Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweitwohnungsteuer für als Nebenwohnung gemeldete Wohnung
Leitsatz (NV)
Bei summarischer Prüfung ist es nicht ernstlich zweifelhaft, daß das Innehaben einer gegenüber der Meldebehörde als Nebenwohnung gemeldeten Wohnung auch dann der Zweitwohnungsteuer nach dem ZwStG unterliegt, wenn es sich um die vorwiegend benutzte Wohnung (Hauptwohnung) handelt.
Normenkette
Hamburgisches Zweitwohnungsteuergesetz §§ 1-3; FGO § 69 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) und seine Ehefrau sind in Hamburg berufstätig und halten sich hier überwiegend auf. In den Sommermonaten wohnen sie in B. Dort ist der Antragsteller mit Hauptwohnung gemeldet, während er in Hamburg mit Nebenwohnung gemeldet ist; seine Ehefrau ist nur in Hamburg gemeldet.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) setzte mit Bescheid vom 23. September 1994 gegen den Antragsteller für die Jahre 1993, 1994 und 1995 eine Zweitwohnungsteuer von jährlich 252 DM fest; dabei legte das FA als Bemessungsgrundlage 70 v. H. der Nettokaltmiete für die Hamburger Wohnung zugrunde. Gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid hat der Antragsteller am 19. Oktober 1994 gemäß § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Sprungklage erhoben. Das FA hat der Erhebung der Sprungklage zugestimmt; über sie ist noch nicht entschieden.
Nachdem das FA den Antrag des Antragstellers vom 21. November 1994, die Vollziehung des angefochtenen Zweitwohnung steuerbescheides auszusetzen, abgelehnt hatte, beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG) am 4. Januar 1995 die Aussetzung der Vollziehung, da die Zweitwohnungsteuer verfassungswidrig sei. Gegen die Berechnung der Zweitwohnungsteuer als solche hat der Antragsteller keine Einwendungen erhoben.
Das FG gab dem Antrag durch Beschluß vom 8. März 1995 statt, da ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids bestünden. Das FG stellt im wesentlichen darauf ab, daß nach § 3 Abs. 1 des Hamburgischen Zweitwohnungsteuergesetzes (ZwStG) vom 23. Dezember 1992 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt -- GVBl HA -- 1992, 330) derjenige steuerpflichtig sei, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirkten. Damit werde auf die Rechtslage nach den Meldegesetzen verwiesen. Für die Frage, welche von mehreren Wohnungen Haupt- oder Nebenwohnung sei, komme es nach § 15 Abs. 2 des Hamburgischen Meldegesetzes (HmbMG) i. d. F. vom 6. Mai 1986 (GVBl HA 1986, 81) darauf an, welche Wohnung vorwiegend bewohnt werde. Maßgebend sei danach der tatsächliche Umstand der vorwiegenden Benutzung. Im Streitfall sei dies nach dem unstreitigen Vorbringen des Antragstellers die Hamburger Wohnung, weil sich der Antragsteller mit seiner Ehefrau in den Streitjahren hier überwiegend aufgehalten habe. Denn beide hätten in Hamburg gearbeitet und nur in den Sommermonaten die Wohnung in B aufgesucht. Ebenso wie für die Ehefrau des Antragstellers sei deshalb für diesen selbst die Wohnung in Hamburg seine Hauptwohnung. Wenn demgegenüber das FA auf die Meldung des Einwohners bei den Meldebehörden abstelle, könne dies jedenfalls bei summarischer Prüfung nicht dem Wortlaut des ZwStG entnommen werden. Auf die unter den Beteiligten strittige Frage der Verfassungsmäßigkeit des ZwStG komme es mithin nicht an.
Gegen den Beschluß des FG hat das FA Beschwerde eingelegt, mit der es beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet abzuweisen.
Zur Begründung macht das FA im wesentlichen geltend, daß es nicht entscheidend darauf ankomme, ob der Antragsteller die Wohnung, für die er mit Nebenwohnung gemeldet sei, tatsächlich als Hauptwohnung genutzt habe. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStG sei Inhaber der Zweitwohnung, den die Steuerpflicht treffe, derjenige, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirkten. Dies treffe nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 ZwStG zu, wenn eine Wohnung dem Eigentümer oder Hauptmieter als Nebenwohnung i. S. des HmbMG dient. Nach der ersten Tatbestandsalternative des § 2 Abs. 4 ZwStG sei dies der Fall, wenn die Wohnung von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt werde, ohne daß es auf die Rechtmäßigkeit der Meldung ankomme.
Der Antragsteller macht in seiner Erwiderung zur Beschwerde geltend, daß entgegen der Auffassung des FA auf die melderechtlichen Verhältnisse nicht nur im formellen, sondern im materiellen Sinn abzustellen sei. Allerdings komme es auf diese Auslegungsfrage letztlich nicht an, da das ZwStG insgesamt verfassungswidrig sei.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA führt zur Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses des FG und zur Zurückverweisung des Aussetzungsantrags.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz bestehen an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids keine ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Da es sich beim ZwStG um revisibles Recht handelt (s. § 1 Nr. 5 des Hamburgischen Abgabengesetzes vom 17. Februar 1976, GVBl HA I 1976, 45, BStBl I 1976, 290; § 5 des Hamburger Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 17. Dezember 1965, GVBl HA I 1965, 225), ist der Senat zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses des FG befugt.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei summarischer Überprüfung des Bescheids neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (s. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl II 1967, 182).
a) An der Verfassungsmäßigkeit des ZwStG bestehen keine ernstlichen Zweifel. Entgegen der Auffassung des Antragstellers begegnet die Zweitwohnungsteuer weder hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz der Freien und Hansestadt Hamburg noch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Grundrechte des Antragstellers Bedenken. Der Senat verweist zur Begründung insoweit auf seinen Beschluß vom 31. Mai 1995 II B 126/94, BFH/NV 1996, 94.
b) Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall bei summarischer Prüfung auch nicht ernstlich zweifelhaft, daß das Innehaben einer vom Antragsteller gegenüber der Meldebehörde als Nebenwohnung gemeldeten Wohnung auch dann der Zweitwohnungsteuer nach dem ZwStG unterliegt, wenn es sich bei dieser Wohnung um die vom Antragsteller vorwiegend benutzte Wohnung (Hauptwohnung) i. S. des § 15 HmbMG handelt. Denn das ZwStG stellt für die Frage, ob die in Hamburg belegene Wohnung des Wohnungsinhabers die Hauptwohnung oder die Zweitwohnung ist, im Grundsatz auf die vom Wohnungsinhaber erklärte Meldung gegenüber der Meldebehörde ab.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ZwStG ist der Inhaber einer in Hamburg belegenen Zweitwohnung steuerpflichtig. Inhaber der Zweitwohnung ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStG derjenige, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken. Diese wird in dem mit "Begriff der Zweitwohnung" überschriebenen § 2 ZwStG näher bestimmt. Danach ist unter Zweitwohnung jede Wohnung zu verstehen, "die dem Eigentümer oder Hauptmieter als Nebenwohnung im Sinne des Hamburgischen Meldegesetzes ... dient" (§ 2 Abs. 1 Satz 1 ZwStG). Zur Frage, wann diese Voraussetzung erfüllt ist, enthält § 2 Abs. 4 Satz 1 ZwStG eine Legaldefinition, nach der eine Wohnung als Nebenwohnung im Sinne des HmbMG dient, "wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt wird". Diese Vorschrift verdrängt für den Anwendungsbereich des ZwStG als lex specialis die Bestimmungen des HmbMG. Folglich kommt es für die Frage, ob eine Wohnung Nebenwohnung ist, nicht darauf an, ob es sich um die "vorwiegend benutzte Wohnung" i. S. des § 15 Abs. 2 HmbMG (vgl. auch § 12 Abs. 2 des Melderechtsrahmengesetzes) handelt oder nicht. Entscheidend ist vielmehr allein der Umstand, daß die Wohnung gegenüber der Meldebehörde (formal) als Nebenwohnung gemeldet wurde. Diese Auslegung wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt. Danach soll durch das Abstellen auf die melderechtlichen Verhältnisse verhindert werden, daß in den Fällen, in denen der Inhaber einer Wohnung mit Nebenwohnung gemeldet ist, die Charakterisierung der Wohnung als Zweitwohnung mit dem Argument in Abrede gestellt wird, es handele sich in Wirklichkeit um die Hauptwohnung des Wohnungsinhabers (s. Drucks. 14/2408 der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 14. Wahlperiode, B. zu § 2 Abs. 2 ZwStG). Lediglich dann, wenn eine Anmeldung der Wohnung nicht erfolgt ist und deshalb § 2 Abs. 4 Satz 1 ZwStG mangels einer formalen Meldung nicht angewendet werden kann, ist gemäß § 2 Abs. 4 Satz 2 ZwStG auf die materiell-rechtliche Lage, d. h. darauf abzustellen, ob der Inhaber der Wohnung seine Wohnung als Nebenwohnung hätte anmelden müssen, weil es sich -- bei mehreren Wohnungen -- nicht um seine "vorwiegend benutzte Wohnung" i. S. des § 15 Abs. 2 HmbMG handelt.
Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 ZwStG steht der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der formalen Meldung einer Wohnung als Zweitwohnung nicht entgegen. Denn § 3 ZwStG regelt nicht, unter welchen Voraussetzungen für Zwecke der Zweitwohnung steuer eine Zweitwohnung anzunehmen ist, sondern -- wie seine Überschrift verdeutlicht -- die persönliche Steuerpflicht. Soweit § 3 Abs. 1 Satz 2 ZwStG als steuerpflichtigen Inhaber einer Zweitwohnung denjenigen bestimmt, "dessen melderechtlichen Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken", muß diese Regelung -- wie oben dargelegt -- unter Beachtung der Legaldefinition der Nebenwohnung in § 2 Abs. 4 Satz 1 ZwStG ausgelegt werden.
Das Abstellen des ZwStG auf die formale Meldung einer Wohnung als Nebenwohnung begegnet bei summarischer Prüfung auch verfassungsrechtlich keinen Bedenken. Zwar läßt sich bei einer Anknüpfung allein an die Meldung gegenüber der Meldebehörde nicht ausschließen, daß im Ausnahmefall der Inhaber einer als Nebenwohnung gemeldeten Wohnung zur Zweitwohnungsteuer herangezogen wird, obwohl es sich bei dieser Wohnung in Wirklichkeit um die vorwiegend benutzte Wohnung und damit um die Hauptwohnung i. S. des § 15 Abs. 2 HmbMG handelt. Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rechtsverletzung kann hierin jedoch nicht gesehen werden. Zum einen handelt es sich bei den Fällen fehlerhafter Meldungen, die eine Zweitwohnungsteuer auslösen können, um eine zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallende Fallgruppe, die der Gesetzgeber des ZwStG bei der notwendigen Typisierung im Interesse der Praktikabilität vernachlässigen durfte. Zum anderen kann der betroffene Wohnungsinhaber jederzeit seine unrichtige Meldung gegenüber der Meldebehörde richtigstellen, d. h. die bisher zu Unrecht als Nebenwohnung gemeldete Wohnung als Hauptwohnung anmelden und damit die Belastung durch die Zweitwohnungsteuer vermeiden.
Fundstellen
Haufe-Index 420858 |
BFH/NV 1996, 447 |