Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird die zur Erzielung von Betriebseinnahmen dienende Tätigkeit der Hypothekenabteilung einer Bank in mehreren Betriebstätten entfaltet, ohne daß sich mit hinreichender Sicherheit der Ort des Schwerpunkts der zu den Vertragsabschlüssen führenden Verhandlungen und Ermittlungen feststellen läßt, so hat der Ort des Vertragsabschlusses entscheidende Bedeutung.
Bei der Ermittlung, in welcher Betriebstätte die für die Zerlegung maßgebenden Betriebseinnahmen erzielt wurden, ist von einer den Charakter und die Natur des Geschäftsbetriebes berücksichtigenden Gesamtbetrachtung auszugehen.
Normenkette
GewStG § 29 Abs. 1 Ziff. 1, § 33 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der Zerlegung der Gewerbesteuermeßbeträge der Bank für die Erhebungszeiträume 1956 bis 1959, ob und in welchem Umfang der Stadt (Bfin.) ein Anteil an den Gewerbesteuermeßbeträgen zuzuweisen ist.
Die Bank unterhält in mehreren Städten des Bundesgebiets, unter anderem auch im Bezirk der Bfin., Zweigstellen ihrer Hypothekenabteilung (Hypothekenbüros), die sich auf die mit der Ausgabe von Hypotheken verbundene Vorbereitungs-, Ermittlungs- und überwachungstätigkeit beschränken müssen, keine Bankgeschäfte im Sinn des § 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) betreiben und besonders nicht als Annahme- oder Zahlstellen für die Bank tätig sein dürfen. Das Finanzamt berücksichtigte bei den Zerlegungen der Gewerbesteuermeßbeträge der Bank für 1956 und 1957 von der Bank geschätzte, auf das Hypothekenbüro im Bezirk der Bfin. entfallende Betriebseinnahmen in Höhe von je 48.000 DM (ß 29 Abs. 1 Ziff. 1 GewStG) und stellte die auf die Bfin. für 1958 und 1959 entfallenden Zerlegungsanteile auf 0 DM fest. Die Bfin. begehrt eine angemessene Berücksichtigung bei den Zerlegungen, weil die Tätigkeit des Hypothekenbüros wenigstens für einen nicht unbedeutenden Teil der in ihrem Bezirk gewährten Hypotheken von ausschlaggebender Bedeutung sei und deshalb ein Teil der Betriebseinnahmen aus dem Hypothekengeschäft als durch das Hypothekenbüro erzielt angesehen werden müsse.
Die Beschwerde der Bfin. hatte keinen Erfolg. Die Oberfinanzdirektion begründete ihre Entscheidungen im wesentlichen wie folgt. Betriebseinnahmen im Sinn des § 29 Abs. 1 Ziff. 1 GewStG seien in der Betriebstätte erzielt, in der das Schwergewicht der zu den Einnahmen führenden wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet worden sei (Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 150/39 vom 11. Juli 1939, RStBl 1940 S. 331). Das sei in der Regel der Ort des Abschlusses der Verträge. Anders als bei Verträgen der Versicherungsunternehmen, bei denen das Hauptgewicht der zum Abschluß der Verträge führenden Tätigkeit auf der Kundenwerbung und Kundenbetreuung durch die Außenstellen liege, komme es im Hypothekengeschäft entscheidend auf die Prüfung der Kreditunterlagen, der Kreditwürdigkeit des Darlehnsnehmers und des Wertes des Beleihungsobjekts, auf die Abwägung des Risikos, auf den Ort des Vertragsabschlusses und auf die spätere Abwicklung des langfristigen Darlehnsgeschäfts an. Diese Tätigkeiten würden nur in der Zentrale der AG entfaltet, die sich allerdings zu rein technischen Hilfeleistungen ihrer Hypothekenbüros bediene. Selbst wenn man aber der Tätigkeit des Hypothekenbüros eine größere Bedeutung beimessen wolle, könne sie nur als mitentscheidend angesehen werden, wobei dann das übergewicht der Bedeutung bei der Zentrale liege. Zu einer Anwendung der Härtevorschrift des § 33 GewStG bestehe keine Veranlassung, da eine grobe und offensichtliche Unrichtigkeit und Unbilligkeit nicht vorliege.
