Entscheidungsstichwort (Thema)
KiSt-Streitigkeiten, Rückzahlung von Bestechungsgeldern
Leitsatz (NV)
1. Im Bundesland Hessen ist in Kirchensteuersachen nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (vgl. §33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i. V. m. §13 Abs. 1 KiStG des Bundeslandes Hessen).
2. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die spätere, wegen Anordnung des Verfalls gemäß §73 Abs. 1, §74c Abs. 1 StGB durch ein Strafgerichtsurteil erfolgte Rückzahlung von Bestechungsgeldern trotz des Prinzips der Abschnittsbesteuerung und des Abflußprinzips (§11 Abs. 2 EStG) nicht gleichwohl in den Jahren der Vereinnahmung der Gelder steuerlich (zumindest teilweise) zu berücksichtigen sind.
Normenkette
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 4, § 69 Abs. 2-3; KiStG Hessen § 13 Abs. 1; EStG § 11 Abs. 2, § 22 Nr. 3
Tatbestand
Die Antragsteller werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller war bis zu seiner fristlosen Entlassung im September 1990 Angestellter eines staatlichen Hochbauamtes. Als Hauptsachbearbeiter war er u. a. verantwortlich für die Planung und Ausschreibung von Bauvorhaben und die Abrechnung einzelner Bauleistungen. Nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft beim zuständigen Landgericht räumte der Antragsteller in den Streitjahren 1983 bis 1990 bestimmten Bauunternehmen Vorteile für die Vergabe von Bauaufträgen ein. Als Gegenleistung dafür erhielt er von diversen Bauunternehmen Bar- und Sachzuwendungen.
Im Anschluß an ein im Jahr 1990 eingeleitetes steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren erließ der Antragsgegner (das Finanzamt -- FA --) auf der Basis der Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung geänderte Einkommensteuerbescheide für 1983 bis 1990. Während des gegen diese Bescheide angestrengten Einspruchsverfahrens wurde der Antragsteller mit Urteil des zuständigen Landgerichts in 1994 wegen Bestechlichkeit in vier Fällen und fortgesetzter Bestechlichkeit in acht Fällen sowie wegen Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug in drei Fällen und fortgesetzter Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von ... sowie zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Ferner wurde bezüglich des aus den rechtswidrigen Taten Erlangten (Bruttobetrag der nachgewiesenen Sach- und Bargeldzuwendungen) der Verfall von Bargeldzuwendungen sowie des Wertersatzes der Sachzuwendungen gemäß §73 Abs. 1 und §74c Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) angeordnet. Den Betrag will der Antragsteller im Jahr 1994 an die Staatskasse zurückbezahlt haben.
Die Einsprüche der Antragsteller hatten u. a. insoweit Erfolg, als die Einnahmen aus sonstigen Leistungen in Höhe der im Strafgerichtsurteil festgestellten Bestechungsgelder angesetzt wurden; im übrigen blieben sie ohne Erfolg. Die dagegen eingelegte Klage mit dem Ziel, den Rückzahlungsbetrag einkünftemindernd zu berücksichtigen, wies das Finanzgericht (FG) unter Zulassung der -- beim erkennenden Senat anhängigen -- Revision als unbegründet ab.
Das FG hat die bei ihm gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Den nunmehr beim Bundesfinanzhof (BFH) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuern und Kirchensteuern für die Streitjahre begründen die Antragsteller unter Bezugnahme auf die Ausführungen im anhängigen Revisionsverfahren.
Das FA tritt dem Antrag unter Hinweis auf die nach seiner Ansicht unbegründete Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag hat im wesentlichen Erfolg.
1. Hinsichtlich der festgesetzten Kirchensteuer ist der Antrag unzulässig. Denn im Bundesland Hessen ist in Kirchensteuersachen nicht der Finanzrechtsweg gegeben, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (vgl. §33 Abs. 1 Nr. 4 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. §13 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes -- KiStG -- des Bundeslandes Hessen; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §33 Rz. 43b; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl. 1996 §33 FGO Tz. 26; Beermann/von Beckerath, Steuerliches Verfahrensrecht, 1996, §33 FGO Rz. 262).
2. Hinsichtlich der festgesetzten Einkommensteuer ist der Antrag begründet.
Nach §69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen. Solche ernstlichen Zweifel sind gegeben, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken.
Solche ernstlichen Zweifel sind hier unter Berücksichtigung des summarischen Charakters des Aussetzungsverfahrens gegeben.
Zwar hat der BFH mit Urteil vom 2. April 1974 VIII R 76/69 (BFHE 112, 348, BStBl II 1974, 540) im Zusammenhang mit Spekulationseinkünften i. S. der §§22 Nr. 2, 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden, daß im Fall der Rückzahlung --in der Form negativer Einnahmen -- in einem späteren Veranlagungszeitraum möglicherweise Nachteile bei der Anwendung des Einkommensteuersatzes als Folge der Steuerprogression oder der fehlenden tatsächlichen Ausgleichsmöglichkeit negativer Einkünfte in einem späteren Veranlagungszeitraum entstehen können; solche Nachteile seien jedoch angesichts des Prinzips der Abschnittsbesteuerung nicht auszuschließen. Zudem hat der BFH mit Urteil vom 24. Juli 1990 VIII R 194/84 (BFHE 161, 509, BStBl II 1992, 508) im Zusammenhang mit einer gemäß §38 Abs. 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (GWB) festgesetzten Geldbuße den/die Steuerpflichtigen wegen der verfassungswidrigen Bemessung der Geldbuße nach dem Bruttobetrag des Mehrerlöses auf das Rechtsbehelfsverfahren gegen den Bußgeldbescheid bzw. für den Fall einer verfassungswidrigen doppelten Abschöpfung des Mehrerlöses auf das Billigkeitsverfahren nach §163 der Abgabenordnung (AO 1977) verwiesen.
Andererseits hat der erkennende Senat mit Urteil vom 17. Juli 1991 X R 6/91 (BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916) für die Berücksichtigung der durch ein Spekulationsgeschäft veranlaßten Werbungskosten eine Abweichung vom Abflußprinzip des §11 Abs. 2 EStG zugelassen und ebenso mit Urteil vom 3. Juni 1992 X R 91/90 (BFHE 168, 272, BStBl II 1992, 1017) die Durchbrechung des Abflußprinzips des §11 Abs. 2 EStG zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch auf mit Sicherheit in künftigen Jahren anfallende Werbungskosten aus einmaligen Leistungen i. S. des §22 Nr. 3 EStG übertragen; gleiches soll für die spätere Rückzahlung von in früheren Jahren vereinnahmten Erlösen (negative Einnahmen) gelten. Dazu, ob diese Rechtsprechung auch auf zukünftige Werbungskosten bzw. die Rückzahlung von Einnahmen aus gelegentlichen Leistungen i. S. des §22 Nr. 3 EStG anzuwenden ist, hat sich der erkennende Senat nicht geäußert. Insoweit -- und damit auch für den Streitfall -- besteht Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen.
Im übrigen ließe sich die Aussetzung der Vollziehung auch auf eine -- sachlich -- unbillige, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte stützen, die, wie hier, wegen der ernstlichen Zweifel keiner weiteren Begründung bedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 67000 |
BFH/NV 1998, 703 |