Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung von Witwenrenten aus den gesetzlichen Sozialversicherungen
Leitsatz (NV)
1. Zum Verfahren der Beiordnung eines Notanwalts.
2. Der für die Besteuerung einer Witwen-/ Witwerrente aus den gesetzlichen Sozialversicherungen maßgebende Ertragsanteil hängt, da diese Rente auf einem eigenständigen Versicherungsfall beruht, vom Lebensalter der/des Bezugsberechtigten beim Eintritt in den Rentenbezug ab.
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 78b Abs. 1; EStG § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Antragstellerin (Klägerin) gegen den Einkommensteuerbescheid für 1992 abgewiesen. Gegenstand des Rechtsstreits war u. a. die Frage, mit welchem Ertrags anteil die von der Klägerin aus der gesetzlichen Sozialversicherung bezogene Witwenrente zu besteuern ist.
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Klägerin auf Beiordnung eines Notanwalts i. S. des § 78 b der Zivilprozeßordnung (ZPO) wird abgelehnt.
Nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 78 b Abs. 1 ZPO hat das Prozeßgericht einem Beteiligten auf seinen Antrag für den Rechtszug einen Rechts anwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, die Partei einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Vorschrift ist seit Einführung des Vertretungszwangs vor dem Bundesfinanzhof (BFH) durch das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs gemäß § 155 FGO sinngemäß anzuwenden. Da sich ein Beschwerdeführer vor dem BFH bei der Einlegung der Beschwerde durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten lassen muß, kommen hier -- weitergehend als im zivilprozessualen Anwaltsprozeß -- außer Rechtsanwälten auch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer für die beantragte Beiordnung in Betracht (vgl. BFH-Beschluß vom 5. März 1996 VII S 5/96, BFH/NV 1996, 627).
Der BFH ist das zuständige Prozeßgericht, da bei ihm das Verfahren anhängig gemacht werden soll, für das der Vertretungszwang besteht. In dieser Hinsicht bleibt es ohne Auswirkung, daß die Klägerin ihren Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts beim FG gestellt hat, das diesen Antrag an den BFH weitergeleitet hat (vgl. Beschluß in BFH/NV 1996, 627).
Die Klägerin hat dargelegt, daß sie bei sechs zur Vertretung vor dem BFH befugten Angehörigen der rechtsberatenden Berufe vergeblich um die Übernahme des Mandats nachgesucht habe. Für eine Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung, wie die Klägerin sie vorträgt, bestünde jedoch keine Erfolgsaussicht.
Die Kläger macht u. a. geltend, die sog. Witwenrente werde "aus dem Kapitalstock der Rente des Ehepartners bezahlt". Der Gesetzgeber habe bei der Bestimmung des Ertragsanteils nur das Rentenalter der Witwe, nicht aber das des verstorbenen Ehepartners berücksichtigt; auch werde zu Unrecht vernachlässigt, ob der Ehemann Rente bezogen habe oder schon vor Eintritt in den Rentenbezug verstorben sei. Die Witwenrente sei keine eigenständige Rente, sondern Bestandteil der Rente des Ehemannes. Es müsse auch darauf abgestellt werden, wie groß der Altersunterschied zwischen den Ehegatten sei und wieviel Rente der verstorbene Ehepartner bereits bezogen habe.
Dieser Vortrag verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Die Grundannahmen der Klägerin zur Lebenserwartung sind aus sich heraus nicht verständlich. Im übrigen verkennt die Klägerin, daß der Bezug der Witwenrente auf einem eigenständigen Versicherungsfall beruht und der für die Besteuerung maßgebende Ertragsanteil (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes) abhängt vom Lebensalter des/der Bezugsberechtigten beim Eintritt in den Rentenbezug (vgl. Senatsurteil vom 8. März 1989 X R 16/85, BFHE 156, 432, BStBl II 1989, 551). Demzufolge ist der Ertragsanteil um so höher, je jünger die Witwe bei Eintritt des Versicherungsfalles ist, und der Gesamtbetrag der von ihr auf die mutmaßliche Lebensdauer zu entrichtenden Steuer wird mittels dieses höheren Ertragsanteils von einem höheren Gesamtvolumen der Rente berechnet. Tritt der Versicherungsfall beispielsweise 10 Jahre später ein, ändert sich der Gesamtbetrag der an den Versicherten und an die Witwe/den Witwer ausgezahlten Renten bei gleichzeitiger Verminderung der jeweils maßgebenden Ertragsanteile. In Anbetracht dessen führt ein Vergleich der unterschiedlichen Fälle mittels der von der Klägerin vorgelegten "Modellrechnungen" zu keiner rechtlich verwertbaren Erkenntnis. Ihre rechtspolitischen Erwägungen zur Höhe von Witwen-/ Witwerrenten und zur Benachteiligung von älteren Frauen im Erwerbsleben kann der Senat bei Anwendung des geltenden Steuerrechts nicht berücksichtigen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Bei dem Verfahren zur Beiordnung eines Notanwalts handelt es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren, für das Gerichtsgebühren nicht entstanden sind (BFH-Beschluß vom 26. Juli 1995 XI S 14/95, BFH/NV 1996, 157).
Fundstellen
Haufe-Index 422113 |
BFH/NV 1997, 489 |