Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Verletzung rechtlichen Gehörs
Leitsatz (NV)
1. Zur Darlegung grundsätzlicher Bedeutung.
2. Die mit dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör verbundene Pflicht des FG, die Beteiligten vor sog. Überraschungsentscheidungen zu bewahren, bedeutet nicht, daß das FG den Beteiligten jeden einzelnen für seine Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkt im voraus anzudeuten hätte.
Normenkette
AO 1977 § 42; BGB § 709 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1; UStG 1980/1991 § 4 Nr. 12 Buchst. a; UStG 1980/1991 § 9; UStG 1980/1991 § 27 Abs. 5 Nr. 1
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute; sie sind zu je 1/2 Miteigentümer eines Hausgrundstücks in X. Außerdem sind sie Gesellschafter der " ... GmbH" (GmbH), an der die Klägerin (Ehefrau) zu 60 v. H. und der Kläger (Ehemann) zu 40 v. H. beteiligt sind.
Die Kläger haben ihr Hausgrundstück -- nach ihrer und des Finanzgerichts (FG) Rechtsauffassung in Gesellschaft bürgerlichen Rechts -- an die GmbH zum Betrieb eines ... -Geschäfts verpachtet; auf die Steuerfreiheit der Pachtumsätze (§ 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes -- UStG 1980 und 1991 --) haben sie verzichtet.
In den Streitjahren (1990 und 1991) stockten sie das Gebäude auf und erstellten im Dachgeschoß u. a. eine Wohnung. Dementsprechend wurde der Pachtvertrag zwischen den Klägern und der GmbH ergänzt: Gegenstand der Verpachtung waren nunmehr auch die neu entstandenen Räumlichkeiten. Die GmbH vermietete die Wohnung an den Kläger, die aber bestimmungsgemäß von beiden Eheleuten genutzt wurde.
Die Kläger machten für die Streitjahre Vorsteuern aus den Baukosten in Höhe von ca. ... DM geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Vorsteuerabzug ab, soweit die Baukosten auf die Wohnung entfielen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ließ offen, ob der Verzicht auf die Steuerfreiheit der Überlassung des Wohnraums nicht bereits nach § 9, § 27 Abs. 5 Nr. 1 UStG 1980 und 1991 ausgeschlossen sei. Es sah in der Zwischenvermietung der Wohnung an die GmbH jedenfalls einen Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977).
In diesem Zusammenhang hatten die Kläger außersteuerliche Gründe für die gewählte Vertragsgestaltung vorgetragen; die Klägerin habe ihren Ehemann zu verstärkten Arbeitsleistungen als Geschäftsführer der GmbH bestimmen wollen.
Hierzu führte das FG in der angefochtenen Vorentscheidung wörtlich aus:
"Die Argumentation der Klägerin basiert wesentlich auf der Behauptung, durch die Vertragsgestaltung erhalte Frau ... ein Druckmittel gegenüber ihrem Ehemann als Geschäftsführer der GmbH. Vom Vorliegen eines solchen Druckmittels kann jedoch nicht ausgegangen werden. Denn Frau ... leitet ihre Macht nur aus ihrer Mehrheitsbeteiligung an der GmbH ab. Im Hinblick auf die Überlassung der Wohnräume an Herrn ... ist die GmbH aber abhängig von der Verpachtung des Gebäudes insgesamt seitens der Klägerin. Die Klägerin kann einer Weitergabe der Wohnung durch die GmbH jederzeit durch Kündigung des Pachtvertrages jegliche Grundlage entziehen.
Und eine bessere Berechtigung von Frau ... innerhalb der Klägerin ist angesichts der Gleichheit der Gesellschaftsanteile (und im übrigen auch der gleichen dinglichen Berechtigung von Herrn und Frau ... an dem Hausgrundstück) nicht zu erkennen."
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger hauptsächlich gegen diesen Teil der Urteilsbegründung. Sie sehen darin eine Verletzung der Vorschrift des § 709 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Anwendung des § 709 Abs. 1 BGB sei von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Im übrigen sei die vom FG vorgenommene Auslegung des § 709 Abs. 1 BGB weder im Vorverfahren noch im gerichtlichen Verfahren vertreten oder auch nur angesprochen worden. Insofern liege auch eine Versagung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) und damit ein Verfahrensmangel vor.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt deshalb nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Rechtsfrage in Betracht. Sie muß in der Beschwerdeschrift bezeichnet werden.
Eine derartige Rechtsfrage wird in der Beschwerdeschrift nicht aufgeworfen, vielmehr wird lediglich geltend gemacht, das Urteil verstoße gegen die Vorschrift des § 709 Abs. 1 BGB und sei deshalb falsch. Daß die Vorschrift des § 709 BGB -- falls sie überhaupt Anwendung findet -- verbindlich ist, ist nicht klärungsbedürftig.
3. Die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO, § 119 Nr. 3 FGO), bedeutet einmal, daß das FG nur solche Tatsachen und Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde legen darf, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten. Zum anderen ist das rechtliche Gehör auch dann verletzt, wenn die Beteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil sie auf rechtliche Gesichtspunkte gestützt wird, zu denen sich die Beteiligten bisher nicht geäußert haben und nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens zu einer Äußerung auch keine Veranlassung bestanden hat. Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, den Beteiligten die einzelnen für seine Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im voraus anzudeuten (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Oktober 1986 I R 107/82, BFHE 148, 507, BStBl II 1987, 293).
Die Kläger hatten ausreichend Gelegenheit, sich zu dem Sachverhalt, den das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Die Entscheidung des FG ist auch nicht auf rechtliche Gesichtspunkte gestützt, zu denen sich die Kläger vorher nicht geäußert haben oder äußern konnten. Daß das FG auf einen Punkt des Klägervortrags -- wie die Kläger meinen -- materiell-rechtlich fehlerhaft eingegangen ist, begründet nicht die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs.
4. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen