung des Zahlungsaufschubs für die Steuerpflichtige eine Beschwer enthalte.
Mit der gegen den Beschluß des FG erhobenen Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, daß der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht zulässig sei. Sowohl die Bewilligung eines Zahlungsaufschubs als auch dessen Widerruf seien keine vollziehbaren Verwaltungsakte.
Das HZA beantragt, den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet abzulehnen.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Widerruf des Zahlungsaufschubs sei ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der, um praktisch zur Wirkung zu kommen, ebenfalls einer Vollziehung bedürfe. Diese erfolge durch die Einziehung der laufend geschuldeten Abgabenforderungen zum Fälligkeitstermin.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde hat Erfolg.
Zutreffend hat die Vorinstanz allerdings den von der Steuerpflichtigen gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für zulässig erachtet, da auch rechtsgestaltende Verwaltungsakte einer solchen Maßnahme zugänglich sind. Denn § 69 FGO sieht eine Aussetzung der Vollziehung für steuerrechtliche Verwaltungsakte schlechthin vor und macht dabei keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Verwaltungsakten. Wollte das Gesetz von dieser Regelung rechtsgestaltende Verwaltungsakte ausschließen, so hätte dies in ihm in irgendeiner Form Ausdruck finden müssen. Das gilt um so mehr, als auch das allgemeine Verwaltungsprozeßrecht in dieser Frage keinen Unterschied zwischen feststellenden und rechtsgestaltenden Verwaltungsakten kennt und dort die Vollziehung auch rechtsgestaltender Verwaltungsakte sogar unmittelbar durch Klage oder Widerspruch gehemmt wird (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Um einen solchen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, nicht um die bloße Ablehnung einer beantragten Steuervergünstigung handelte es sich aber bei der angefochtenen Verfügung des Antragsgegners. Denn durch seinen Bescheid vom 15. Februar 1963 hatte das HZA der Antragstellerin einen laufenden und unbefristeten Zahlungsaufschub bewilligt. Der Widerruf der darin liegenden Steuervergünstigung enthält deshalb die Aufhebung eines Rechts der Steuerpflichtigen und besitzt damit eine rechtsgestaltende Wirkung.
Nicht zu billigen ist dagegen die vom FG getroffene Sachentscheidung.
Bei der gemäß § 140 Abs. 3 FGO vorzunehmenden Streitwertfestsetzung geht der Senat davon aus, daß das Interesse der Beteiligten an Fortbestand oder Aufhebung einer auf unbestimmte Zeit gewährten, widerruflichen Steuervergünstigung mit dem Betrag des jährlichen Nutzens zu berücksichtigen ist. Die Bedeutung der vorläufigen Belassung einer solchen Steuervergünstigung erscheint mit einem Drittel des Streitwerts der Hauptsache angemessen bewertet.
Fundstellen
Haufe-Index 67755 |
BStBl II 1968, 743 |
BFHE 1968, 215 |