Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umdeutung einer Aussetzungsklage in einen AdV-Antrag
Leitsatz (NV)
Eine unzulässige Klage gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzamt kann nicht in einen zulässigen Aussetzungsantrag umgedeutet werden, wenn der durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger ausdrücklich auf die Unzulässigkeit einer solchen Klage hingewiesen worden ist und er trotz des Hinweises an der Ansicht festhält, die Klage sei zulässig.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 7
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 22.01.2008; Aktenzeichen 10 K 3396/07) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wendet sich dagegen, dass die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Festsetzung von Kindergeld für ihre beiden Töchter ab Oktober 2005 aufhob und einen Betrag von 4 004 € zurückforderte. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Aufhebungsbescheides lehnte die Familienkasse ab, der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung vom 29. August 2007 wird auf die Möglichkeit der Klageerhebung hingewiesen.
Unter dem 12. September 2007 erhob die durch einen Rechtsanwalt vertretene Klägerin Klage. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Mit Schreiben vom 3. Januar 2008 wies der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) den Klägervertreter darauf hin, dass die Klage nach § 69 Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig sei. Er bat um Stellungnahme bis zum 15. Januar 2008 und um Prüfung, ob die Klage aus Gründen der Kostenersparnis zurückgenommen werden sollte. Mit Schreiben vom 9. Januar 2008 entgegnete der Klägervertreter, die Aussetzungsklage sei gemäß § 69 FGO zulässig und begründet und werde aufrecht erhalten. Mit Beschluss vom 17. Januar 2008 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 FGO auf den Einzelrichter übertragen.
Durch Urteil vom 22. Januar 2008 wies das FG die Klage ab. Es führte u.a. aus, eine Umdeutung der Klage in einen Antrag auf AdV scheitere daran, dass der Klageschriftsatz eindeutig sei und der Klägervertreter trotz des gerichtlichen Hinweises an der Klage festgehalten habe.
Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, das FG habe die Klage als unzulässig abgewiesen, obwohl die Antragsschrift vom 12. September 2007 alle Merkmale eines Antrags nach § 69 Abs. 3 FGO aufgewiesen habe. In der Überschrift werde ausdrücklich § 69 FGO genannt. Der Hinweis des FG vom 3. Januar 2008 sei völlig unklar. Dieses habe nicht annehmen dürfen, dass die fachkundig vertretene Klägerin einen Antrag stellen würde, der nicht dem aktuellen Recht entspreche. In der Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung sei auf die Möglichkeit der Klageerhebung hingewiesen worden. Es sei zwar einzuräumen, dass die Bezeichnung "Klage nach § 69 FGO" unglücklich sei, doch sei das Gericht nicht gehindert gewesen, die "Klage" als Antrag zu interpretieren. Aus dem Inhalt des Schreibens ergebe sich eindeutig, dass nur ein Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO gemeint gewesen sein könne. Das Begehren, nämlich die AdV, sei mehrmals genannt worden. Das FG habe aufgrund der unglücklichen Formulierung wohl angenommen, es werde die Aufhebung des Rückforderungsbescheides beantragt. Im Hauptsacheverfahren sei mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2007 Klage gegen diesen Bescheid erhoben worden. Spätestens bei Eingang dieser Klage hätte für das FG verständlich sein müssen, dass mit dem Schreiben vom 12. September 2007 ausschließlich ein Antrag auf AdV nach § 69 Abs. 3 FGO gemeint gewesen sei. Es wäre reiner Formalismus, wenn man aus den Worten "Klage" und "aufheben" im Schriftsatz vom 12. September 2007 ableiten wollte, dass eine Aussetzungsklage statt eines Antrags nach § 69 Abs. 3 FGO gemeint gewesen sei. Die Überschrift im klägerischen Schriftsatz dürfe nicht überbewertet werden, weil es sich nicht um einen unerlässlichen Teil einer Klage handele. Das FG hätte nachfragen müssen, ob der als Klage bezeichnete Schriftsatz nicht als Antrag zu verstehen sei. Sein Hinweis auf § 69 Abs. 7 FGO sei nicht hilfreich gewesen. Es sei unklar, was das Gericht damit gemeint habe. Die Familienkasse habe sich allein zu der Frage geäußert, ob die Klage mangels Vorverfahrens zulässig sei. Deshalb sei der gerichtliche Hinweis so zu verstehen gewesen, als habe er sich allein auf diese Zulässigkeitsfrage bezogen. Die Klägerin habe nicht damit rechnen müssen, dass ihr Begehren in eine Aussetzungsklage uminterpretiert werde. Wäre im Schriftsatz vom 9. Januar 2008 das Wort "Aussetzungsklage" durch "Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO" ersetzt worden, dann wäre es nicht zu dem Urteil gekommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor.
Die Klägerin beanstandet, das FG habe zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden und das klägerische Begehren nicht als Antrag auf AdV nach § 69 Abs. 3 FGO ausgelegt. Darin liegt die Rüge eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellt es einen Verfahrensmangel dar, wenn über eine Klage objektiv fehlerhaft nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird (z.B. Urteil vom 16. November 1993 VIII R 7/93, BFH/NV 1994, 891; Beschlüsse vom 13. März 2003 VII B 196/02, BFHE 201, 425, BStBl II 2003, 609; vom 5. Oktober 2004 II B 140/03, BFH/NV 2005, 237; vom 1. August 2007 XI B 183/06, BFH/NV 2007, 1921, jeweils m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn ein zulässiger Antrag auf AdV zu Unrecht als unzulässige Aussetzungsklage behandelt wird.
b) Im Streitfall hat das FG das klägerische Begehren jedoch zu Recht als --nach § 69 Abs. 7 FGO unzulässige-- Klage gegen die ablehnende Entscheidung über den Antrag auf AdV beurteilt und nicht etwa als Antrag auf AdV. Nachdem der Klägervertreter auf die fehlende Zulässigkeit einer Klage hingewiesen worden war, hätte für ihn die Möglichkeit bestanden, klarzustellen, dass es sich um einen Aussetzungsantrag handeln sollte. Eine Umdeutung des klägerischen Begehrens wäre in diesem Fall denkbar gewesen (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Dezember 2002 III S 5/02, BFH/NV 2003, 492), insbesondere im Hinblick darauf, dass die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung der Einspruchsentscheidung die Klage als zulässiges Rechtsmittel nannte. Jedoch hat der Klägervertreter trotz des gerichtlichen Hinweises vom 3. Januar 2008 im Schriftsatz vom 9. Januar 2008 die "Aussetzungsklage" ausdrücklich aufrecht erhalten. Eine Umdeutung klägerischen Begehrens scheidet damit aus. Es ist ein Gebot der Rechtssicherheit, Rechtskundige (z.B. Rechtsanwälte) mit ihren Prozesserklärungen beim Wort zu nehmen (BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 VIII B 77/05, BFH/NV 2005, 1861).
Fundstellen