Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH für noch einzulegende NZB; Erstreckung einer Anfechtungsklage auf ein weiteres Streitjahr
Leitsatz (NV)
Eine Klageerhebung vor Ergehen der Einspruchsentscheidung kann sich nicht auf den betreffenden Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung beziehen.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 47 Abs. 1, §§ 56, 115 Abs. 3, § 142
Nachgehend
Tatbestand
I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) hatte mit Schreiben vom 16. Dezember 1994 Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 1985 bis 1992 eingelegt und am 27. August 1996 Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1987 bis 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 1996 erhoben. Über den Einspruch betreffend die Einkommensteuer 1986 entschied der Beklagte (das Finanzamt ―FA―) erst mit Bescheid vom 2. Oktober 1996, dem Kläger zugegangen am 4. Oktober 1996.
Mit weiterem Schriftsatz vom 14. November 1996 führte der Kläger in dem Klageverfahren betreffend Einkommensteuer 1987 bis 1992 gegenüber dem FG aus, die Bezifferung des Klageantrags ergebe sich aus dem Außenprüfungsbericht und gab hierzu entsprechende Zahlen für 1986 bis 1992 aus dem Außenprüfungsbericht wieder. Der Kläger führte sodann weiter aus: "Wie ersichtlich zählt 1986 nun auch zu den Streitjahren. Das FA hat mittlerweile meinen Einspruch mit der gleichen Begründung wie in der vorangegangenen Entscheidung abgelehnt."
Mit Schreiben vom 15. Dezember 1996 beantragte er für seine Klage betreffend 1986 hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil die Rechtsmittelbelehrung der Einspruchsentscheidung für Einkommensteuer 1986 nicht eindeutig gewesen sei und das Klagevorbringen vom 27. August 1996 bereits die Möglichkeit enthalten habe, dass auch 1986 ausdrücklich in die Klage einbezogen werde.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage betreffend Einkommensteuer 1986 als unzulässig, weil verspätet, abgewiesen. Der Kläger beabsichtigt, hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) einzulegen und beantragt hierfür Prozesskostenhilfe (PKH). Er trägt vor, die Nichtzulassungsbeschwerde habe Aussicht auf Erfolg, da das FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 1. April 1981 II R 38/79 (BStBl II 1981, 532) abgewichen sei und Verfahrensfehler gegeben seien.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Antrag auf PKH ist zulässig. Für den Antrag auf PKH für eine Nichtzulassungsbeschwerde besteht beim BFH kein Vertretungszwang (BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338, m.w.N.)
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
a) Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wird einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei ist es nicht erforderlich, dass in dem von dem Antragsteller in der Rechtsmittelinstanz selbst eingereichten PKH-Gesuch zur Durchführung eines noch nicht anhängigen Rechtsmittelverfahrens das sonst für derartige Verfahren geforderte Maß an Begründung enthalten ist. Es würde dem Zweck des PKH-Verfahrens zuwiderlaufen, von dem unbemittelten Bürger die Kenntnisse für eine sachgerechte Rechtsverfolgung zu fordern, die ihm erst durch die begehrte Beiordnung eines sachkundigen, beim BFH zugelassenen Vertreters (Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ―BFHEntlG―) zugänglich gemacht werden sollen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 338).
Es ergeben sich jedoch weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den Akten Gründe dafür, dass eine noch einzulegende Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hinreichende Aussicht auf Erfolg haben könnte.
b) Das Urteil des FG weicht nicht von der Entscheidung in BStBl II 1981, 532 ab. Im Streitfall erfolgte die Klageerhebung betreffend Einkommensteuer 1987 bis 1992 am 27. August 1996 und damit vor Ergehen der Einspruchsentscheidung betreffend Einkommensteuer 1986. Die Klageerhebung konnte sich damit noch nicht auf die Einkommensteuer 1986 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 1996 erstrecken. Der Sachverhalt im Streitfall weicht damit wesentlich von dem in BStBl II 1981, 532 entschiedenen Fall ab; dort war bei Klageerhebung gegen den einen Bescheid auch bereits der andere ergangen.
c) Auch Verfahrensfehler (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 25, 26), die eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Zu Recht hat das FG die Klage als unzulässig, weil verspätet, abgewiesen. Die Klage vom 27. August 1996 richtete sich ausdrücklich nur gegen die Einkommensteuerbescheide 1987 bis 1992, der Kläger wartete betreffend 1986 demnach den Abschluss des Vorverfahrens ab.
Das Schreiben vom 14. November 1996 wäre, selbst wenn es als Klageerhebung anzusehen sein sollte, erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 FGO und damit verspätet beim FG eingegangen. Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO (zur Beurteilung als Verfahrensfehler vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 25 f.) war nicht stattzugeben. Die Rechtsmittelbelehrung der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 1996 war eindeutig und zutreffend. Umstände, die einen etwaigen Irrtum des Klägers darüber, für 1986 eine gesonderte Klage erheben zu müssen, entschuldigen könnten, sind nicht ersichtlich, nachdem die Klage vom 27. August 1996 ausdrücklich nur die Einkommensteuerbescheide für 1987 bis 1992 betraf und die Einspruchsentscheidung betreffend Einkommensteuer 1986 erst nach Klageerhebung erging (vgl. auch Beschlüsse vom 10. August 1988 III R 221/84, BFH/NV 1989, 787, und vom 8. Mai 1996 X B 166/95, BFH/NV 1996, 771). Die BFH-Rechtsprechung hat nur in Sonderfällen eine Ausnahme zugelassen, z.B. wenn die Rechtslage in hohem Maße unsicher war und die Frist versäumt wurde, weil es der Betroffene aufgrund rechtlich vertretbarer Erwägungen unterlassen hat, einen Rechtsbehelf fristgerecht einzulegen (Urteil vom 14. Dezember 1989 III R 116/85, BFH/NV 1990, 530, m.w.N.).
Eine Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung war nicht geboten, da der Kläger keine erheblichen Gründe hierfür angegeben hat (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 91 Anm. 4). Dem Kläger verblieb auch genügend Zeit, sich auf die Verhandlung vorzubereiten, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nicht gegeben.
Es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, die eine Nichtzulassungsbeschwerde begründen könnten.
3. Die Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; § 1 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).
Fundstellen
Haufe-Index 447253 |
BFH/NV 2001, 166 |