In ihrer weiteren Beschwerde weist die Bfin. erneut darauf hin, daß die Erzielung der Einnahmen im Hypothekengeschäft ihres Bezirks ohne die Tätigkeit des Hypothekenbüros kaum denkbar sei. Von den im Deckungsregister eingetragenen, von der Bank im Bundesgebiet ausgegebenen Hypotheken entfielen auf ihren Bezirk mehr als 4 v. H. Den Hypothekenbüros obliege wenigstens bei einem großen Teil der ausgegebenen Hypotheken die Kontaktaufnahme und die Kontaktpflege zum Darlehnsnehmer, besonders zu Wohnungsbaugesellschaften, die Betreuung der Kunden, die Beschaffung und Vorprüfung der erforderlichen Unterlagen, die Untersuchung und Schätzung des Beleihungsobjekts, die Würdigung der Kreditfähigkeit des Schuldners und bei Neubauten auch die überwachung des für die Auszahlung maßgebenden Fortschritts des Baues. Die Tätigkeit der Zweigbüros beschränke sich mithin nicht auf rein technische Hilfeleistungen. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, daß wenigstens die mit den Hypothekengeschäften verbundenen einmaligen Einnahmen im wesentlichen durch die Tätigkeit der Zweigstelle erzielt worden seien. Diese könnten, wenn ihre Ermittlung eine unangemessene Verwaltungsarbeit verursache, notfalls auf 3 v. H. der im Bezirk des Hypothekenbüros ausgegebenen Darlehen geschätzt werden. Sollte bei der Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Ziff. 1 GewStG auf die Bfin. kein Anteil an den Gewerbesteuermeßbeträgen entfallen, so liege darin eine grobe Unbilligkeit, die zur Anwendung des besonderen Maßstabes nach § 33 GewStG führen müsse.
Entscheidungsgründe
Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.
Die Oberfinanzdirektion ging unter Hinweis auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 150/39 zutreffend davon aus, daß es bei der Zerlegung der Gewerbesteuermeßbeträge nach § 29 Abs. 1 Ziff. 1 GewStG, wenn bei der Erzielung der Betriebseinnahmen mehrere Betriebstätten mitwirkten, darauf ankommt, wo die für die einzelnen, zu Betriebseinnahmen führenden Geschäfte entscheidende wirtschaftliche Tätigkeit der Bank entfaltet wurde. Werden für den Abschluß von Geschäften wichtige Verhandlungen und Ermittlungen im Bereich mehrerer Betriebstätten durchgeführt und läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen, wo der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit bei den einzelnen Geschäften liegt, so kommt dem Ort des Vertragsabschlusses jedenfalls dann eine entscheidende Bedeutung zu, wenn er nicht von Zufälligkeiten abhängt und mit dem Ort zusammenfällt, wo im Regelfall von den zuständigen Organen die endgültige Entscheidung über den Abschluß der Verträge getroffen wird. Bei der danach weitgehend auf tatsächlichem Gebiet liegenden Entscheidung des Finanzamts über den Schwerpunkt der zu den einzelnen Geschäften führenden wirtschaftlichen Betätigung kommt dem Gesamtbild beachtliche Bedeutung zu. Abgesehen von der mit solchen Ermittlungen verbundenen unzumutbaren Verwaltungsarbeit würden sie auch zu keinem einigermaßen sicheren Ergebnis führen, weil sich der Schwerpunkt von Verhandlungen und Ermittlungen oft nicht aus den vorhandenen schriftlichen Unterlagen entnehmen läßt.