Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Aussetzung der Vollziehung bei der Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens einer KG und zur Zurechnung eines negativen Einheitswertanteils beim Kommanditisten
Leitsatz (NV)
1. Erstrebt eine KG im Wege vorläufigen Rechtsschutzes für die Kommanditisten statt der vom FA angesetzten Anteile am Einheitswert des Betriebsvermögens die Berücksichtigung negativer Einheitswertanteile, so ist vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
2. Einem Kommanditisten, der seine vertraglich vereinbarte Einlage geleistet hat und dessen Kapitalkonto auch bei voller Erfassung des Substanzwerts und des auf ihn entfallenden Anteils am Geschäftswert negativ ist, kann ein Anteil an dem für das Betriebsvermögen der KG festgestellten negativen Einheitswert auch dann nicht zugerechnet werden, wenn der Komplementär keine Einlage geleistet hat und nach dem Gesellschaftsvertrag am Vermögen sowie an den stillen Reserven nicht beteiligt ist.
Normenkette
FGO § 69; BewG §§ 3, 97 Abs. 1 Nr. 5; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine GmbH & Co. KG (KG).
Das voll eingezahlte Gesellschaftskapital von 750000 DM wurde an dem maßgebenden Bewertungsstichtag 1. Januar 1986 von dem Kommanditisten A (A) mit einer Kommanditeinlage von 112500 DM sowie einer stillen Beteiligung von 450000 DM und von dem Kommanditisten B (B) mit einer Kommanditeinlage von 37500 DM sowie einer stillen Beteiligung von 150000 DM gehalten. Persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) war die X-Verwaltungsgesellschaft mbH (GmbH), der allein die Geschäftsführung und die Vertretung oblagen. Die GmbH, deren Stammkapital von 50000 DM von A mit 37500 DM und von B mit 12500 DM gehalten wurde, leistete keine Einlage. Geschäftsführer der GmbH ist A. Die GmbH erhält nach dem Gesellschaftsvertrag alle Aufwendungen für die Vertretung und Geschäftsführung sowie sonstige Aufwendungen im Interesse der KG ersetzt. Die GmbH erhält ferner eine Tätigkeits- und Haftungsvergütung von 5 v.H. des Jahresgewinns, mindestens 3000 DM jährlich. Danach verbleibende Gewinn- oder Verlustbeträge werden auf die Gesellschaft im Verhältnis der geleisteten Kapitaleinlagen zueinander verteilt.
Das Betriebsvermögen der Antragstellerin besteht im wesentlichen aus einem Erbbaurecht an einem Grundstück, auf dem die Antragstellerin zwei überwiegend mit Fremdmitteln finanzierte Wohngebäude errichtet hatte. Insbesondere durch die von der Antragstellerin aufgenommenen Darlehen sowie die in Anspruch genommenen erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach dem Berlinförderungsgesetz ergaben sich Verluste, die zu negativen Kapitalkonten der Kommanditisten führten. Ausweislich des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1985 betrugen die negativen Kapitalkonten insgesamt 3462982,78 DM.
Mit ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1986 beantragte die Antragstellerin, den für ihr Betriebsvermögen erklärten Einheitswert von ./. 3610000 DM auf die Beteiligten nach Anteilen zu verteilen und dementsprechend der GmbH einen Anteil am Einheitswert von 38928 DM, A einen Anteil am Einheitswert von ./. 2736696 DM und B einen Anteil am Einheitswert von ./. 912232 DM zuzurechnen. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht. Das FA stellte zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) mit Bescheid vom 20. Mai 1987 - wegen Nichtanerkennung der für die Kosten des gesetzlichen Jahresabschlusses gebildeten Rückstellung - den Einheitswert des gewerblichen Betriebs der Antragstellerin auf ./. 3604000 DM fest. Es rechnete sodann den Einheitswert, soweit es sich um Gesamthandsvermögen handelte, der Komplementär-GmbH mit ./. 3654000 DM zu, da bei den Kommanditisten negative Kapitalkonten bestanden, die auch nach Auflösung der stillen Reserven negativ blieben. Den Kommanditisten wurden lediglich Anteile in Höhe ihrer Stammeinlagen (37500 DM und 12500 DM) zugerechnet.
Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Mit Bescheid vom 2. Januar 1990 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung bezüglich des Einheitswertbescheids vom 20. Mai 1987 auf. Auch der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos. Das FA begründete seine Einspruchsentscheidung im wesentlichen mit dem Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Juni 1981 III R 49/78 (BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2). Danach sei es nicht zulässig, einem Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto über eine ggf. erforderliche Vorwegzurechnung hinsichtlich seines Sonderbetriebsvermögens hinaus einen Anteil am Einheitswert zuzurechnen, wenn sein Kapitalkonto nach der - gedachten - Auflösung und Verteilung stiller Reserven und ggf. des Firmenwerts negativ bleibt. Über die daraufhin erhobene Klage der Antragstellerin hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Auch der gleichzeitig mit dem Einspruch gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb erfolglos. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat die Oberfinanzdirektion mit Beschwerdeentscheidung vom 14. Juni 1989 als unbegründet zurückgewiesen.
Der danach beim FG gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellte Antrag, im Wege der Aussetzung der Vollziehung vom Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1986 in Höhe von ./. 3604000 DM der GmbH einen Anteil von 38928 DM, A einen Anteil von ./. 2732196 DM und B einen Anteil von ./. 910732 DM zuzurechnen, hatte Erfolg. Nach Auffassung des FG bestehen an der vom FA vorgenommenen Aufteilung des Einheitswerts ernstliche Zweifel. Entgegen den BFH-Urteilen in BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2, sowie vom 11. März 1992 II R 157/87 (BFHE 167, 174, BStBl II 1992, 543) sei der angefochtene Einheitswertbescheid schon deshalb rechtswidrig, weil den Kommanditisten der negative Einheitswert des Betriebsvermögens der Antragstellerin entsprechend dem Verhältnis ihrer Einlagen zueinander ohne Rücksicht auf den vollen Substanzwert des Unternehmens der Antragstellerin zuzurechnen sei. Daher komme es für die Entscheidung des Streitfalles auch nicht auf d ie zwischen den Beteiligten eigentlich streitige Frage der stillen Reserven des Betriebsgrundstücks sowie der bewertungsrechtlichen Einordnung des Aufwendungsdarlehens der Wohnungsbaukreditanstalt (WBK) an.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG sowie zur Abweisung des Antrags der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.
1. Zutreffend ist das FG dem Grunde nach davon ausgegangen, daß im Streitfall vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) zu gewähren ist.
Nach der grundlegenden Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 14. April 1987 GrS 2/85 (BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637, 641) wird vorläufiger Rechtsschutz gegenüber einem negativen (Gewinn-)Feststellungsbescheid im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt. Dasselbe gilt, wenn in einem Feststellungsbescheid die Mitunternehmerschaft einzelner Beteiligter verneint wird und hinsichtlich dieser Personen somit ein partieller negativer Feststellungsbescheid vorliegt (BFH-Beschluß vom 10. Juli 1980 IV B 77/79, BFHE 131, 184, BStBl II 1980, 697) oder wenn in einem Gewinnfeststellungsbescheid die Verlustanteile bestimmter Mitunternehmer (Kommanditisten) mit 0 DM angesetzt worden sind, diese Gesellschafter aber im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes den Ansatz von Verlustanteilen begehren (BFH-Beschluß vom 22. Oktober 1980 I S 1/80, BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99). Entsprechendes muß auch im vorliegenden Fall gelten, in dem die Antragstellerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes für die Kommanditisten statt der vom FA angesetzten Einheitswertanteile die Berücksichtigung von negativen Einheitswertanteilen erstrebt (vgl. auch Senatsbeschluß vom 10. April 1991 II B 66/89, BFHE 164, 101, BStBl II 1991, 549).
