Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine verweigerte Bescheinigung kann nicht über das in § 86 Abs. 3 FGO geregelte Verfahren der Urkundenvorlage erzwungen werden
Leitsatz (NV)
1. Ein Schriftsatz, mit dem die rechtsstaatliche Überprüfung eines Urteils verlangt wird, ist als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln.
2. Ein von einem Rechtsanwalt gestellter Antrag einer Feststellung in einem von ihm als "finanzverwaltungsrechtlich selbständigem Feststellungsantragsverfahren gemäß § 86 Abs. 3 FGO" bezeichneten Verfahren ist keiner Auslegung als Leistungsklage zugänglich; über ihn ist vom FG durch Beschluss zu entscheiden.
3. Hat das FG über einen solchen Antrag statt durch Beschluss durch Urteil entschieden, so ist das Urteil wegen dieses Verfahrensmangels aufzuheben.
4. Der BFH kann von einer Zurückverweisung an das FG absehen, wenn für den Antrag des Steuerpflichtigen offenkundig keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist, das FG den Antrag also bei korrekter Verfahrensweise hätte durch Beschluss zurückweisen müssen.
5. Hat die für die Erteilung einer Bescheinigung zuständige Behörde den Antrag des Steuerpflichtigen abgelehnt, so kann der Steuerpflichtige sein Ziel nicht über § 86 Abs. 3 FGO erreichen; dessen Regelung setzt u.a. eine bereits vorhandene Urkunde voraus.
Normenkette
FGO § 86 Abs. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, Abs. 6; EStG § 7h Abs. 2
Verfahrensgang
FG Köln (Urteil vom 30.03.2006; Aktenzeichen 10 K 4444/05) |
FG Köln (Beschluss vom 22.02.2006; Aktenzeichen 10 K 862/06) |
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erwarb im Jahre 2002 eine im Jahr 2001 neu errichtete Eigentumswohnung, die weder in einem städtebaulichen Sanierungsgebiet noch im Bereich einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme belegen ist. Er beantragte dennoch Abschreibungen nach § 10f Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) versagte die erhöhten Absetzungen, weil keine Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG vorgelegt worden war. Dagegen legte der Antragsteller Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2005 beantragte der Antragsteller beim FA, es möge das seiner Ansicht nach aufgrund R 83a Abs. 4 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) gesetzlich vorgeschriebene Remonstrationsrecht wahrnehmen und die Stadt auffordern, die Bescheinigung nach § 7h EStG auszustellen. Das FA lehnte dies ab und stellte dem Antragsteller anheim, sein Begehren durch ein finanzgerichtliches Verfahren weiter zu verfolgen.
Hierauf beantragte er mit Schreiben vom 14. November 2005, dass das Finanzgericht (FG) "in dem finanzverwaltungsrechtlichen selbstständigen Feststellungsantragsverfahren gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO" feststellt, "ob die Verweigerung der Erteilung der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG … durch die Stadt rechtmäßig ist". Zugleich beanstandete er, dass das FA von dem ihm seiner Ansicht nach gemäß R 83a Abs. 4 Satz 4 EStR zustehenden Remonstrationsrecht gegenüber der Stadt nicht Gebrauch gemacht habe.
Das FG behandelte das Schreiben des Antragstellers als Klage mit dem Ziel, einerseits das FA zu verurteilen, bei der Stadt zu remonstrieren und andererseits die Rechtswidrigkeit der Verweigerung festzustellen, eine Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG zu erteilen.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das FG die Klage als unbegründet ab, soweit das FA verpflichtet werden sollte, bei der Stadt zu remonstrieren. Zur Begründung führte das FG aus, dass es einen solchen Anspruch des Antragstellers nicht gebe.
Soweit der Antragsteller die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Bescheinigung begehrte, verwies das FG das Verfahren nach Abtrennung durch Beschluss an das zuständige Verwaltungsgericht.
Mit Schreiben vom 11. April 2006 hat der Antragsteller das Urteil und den Verweisungsbeschluss des FG --wiederum-- "in dem finanzverwaltungsrechtlichen selbstständigen Feststellungsantragsverfahren gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO" dem Bundesfinanzhof (BFH) zur "rechtsstaatlichen Überprüfung vorgelegt", wodurch nach seiner Auffassung "der verfassungsgemäß gebotenen Vorlagepflicht gemäß der neu gefassten Vorschrift des § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO entsprochen" werde.
Entscheidungsgründe
II. Das Schreiben des Antragstellers, mit dem er die rechtsstaatliche Überprüfung des von ihm beanstandeten Urteils verlangt, ist als Nichtzulassungsbeschwerde zu behandeln; sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückweisung des Antrags des Antragstellers. Zugleich enthält das Schreiben der Sache nach den Antrag, der BFH möge ein Verfahren i.S. des § 86 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durchführen.