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so muß der Vorentscheidung zugestimmt werden. Die Tätigkeit der Hypothekenabteilung einer Bank läßt sich nicht mit dem Versicherungsgeschäft eines Versicherungsunternehmens vergleichen. Beim Versicherungsgeschäft liegt, wie in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 150/39 näher dargelegt ist, im allgemeinen der Schwerpunkt der zum Abschluß der Verträge führenden Tätigkeit in der Werbung und Beratung der Kunden und in ihrer weiteren Betreuung. Diese Tätigkeit wird in der Regel von den Agenturen und nicht von der Zentrale des Versicherungsunternehmens entfaltet, die sich schon wegen der weitgehenden Typisierung des Wortlauts der einzelnen Versicherungsverträge im allgemeinen auf die Zustimmung und Unterschrift des von den Agenturen vorbereiteten Vertrages beschränkt und nur in Ausnahmefällen mit dem Versicherungsnehmer entscheidende Verhandlungen führt oder eigene Ermittlungen anstellt. Nach den in der mündlichen Verhandlung von dem Vertreter der Bank gemachten Ausführungen muß davon ausgegangen werden, daß eine schematische Bearbeitung der einzelnen Hypothekengeschäfte mit Rücksicht auf die größere Bedeutung der Kreditwürdigkeit des Schuldners, auf die Schwierigkeit der Schätzung des Werts des Beleihungsobjekts und auf die individuelle, auf den einzelnen Fall abgestellte Gestaltung des Vertragsinhalts in der Mehrzahl der Fälle nicht möglich ist und von den über den Abschluß des Vertrages entscheidenden Organen des Unternehmens eine weit umfangreichere Prüfungs- und Ermittlungstätigkeit verlangt wird, als das im Versicherungsgeschäft der Fall ist. Wenn auch der Bfin. zugegeben werden muß, daß möglicherweise bei einer Anzahl von Hypothekengeschäften darüber Zweifel bestehen könnten, ob nicht doch ein bedeutsamer Teil der zum Abschluß führenden Tätigkeit bei dem Hypothekenbüro lag, so muß doch für die Beurteilung aller Geschäfte von einer die Natur und den Charakter des Geschäftsbetriebs berücksichtigenden Betrachtung der Gesamttätigkeit ausgegangen werden. Bei einer solchen Gesamtbetrachtung trägt der Senat auch deshalb keine Bedenken, den Ausführungen der Bank weitgehend zu folgen, weil die vom Prüfer der Bfin. an Ort und Stelle durchgeführten Ermittlungen mit diesen Ausführungen der Bank im wesentlichen übereinstimmen. Denn der Prüfer bestätigte die Richtigkeit der Ausführungen der Bank im Schreiben vom 8. März 1960, die mit den Ausführungen der Bank in der mündlichen Verhandlung übereinstimmen. Er kommt auch in seiner Zusammenfassung der Ermittlungen nicht zu der Feststellung, daß die für den Abschluß der Hypothekengeschäfte entscheidende wirtschaftliche Tätigkeit bei dem Hypothekenbüro liege. Er ist nur der Auffassung, daß die Nichtbeteiligung der Bfin. am Zerlegungsverfahren der Bedeutung des Hypothekenbüros nicht gerecht werde. Geht man mit dem Betriebsprüfer davon aus, daß sich die Aufgaben des Hypothekenbüros nicht auf eine nur schematische Bearbeitung und auf eine untergeordnete Hilfstätigkeit beschränken, so folgt daraus nur, daß das Hypothekenbüro eine für den Abschluß der Geschäfte bedeutsame Tätigkeit entfaltete. Das genügt aber mit Rücksicht darauf, daß auch die Tätigkeit der Zentrale der Bank nicht als unbedeutend bezeichnet werden kann, um die Bfin. am Zerlegungsverfahren zu beteiligen, zumal die Verträge stets von der Zentrale geschlossen wurden.
Eine Aufteilung im Schätzungswege wäre nur nach § 33 Abs. 1 GewStG möglich, wenn die Zerlegung nach dem Regelmaßstab des § 29 Abs. 1 Ziff. 1 GewStG zu einem offenbar unbilligen Ergebnis führen würde. Das ist nicht der Fall, da einer der Ausnahmefälle, in denen nach dem Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 47/59 S vom 12. Juli 1960 (BStBl 1960 III S. 386, Slg. Bd. 71 S. 363) die Zerlegung nach dem Regelmaßstab offenbar unbillig wäre, nicht vorliegt. Im übrigen wäre es auch kaum möglich, einen der Sachlage gerecht werdenden, einigermaßen der Bedeutung des Hypothekenbüros entsprechenden Aufteilungsmaßstab im Schätzungswege zu finden.
Fundstellen
Haufe-Index 410596 |
BStBl III 1962, 515 |
BFHE 75, 682 |