Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Berechnung des Streitwerts im Gewinnfeststellungsverfahren
Leitsatz (NV)
Wird bei einem einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren um die Höhe des Gewinns gestritten, so wird der Streitwert auch dann nach einem Vom-Hundert-Satz von 25 v. H. des streitigen Gewinnanteils bemessen, wenn bei einer der von diesem Verfahren betroffenen Personen zwar ein höherer Prozentsatz angemessen wäre, bei den übrigen Personen jedoch tatsächlich von einer geringeren Steuerbelastung als 25 v. H. auszugehen ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt als KG ein Bauunternehmen, das aus dem Einzelunternehmen des 1970 verstorbenen Kaufmanns E. hervorgegangen ist. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die Witwe mit einem Gesellschaftsanteil von 50 v. H.; Kommanditisten sind ihre beiden im Zeitpunkt der Errichtung der Gesellschaft noch minderjährigen Söhne mit einer Beteiligung von jeweils 25 v. H.
In ihren Bilanzen hatte die Klägerin von 1970 bis 1979 eine Lieferantenforderung ausgewiesen. Es handelte sich dabei um eine Forderung der Firma F., die im Jahre 1970 als Subunternehmer für die Klägerin Bauarbeiten ausgeführt hatte. Da die Bauarbeiten Mängel aufwiesen, wurde auf diese Rechnung nur ein Teilbetrag gezahlt, so daß die bilanzierte Restforderung übrig blieb. Nachdem die Witwe des verstorbenen Kaufmanns E. mit der Firma F. einen Vergleich abgeschlossen hatte, steht fest, daß die Restforderung nicht mehr zu zahlen ist.
Bei einer die Jahre 1977 bis 1979 umfassenden Außenprüfung löste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Verbindlichkeit unter Berücksichtigung der entsprechenden Gewerbesteuerrückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1977 erfolgswirksam auf und legte den erhöhten Gewinn dem angefochtenen Feststellungs- und Gewerbesteuermeßbescheid 1977 zugrunde. Im Einspruchsverfahren wurde der Gesamtgewinn auf 60 000 DM festgestellt und ein entsprechender Gewerbesteuermeßbescheid erlassen. Danach entfielen 40 000 DM auf die Komplementärin und jeweils 10 000 DM auf die beiden Kommanditisten. Im übrigen hatte der Einspruch im Streitpunkt ebenso wie die Klage keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, ein zu Unrecht bilanziertes Wirtschaftsgut sei, sofern eine Rückwärtsberichtigung nicht mehr möglich sei, in der ersten noch offenen Schlußbilanz auszubuchen; dies gelte auch für passivierte Lasten. Da der fehlerhaft bilanzierten Last eine gewinnmindernde Einbuchung zugrunde gelegen habe, sei sie nunmehr gewinnerhöhend auszubuchen. Dabei sei unerheblich, ob die Bilanzierung der Verbindlichkeit von Anfang an unrichtig gewesen oder erst später unrichtig geworden sei.
Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin zur Höhe des Streitwerts eine Berechnung vorgelegt hat, nach der die Streitwertgrenze von 10 000 DM überschritten sei. Eine Revisionsbegründung hat die Klägerin nicht vorgelegt.
Das FA hält die Revision für unzulässig, weil nach seiner Auffassung die Streitwertgrenze nicht erreicht ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig, da sie weder zugelassen ist noch der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM übersteigt (§ 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. z. B. Beschluß vom 8. November 1973 IV B 6/72, BFHE 110, 487, BStBl II 1974, 138, m.w.N.) ist in Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitwert nach der vermutlichen einkommensteuerlichen Auswirkung zu schätzen. Dabei sind grundsätzlich 25 v. H. des streitigen Gewinns anzusetzen; entsprechend der im Feststellungsverfahren erkennbaren einkommensteuerlichen Auswirkung kann jedoch auch ein anderer, der progressiven Besteuerung eher Rechnung tragender Prozentsatz in Betracht kommen (vgl. BFH-Beschluß vom 13. März 1980 IV E 2/80, BFHE 130, 363, BStBl II 1980, 520). Die Anwendung eines höheren Prozentsatzes hat die Rechtsprechung schon dann für erforderlich gehalten, wenn der Gewinnanteil eines Gesellschafters 15 000 DM übersteigt (BFH-Beschluß vom 25. August 1966 IV 3/64, BFHE 86, 569, BStBl III 1966, 611). Sind diese Voraussetzungen bei nur einem der Mitunternehmer erfüllt, so ist der höhere Prozentsatz auch nur auf dessen Anteil anzuwenden (BFH-Beschluß vom 16. April 1971 VI R 46/70, nicht veröffentlicht).
Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob die Grenze von 15 000 DM, wie in seinem Beschluß vom 23. Februar 1978 IV E 1/78 (BFHE 125, 7, BStBl II 1978, 409) angedeutet, angemessen zu erhöhen ist. Denn wenn man mit der Klägerin für einen der Gesellschafter einen anderen, der progressiven Besteuerung Rechnung tragenden Prozentsatz annimmt und damit den Regelsatz von 25 v. H. im Wege der Schätzung erhöht, so folgt daraus, daß auch hinsichtlich der anderen Gesellschafter der Streitwert nach der tatsächlichen Einkommensteuerbelastung zu bemessen wäre, die im Streitfall weit unter dem Regelsatz von 25 v. H. des streitigen Gewinns liegt.
Bei einer solchen individualisierten Betrachtungsweise mußte der Senat zudem berücksichtigen, ob die Einkommensteuer nach der Grund- oder Splittingtabelle erhoben wird und welche übrigen Besteuerungsgrundlagen neben dem Gewinnanteil anzusetzen sind. Dies kann nicht Sinn einer Streitwertberechnung für ein Gewinnfeststellungsverfahren sein, bei dem die persönlichen Verhältnisse der einzelnen Gesellschafter dem Gericht in aller Regel unbekannt bleiben und bei dem die Mitberechtigten häufig - wie im Streitfall - weder klagebefugt noch beizuladen sind (§ 48 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Der Senat hält daher im Streitfall an dem Regelstreitwert für Gewinnfeststellungssachen fest, der grundsätzlich mit 25 v. H. des streitigen Gewinns zu bemessen ist.
2. Da das FG über die Verfahren zur Gewinnfeststellung und zum Gewerbesteuermeßbetrag einheitlich entschieden hat und bei verbundenen Sachen der zusammengefaßte einheitliche Streitwert maßgebend ist (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 4 S. 341), erhöht sich der Streitwert noch um den Betrag der gewerbesteuerlichen Auswirkung, die die Klägerin mit 2 996 DM und das FA mit 3 276 DM berechnet haben.
Fundstellen
Haufe-Index 414324 |
BFH/NV 1986, 296 |