1. Als Rechtsbehelf gegen ein Urteil des FG sieht die FGO die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 115 FGO vor, wenn in dem Urteil die Revision nicht ausdrücklich zugelassen wurde. Im Streitfall hat das FG die Revision nicht zugelassen.
Zwar hat sich der Antragsteller mit den in den §§ 115 und 116 FGO geregelten Voraussetzungen für eine Revisionszulassung und den an die Darlegung der Zulassungsgründe gestellten Anforderungen nicht auseinander gesetzt. Aber das Urteil des FG leidet an einem Verfahrensmangel, auf dem es beruht.
Das FG hat das Begehren des Antragstellers als Leistungsklage behandelt, obwohl der Antragsteller ausdrücklich eine Feststellung in einem von ihm als "finanzverwaltungsrechtlich selbstständigen Feststellungsantragsverfahren gemäß § 86 Abs. 3 Satz 1 FGO" bezeichneten Verfahren verlangt hat. Dieser Antrag war --weil von einem rechtskundigen Prozessbevollmächtigten gestellt-- keiner Auslegung zugänglich und hätte vom FG eine Entscheidung durch Beschluss und nicht durch Urteil erfordert. Das angefochtene Urteil wird deshalb gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufgehoben.
2. Der erkennende Senat sieht allerdings davon ab, die Sache an das FG zurückzuverweisen. Für den an das FG gerichteten Antrag des Antragstellers ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Er hätte bei korrekter Verfahrensweise des FG durch Beschluss zurückgewiesen werden müssen. In einem solchen Fall besteht für eine Zurückverweisung keine Notwendigkeit (vgl. die bei Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 66 aufgeführten Beispiele). Vielmehr kann der BFH abschließend über die Sache entscheiden.
a) Die Vorschrift des § 86 Abs. 3 FGO bietet für das Begehren des Antragstellers offenkundig keine Handhabe. Nach § 86 Abs. 1 FGO in der ab 1. April 2005 geltenden Fassung sind Behörden grundsätzlich zur Vorlage von Urkunden und Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Nach Abs. 2 der Vorschrift kann die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Erteilung von Auskünften verweigert werden, wenn die Vorgänge aus bestimmten Gründen geheim gehalten werden müssen. Nach Abs. 3 der Vorschrift stellt der BFH auf Antrag eines Beteiligten in den Fällen der Abs. 1 und 2 ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Verweigerung der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Auf Aufforderung des BFH hat die oberste Aufsichtsbehörde die verweigerten Dokumente oder Akten vorzulegen oder zu übermitteln oder ihm die verweigerten Auskünfte zu erteilen.
b) Die Regelung des § 86 Abs. 3 FGO setzt voraus, dass das FG im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorlage der betreffenden (bereits vorhandenen) Urkunden und Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder Erteilung von Auskünften angeordnet hatte und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Aufforderung nachzukommen (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Mai 2001 VII B 199/00, BFH/NV 2001, 1366, m.w.N.). Daran hat sich durch die Neufassung der Vorschrift mit Wirkung ab 1. April 2005 nichts geändert.
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall offensichtlich nicht vor. Vielmehr geht es dem Antragsteller darum, die Ablehnung der Erteilung einer Bescheinigung nach § 7h EStG auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen und das FA insoweit zur Einwirkung auf die zuständige Gemeindebehörde zu veranlassen ("Remonstration"). Für ein solches selbständiges Verfahren bietet § 86 Abs. 3 FGO ersichtlich keine Rechtsgrundlage.
3. Soweit sich die Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss des FG vom 22. Februar 2006 10 K 862/06 richtet, ist sie unstatthaft, weil dieser Beschluss gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes --mangels Zulassung der Beschwerde durch das FG-- unanfechtbar ist.
4. Auch der in dem Schreiben vom 11. April 2006 enthaltene gesonderte Antrag an den BFH, er möge ein Verfahren gemäß § 86 Abs. 3 FGO durchführen, ist aus den vorstehenden Gründen offenkundig unbegründet. Dessen Voraussetzungen liegen im Streitfall augenscheinlich nicht vor. Dem Antragsteller geht es nicht darum, die Vorlage einer bereits vorhandenen Urkunde zu erzwingen. Vielmehr ist es sein Ziel, eine Bescheinigung zu erreichen, deren Erteilung die dafür zuständige Behörde abgelehnt hat. Dafür bietet § 86 Abs. 3 FGO --wie bereits ausgeführt-- keine Handhabe.
Fundstellen
Haufe-Index 1553529 |
BFH/NV 2006, 1699 |