Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Änderung des Kostenansatzes zum Nachteil des Erinnerungsführers; Streitwert bei vorläufigem Rechtsschutz in Milchabgabe-Sachen
Leitsatz (NV)
1. Das Gericht ist nicht befugt, den Kostenansatz zum Nachteil des Erinnerungsführers zu ändern; das bedeutet aber nur, daß im Endergebnis keine Verschlechterung eintreten darf.
2. Der Streitwert eines Verfahrens wegen der Aussetzung der Vollziehung eines Milchabgabebescheides ist allein nach der Höhe der Abgabe zu bemessen. Dabei ist von einer Abgabe in Höhe von rund 0,50 DM/kg Milch auszugehen.
3. Der Streitwert eines Verfahrens, in dem eine Molkerei durch einstweilige Anordnung verpflichtet werden sollte, bei der Berechnung der Milchabgabe von einer best. höheren Referenzmenge auszugehen, ist abweichend von der Regel nicht mit einem Drittel, sondern 1/10 des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens zu bemessen.
Normenkette
GKG § 13
Tatbestand
Der Antragsteller ist Milcherzeuger. Mit Schreiben vom 7. Juni 1985 teilte die Molkerei, an die der Antragsteller die Milch abliefert, diesem die Abrechnung für das Milchwirtschaftsjahr 1984/85 mit. Danach betrug die Anlieferungs-Referenzmenge nach der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGVO) 355 600 kg, während der Antragsteller 520 710 kg abgeliefert hatte. Daraus errechnete die Molkerei eine Abgabe nach der MGVO (im folgenden: Milchabgabe) in Höhe von 81 861,54 DM, worauf 26 383,78 DM bezahlt waren, so daß für die nächste Milchgeldabrechnung 55 477,76 DM verblieben. Daraufhin beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) die Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung der Abgabenerhebung der Molkerei sowie die Anordnung, daß die Molkerei bei der Berechnung der Referenzmenge von einer Anlieferungsmenge von 702 000 kg auszugehen habe. Das FG wies die Anträge ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der Senat legte mit Beschluß . . . die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auf.
Mit Kostenrechnung vom 30. Juli 1986 KostL 1141/86 setzte die Kostenstelle des Bundesfinanzhofs (BFH) für das Verfahren . . . die Gerichtskosten mit 273 DM an. Dabei ging die Kostenstelle von einem Streitwert in Höhe von 22 867 DM aus.
Dieser setzte sich zusammen aus einem Betrag von 55 477 DM für die begehrte Aussetzung und einem Betrag von 173 200 DM für die begehrte einstweilige Anordnung (insgesamt 228 677 DM, davon 10 v. H.).
Der Antragsteller wandte sich mit folgenden Gründen gegen diese Kostenrechnung: Die Kostenstelle sei von 0,50 DM/kg ausgegangen. Das entspreche nicht den Streitwertbeschlüssen der Verwaltungsgerichte bei Verfahren, in denen es um eine höhere Referenzmenge gehe. Diese gingen vom Durchschnittsgewinn von 0,20 DM/kg aus. Es spreche alles dafür, daß die FG eine auf dem falschen Rechtsweg gekommene einstweilige Anordnung auch streitwertmäßig nicht anders behandeln sollten als die Verwaltungsgerichte.
Der Vertreter der Staatskasse beim BFH beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung hat nur teilweisen Erfolg. Der Kostenansatz wird auf 266 DM herabgesetzt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist in Verfahren vor Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert des Streitgegenstandes allein nach dem Steuerbetrag zu bemessen, um den unmittelbar gestritten wird; dagegen ist nicht maßgebend das geldwerte Interesse in seiner Gesamtheit, das ein Steuerpflichtiger an der Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens hat (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1958 VI 195/56 U, BFHE 66, 318, BStBl III 1958, 122). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, sieht der Senat keinen Anlaß. Daran vermögen auch die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nichts zu ändern, auf die sich der Antragsteller beruft; dort geht es nicht um Steuerbescheide (Feststellungsbescheide), sondern um die Bescheinigungen der zuständigen Landesstellen nach § 9 Abs. 2 MGVO. Ohne Bedeutung ist auch der Umstand, daß der Antragsteller richtigerweise vorläufigen Rechtsschutz durch Anfechtung der Bescheinigung der zuständigen Landesstelle vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit hätte suchen müssen. Hier ist der Streitwert des Verfahrens . . . vor dem BFH zu beurteilen. Bei den Anträgen des Antragstellers auf Aussetzung bzw. auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung geht es jeweils um die Frage, in welcher Höhe der Antragsteller Milchabgabe zu zahlen hat. Nach der Entscheidung des Senats vom 27. Mai 1986 VII S 7-8/86 (BFHE 146, 369) ist dabei von einer Abgabenbelastung von rd. 0,50 DM/kg auszugehen.
