Leitsatz (amtlich)

Die außergerichtlichen Kosten des erfolgreichen gerichtlichen Verfahrens gegen den Gerichtskostenansatz sind aus der Staatskasse zu erstatten.

 

Normenkette

FGO § 135 Abs. 1, § 148; EGGVG § 30 Abs. 2; GKG § 4

 

Gründe

Aus den Gründen:

Die Kostenentscheidung beruht auf der sinngemäßen Anwendung des § 30 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl S. 77) - EG GVG -.

In der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß die Vorschriften der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung über die Auferlegung der Kosten die Rechtsgrundlagen für die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten seien, die durch die Erinnerung und Beschwerde nach § 4 GKG entstanden sind (vgl. Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart 8 W 19/63 vom 4. März 1963, NJW 1963, 1257; Beschluß des Oberlandesgerichts Frankfurt 2 Ws 72/65 vom 2. März 1966, NJW 1966, 1424; Tschischgale: Kostenerstattung im Ansatzverfahren des Gerichtskostengesetzes, "Der Deutsche Rechtspfleger" 1963 S. 399; Stöber in "Der Deutsche Rechtspfleger" 1963 S. 419). Im vorliegenden Fall müßte dementsprechend § 135 Abs. 1 FGO der Entscheidung über die Kostenerstattung zugrunde gelegt werden. Der Senat hält diese Vorschrift aber nicht für anwendbar. Nach dieser Vorschrift können nämlich nur einem Verfahrensbeteiligten Kosten auferlegt werden. Eine Beteiligung am Verfahren liegt aber nur dann vor, wenn derjenige, dem die Kosten auferlegt werden sollen, zur Wahrung sachlicher Interessen im Verfahren aufgetreten oder - sei es auch nur durch Übersendung der Rechtsbehelfsschrift mit der Bitte um Stellungnahme - zum Verfahren hinzugezogen worden ist (vgl. Jansen: Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. Aufl., § 6 Rdnr. 5, § 13a Rdnr. 4; Beschluß des BGH IV ZB 105/59 vom 23. Oktober 1959, BGHZ 31, 92). Die Staatskasse ist jedoch nicht im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren aufgetreten; sie ist auch nicht zu diesem Verfahren hinzugezogen worden. Für eine Beteiligung am Verfahren reicht es nicht aus, daß die streitige Kostenforderung der Staatskasse zusteht. Die Pflicht zur Kostenerstattung kann nur aus einem Prozeßrechtsverhältnis hergeleitet werden (vgl. Beschluß des BFH Gr. S. 8/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 156 [158], BStBl II 1968, 59).

Nach einer anderen in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und im Schrifttum vertretenen Auffassung soll es an einer Rechtsgrundlage für die Erstattung der außergerichtlichen Kosten, die dem Kostenschuldner im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nach § 4 GKG entstanden sind, fehlen (vgl. Beschluß des Kammergerichts vom 7. Juni 1910, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Bd. 21 S. 126; Markl, Gerichtskostengesetz, 1967, § 4 Anm. 25 mit weiteren Hinweisen; Lauterbach, Kostengesetze, 15. Aufl., GKG § 4 Anm. 3B). Auch die FGO enthält keine Vorschrift über die Erstattung der im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nach § 148 FGO entstandenen außergerichtlichen Kosten. Der Senat ist aber nicht der Auffassung, daß es deshalb an einer Rechtsgrundlage für die Erstattung dieser Kosten fehlt. Aus § 30 Abs. 2 EG GVG ist der Wille des Gesetzgebers ersichtlich, daß die Staatskasse vom Gericht verpflichtet werden kann, die außergerichtlichen Kosten zu erstatten, die durch Anfechtung von Justizverwaltungsakten im gerichtlichen Verfahren entstanden sind. Die Regelung in § 30 Abs. 2 EG GVG bezieht sich zwar nur auf Justizverwaltungsakte im Sinne von § 23 EG GVG. Sie ist jedoch sinngemäß auf andere Justizverwaltungsakte auszudehnen, sofern die Erstattung der außergerichtlichen Kosten, die im gerichtlichen Anfechtungsverfahren entstehen, nicht besonders vorgesehen ist. Das folgt aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der auch im Bereich der Kostenerstattung zu beachten ist (vgl. Beschlüsse des BVerfG 2 BvL 9, 10/60 vom 4. April 1962, BVerfGE 14, 42 [50 ff.], und 2 BvR 687/62 vom 27. Juni 1963, BVerfGE 16, 231 [234 ff.]). Zu den Justizverwaltungsakten gehört auch die Kostenrechnung, die Gegenstand des Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens nach § 148 FGO ist (vgl. Lauterbach, a. a. O., GKG Anm. 1 B; Mielke, Gerichtskostengesetz, 1965, § 4 Anm. 2). Der Auffassung, die Gerichtskosten würden nicht im Verwaltungswege angesetzt (Tschischgale, Kostentragung und Kostenerstattung in Verfahren nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, "Der Deutsche Rechtspfleger" 1961 S. 97 [102, Fußnote 81]), vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Dagegen sprechen insbesondere § 4 Abs. 4 GKG und § 14 Abs. 5 der Kostenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68718

BStBl II 1970, 124

BFHE 1970, 340

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge