Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsfreie Revision bei Fehlen von Entscheidungsgründen
Leitsatz (NV)
1. Eine Entscheidung ist - im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO - ,,nicht mit Gründen versehen", wenn sie von den an der Entscheidung beteiligten Richtern nicht unterschrieben worden ist.
2. Eine Entscheidung ist auch dann nicht mit Gründen versehen, wenn Ausführungen zu wesentlichen Streitpunkten vollständig fehlen oder wenn sie unvollständig oder inhaltslos sind.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer 1979 veranlagt worden. Der klagende Ehemann ist als bildender Künstler selbständig tätig. Gegenüber dem Einkommensteuerbescheid 1979 machten die Kläger geltend, daß die Betriebseinnahmen zu hoch und die Betriebsausgaben zu niedrig angesetzt seien. Ihre Klage wurde jedoch nach mündlicher Verhandlung abgewiesen; das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht zugelassen.
Mit ihrer gleichwohl erhobenen Revision rügen die Kläger, daß das Urteil nicht mit Gründen versehen sei, weil es von keinem der Richter unterzeichnet worden sei und außerdem auf wesentliches Vorbringen der Kläger nicht eingehe. Sie beanstanden außerdem, daß das FG ihnen das rechtliche Gehör versagt habe. Schließlich wenden sie sich gegen die Versagung der vom klagenden Ehemann geltend gemachten Betriebsausgaben.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) i. d. F. des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1274, BStBl I, 496) ist die in § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgesehene Streitwertrevision suspendiert. Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) ist danach nur statthaft, wenn sie durch einen besonderen Beschluß zugelassen wurde (§ 115 Abs. 2 FGO) oder wenn die in § 116 FGO genannten Verfahrensmängel gerügt werden. Diese Beschränkung gilt auch im Streitfall, da das angefochtene, nicht verkündete Urteil den Klägern nach einer mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 1986, mithin nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes zugestellt worden ist.
Gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO kann mit der zulassungsfreien Revision gerügt werden, daß die angefochtene Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Ein solcher Mangel ist nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Januar 1977 IX ZR 142/72 (Neue Juristische Wochenschrift 1977, 765) anzunehmen, wenn ein Urteil von den an der Entscheidung beteiligten Richtern nicht unterschrieben worden ist, da dann nur ein Urteilsentwurf vorliegt. Im Streitfall trägt das in den Akten des FG vorhandene Urteil jedoch die Namen der an der Entscheidung beteiligten Berufsrichter; die ehrenamtlichen Richter brauchten nicht zu unterschreiben (§ 105 Abs. 1 Satz 4 FGO). Daß die den Klägern zugestellte Urteilsausfertigung (§ 104 Abs. 1 Satz 2, § 155 FGO, § 317 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) von den Richtern nicht unterschrieben wurde, ist nicht zu beanstanden; dabei handelt es sich um eine Urteilsabschrift, die nur vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben war (§ 317 Abs. 3 ZPO).
Eine Entscheidung ist auch dann nicht mit Gründen versehen, wenn Ausführungen zu wesentlichen Streitpunkten vollständig fehlen oder sie unverständlich oder inhaltlos sind (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 43. Aufl., § 551 Anm. 8A mit Nachweisen). Ein derartiger Mangel liegt nicht vor. Das FG hat eingehende Ausführungen darüber gemacht, daß das vom klagenden Ehemann errichtete Wohnhaus nur teilweise für betriebliche Zwecke genutzt werde und die Aufwendungen nur insoweit als Betriebsausgaben angesetzt werden könnten. Daß diese Ausführungen, wie die Kläger meinen, rechtlich nicht erschöpfend sind, führt nicht zu einem Urteilsmangel.
Die darüber hinaus von den Klägern gerügte Versagung des rechtlichen Gehörs gehört nicht zu den in § 116 FGO genannten Mängeln, sondern zu den absoluten Revisionsgründen des § 119 FGO; sie muß daher zunächst im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 414712 |
BFH/NV 1987, 722 |