Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinreichende Erfolgsaussicht auf Erlaß von Umsatzsteuer
Leitsatz (NV)
1. Ein Erlaßantrag wegen sachlicher Unbilligkeit der Steuerfestsetzung kann nicht allein darauf gestützt werden, daß die rechtskräftige Steuerfestsetzung falsch sei. Eine sachliche Prüfung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung ist nur möglich, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren.
2. Die Ablehnung eines Billigkeitserlasses durch das FA aufgrund (persönlicher) wirtschaftlicher Verhältnisse des Steuerpflichtigen, die wegen des Pfändungsschutzes eine Durchsetzung der Steueransprüche ausschlössen und durch einen Erlaß (im Zusammenhang mit Forderungsverzicht durch andere Gläubiger) keinen wirtschaftlichen Vorteil zuließen, ist nicht ermessensfehlerhaft.
Normenkette
AO 1977 §§ 163, 227; FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114
Tatbestand
I. Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte den Erlaß von Umsatzsteuer für 1988 und 1989 (Streitjahre), nachdem sie die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre erfolglos vor dem Finanzgericht (FG) angefochten hatte. Die klageabweisenden Urteile wurden rechtskräftig.
Den Erlaßantrag begründete die Klägerin mit Zahlungsunfähigkeit. Der Beklagte (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Erlaß ab. Nach erfolglosem Einspruch verfolgt die Klägerin ihr Erlaßbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuern 1988 und 1989 vor dem FG weiter. Über diese Klage ist noch nicht entschieden.
Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das anhängige Klageverfahren lehnte das FG ab.
Mit der Beschwerde hält die Klägerin an dem Antrag auf Gewährung von PKH für das Klageverfahren fest.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß §142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. §114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das FG hat mit dem ablehnenden Beschluß diese Voraussetzungen ohne Rechtsverstoß verneint. Auch aus der Beschwerdebegründung folgt nicht, daß das FG zu Unrecht hinreichende Erfolgsaussicht der von der Klägerin erhobenen, vor dem FG noch anhängigen Klage gegen die Versagung des Billigkeitserlasses der bestandskräftig festgesetzten Umsatzsteuer für die Streitjahre verneint hat.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung dann hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, wenn dafür bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.
Das FG hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Verwaltung über den Erlaß eine Ermessensentscheidung ist, bei der dem FG gemäß §102 FGO nur eine eingeschränkte Kontrollbefugnis zukommt und das FG nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Finanzbehörde setzen darf. Gerichtliche Kontrolle und Rechtsschutzgewährung erschöpfen sich bei Ermessensentscheidungen der Verwaltung in der Untersuchung, ob die Finanzbehörden die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung (§227 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben. Das FG hat nicht zu prüfen, ob eine andere Entscheidung (sach-)gerechter oder zweckmäßiger gewesen wäre.
Übereinstimmend mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat das FG ausgeführt, daß ein Erlaßantrag wegen sachlicher Unbilligkeit nicht allein darauf gestützt werden kann, daß die rechtskräftige Steuerfestsetzung falsch ist (BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 298/84, BFHE 149, 126, BStBl II 1987, 612). Soweit die Klägerin sachliche Prüfung der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen im Billigkeitsverfahren begehrt, hat das FG bereits zu Recht darauf hingewiesen, daß dies nur möglich sei, wenn die Steuerfestsetzungen offensichtlich und eindeutig falsch seien und wenn es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar gewesen sei, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Diese Voraussetzungen haben FA und FG verneint. Das gilt insbesondere für den erneuten Vortrag der Klägerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren, die Umsätze, auf denen die hier streitige Steuerschuld beruhe, seien nicht ihr, der Klägerin, zuzurechnen. Soweit die Klägerin mit ihrem Beschwerdeschriftsatz Zeugenbeweis zu dieser Frage anbietet, ergibt sich daraus bei summarischer Prüfung ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg ihres Erlaßbegehrens. Denn die Zeugen werden nur zur Untermauerung einer Rechtsbehauptung (Zurechnung der Umsätze), nicht aber zum Nachweis eines Sachverhalts, der eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen wahrscheinlich machen könnte, angeboten.
Schließlich hat das FG ohne Rechtsfehler einen Ermessensverstoß des FA bei Ablehnung des Erlasses wegen persönlicher Unbilligkeit verneint. Das FA hatte die Ablehnung des Erlasses zum einen darauf gestützt, daß bei der erheblichen Überschuldung der Klägerin eine Billigkeitsmaßnahme nur dann in Betracht käme, wenn auch andere Gläubiger im Rahmen eines Vergleichs auf Forderungen verzichteten und diese Maßnahmen die wirtschaftliche Existenz der Klägerin sicherten. Dafür lägen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Zum anderen führte das FA aus, eine Billigkeitsmaßnahme aus persönlichen Gründen scheitere bereits daran, daß die Klägerin in wirtschaftlichen Verhältnissen lebe, die wegen des Pfändungsschutzes eine Durchsetzung der Steueransprüche derzeit ausschlössen; ein Erlaß würde daher zu keinem wirtschaftlichen Vorteil führen. Dies entspricht den Grundsätzen der Rechtsprechung, auf die sich das FA stützte (vgl. BFH, Beschluß vom 24. Oktober 1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 285; vgl. auch Klein/Rüsken, Abgabenordnung, §163 Anm. 11, m. N.). Mit der vorliegenden Beschwerde führt die Klägerin zwar aus, daß die anderen Gläubiger stillhielten und somit ihr die wirtschaftliche Existenz ermöglichten. Sie macht aber zusätzlich geltend, "ganz einfach zu Zahlungen nicht in der Lage" zu sein. Es gebe kein Vermögen, welches zu einer gleichmäßigen Schuldentilgung verwendet werden könne, weshalb auch andere Gläubiger hier nicht befriedigt werden könnten. Dem Beschwerdevorbringen können somit keine neuen Gesichtspunkte entnommen werden, die hinreichende Erfolgsaussicht ihres Erlaßbegehrens begründen könnten.
Fundstellen