2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unbegründet, weil bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom FA in den angefochtenen Bescheiden vorgenommenen Aufteilung der Einheitswerte auf die einzelnen Gesellschafter der Antragstellerin bestehen.
a) In seinem Urteil in BFHE 167, 174, BStBl II 1992, 543 hat der erkennende Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des III.Senats in BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2 entschieden, daß einem Kommanditisten, der seine vertraglich vereinbarte Einlage geleistet hat und dessen Kapitalkonto auch bei voller Erfassung des Substanzwerts und des auf ihn entfallenden Anteils am Geschäftswert negativ ist, ein Anteil an dem für das Betriebsvermögen der KG festgestellten negativen Einheitswert auch dann nicht zugerechnet werden kann, wenn der Komplementär keine Einlage geleistet hat und nach dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis (wertmäßig) am Vermögen sowie an den stillen Reserven nicht beteiligt ist.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die an ihr unter Berufung auf Beiser (Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1991, 65) geübte Kritik überzeugt bewertungsrechtlich nicht. Solange der Kommanditist nicht haftet, d.h. zur Begleichung seiner Schuld nicht gezwungen werden kann, liegt auch eine Schuld im wirtschaftlichen und bewertungsrechtlichen Sinne, - d.h. eine wirtschaftliche Last - grundsätzlich nicht vor. Ein Kommanditist, der seine vertragliche Einlage geleistet hat (und dessen Hafteinlage - wie in der Regel - nicht über diese vertragliche Einlage hinausgeht), kann grundsätzlich weder von den Gläubigern der Gesellschaft noch von den Mitgesellschaftern in Anspruch genommen werden. Er ist zwar verpflichtet, etwaige Gewinnanteile späterer Wirtschaftsjahre zunächst zur Ausgleichung des negativen Kapitalkontos zu verwenden. Diese Verpflichtung stellt indessen am jeweiligen Feststellungszeitpunkt noch kein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut dar (BFH-Urteile vom 8. Oktober 1971 III R 121/70, BFHE 104, 145, BStBl II 1972, 165, und in BFHE 167, 174, BStBl II 1992, 543 unter II.1.).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze könnte der Antrag der Antragstellerin nur dann Erfolg haben, wenn ihre Kommanditisten - trotz deren negativen Kapitalkonten - über positive Anteile am Unternehmenswert (= Substanz- zuzüglich Ertragswert, also unter Einschluß aller stillen Reserven inklusive eines evtl. vorhandenen Geschäftswerts) verfügten.
Zwar hat die Antragstellerin geltend gemacht, daß ein solcher Sachverhalt gegeben sei. Dieses Vorbringen erweist sich indessen bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung als nicht haltbar.
Auch wenn man mit der Antragstellerin davon ausgeht, daß der Verkehrswert des im Jahresabschluß zum 31. Dezember 1985 mit 1422813 DM ausgewiesenen Mietwohngrundstücks entgegen der Schätzung der Bewertungsstelle des zuständigen Lage-FA nicht 1300000 DM, sondern 2645922 DM beträgt - was hier offenbleiben kann -, würden die im Grundstück enthaltenen stillen Reserven nicht zu einem positiven Unternehmenssubstanzwert führen. Denn entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung müssen die Verbindlichkeiten gegenüber der WBK mit dem von der Antragstellerin erklärten Nennbetrag des Aufwendungsdarlehens von 1879675 DM angesetzt werden. Daran ändert sich auch nichts durch das der Antragstellerin in § 88 Abs. 3 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II.WoBauG) eingeräumte Bilanzierungswahlrecht, wonach Bauherren, die eine Jahresbilanz aufstellen, die Aufwendungsdarlehen in der Jahresbilanz nicht auszuweisen brauchen. Auch die Vorschrift des § 88 Abs. 3 Satz 4 des II.WoBauG, wonach durch die Inanspruchnahme von Aufwendungsdarlehen eine Überschuldung im Sinne der handels- und konkursrechtlichen Vorschriften nicht herbeigeführt wird, läßt entgegen der Auffassung der Antragstellerin den bewertungsrechtlich gebotenen Ansatz der Schuld unberührt und führt nicht zur Aufdeckung stiller Reserven. Das bedeutet, daß sich unter Zugrundelegung des von der Antragstellerin angegebenen Verkehrswerts des Grundstücks von 2645922 DM gegenüber dem Bilanzansatz von 1422813 DM stille Reserven lediglich in Höhe von 1223109 DM ergeben, die zum Ausgleich der negativen Kapitalkonten in Höhe von 2631624 DM am 31. Dezember 1985 nicht ausreichen. Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Firmenwerts in Höhe der verbleibenden Differenz sind weder von der Antragstellerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Fundstellen