Der Senat hat die angefochtene Kostenrechnung auch insoweit zu überprüfen, als Einwendungen nicht ausdrücklich erhoben worden sind. Die Überprüfung ergibt, daß der Kostenansatz auf 266 DM zu vermindern ist.
Der Wert des Verfahrens, in dem es um den Erlaß einer einstweiligen Anordnung geht, ist nach der Rechtsprechung des Senats im Regelfall mit einem Drittel des Werts der Hauptsache anzusetzen (vgl. Beschluß vom 16. November 1976 VII B 84/74, BFHE 120, 338, BStBl II 1977, 80). Zu Recht ist die Kostenstelle aber hier vom Vorliegen eines Ausnahmefalles ausgegangen. Im Hinblick auf die Ungewißheit, ob ein Milcherzeuger hinsichtlich der ihm zuzuteilenden Referenzmenge vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 oder § 114 der Finanzgerichsordnung (FGO) suchen muß (vgl. Beschlüsse des Senats vom 17. Dezember 1985 VII B 116/85, BFHE 145, 289, und vom 18. Februar 1986 VII B 114/85, BFHE 146, 1), ist es gerechtfertigt, den Streitwert des Anordnungsverfahrens wie jenen des Aussetzungsverfahrens mit 10 v. H. des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens zu bemessen.
Die Kostenstelle ist jedoch zuungunsten des Antragstellers bei der Streitwertberechnung für den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung davon ausgegangen, der Antragsteller habe eine um 346 400 kg höhere Referenzmenge erstrebt. Mit seinem Antrag wollte der Antragsteller jedoch offensichtlich erreichen, daß die Molkerei die ihm zustehende Referenzmenge auf der Grundlage einer Bezugsmenge von 702 000 kg berechne. Diese Menge ist daher nach § 4 Abs. 2 MGVO um 12,5 v. H. (87 750) zu kürzen. Das ergibt eine angestrebte Referenzmenge von 614 250 kg. Die Differenz zu der für den Antragsteller festgesetzten Referenzmenge in Höhe von 355 600 kg beträgt also 258 650 und nicht, wie von der Kostenstelle angenommen, 346 400 kg. Die insoweit bei einem Erfolg vom Antragsteller ersparte Milchabgabe hätte sich also auf 129 325 DM belaufen, während die Kostenstelle von 173 200 DM ausgegangen ist.
Der Kostenansatz ist dennoch nicht dementsprechend in vollem Umfang zu berichtigen, weil die Prüfung des Senats ergibt, daß die Kostenstelle zugunsten des Antragstellers von einem zu niedrigen Streitwert des Aussetzungsverfahrens ausgegangen ist. Der Senat kann das berücksichtigen. Zwar ist er nicht befugt, den Kostenansatz zum Nachteil des Erinnerungsführers zu ändern (vgl. Lappe, Gerichtskostengesetz, § 5 Anm. 13; Eberl in Eckert/Böttcher, Steuerberatergebührenordnung, S. 611). Das bedeutet aber nur, daß im Endergebnis keine Verschlechterung für den Antragsteller eintreten darf.
Die Kostenstelle ist hinsichtlich des Aussetzungsantrags von einem Streitwert von 55 477 DM in der Hauptsache ausgegangen. Zwar verblieben aufgrund der Berechnung der Milchabgabe der Molkerei in Höhe von 81 861 DM für die nächste Milchgeldabrechnung nur 55 478 DM, weil auf die Milchabgabe bereits 26 383 DM bezahlt worden waren. Es ging aber nach dem in Beschluß des FG . . . festgehaltenen Antrag des Antragstellers um die ,,Aufhebung" der Vollziehung dieser Abgabenerhebung. Danach war also die gesamte Abgabenschuld in Höhe von 81 861 DM im Streit. Da davon 10 v. H. zugrunde zu legen sind (BFHE 146, 369), ist der richtige Streitwert also insoweit 8 186 DM.
Im Endergebnis sind die Gerichtskosten somit aufgrund eines Streitwerts von 21 118 DM (8 186 + 12 932) anzusetzen. Daraus ergeben sich Gerichtskosten in Höhe von 266 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 414871 |
BFH/NV 1987, 597 |