Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob an der zuletzt in dem Urteil II 27/61 vom 15. Juli 1964 (HFR 1965 Nr. 135 S. 168) niedergelegten Ansicht festgehalten werden kann, ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen sei seinem vollen Umfang nach zu versteuern, sofern seine letzte Rate nach Ablauf der Dreijahresfrist fällig wird.
Normenkette
FGO § 69; KVStG § 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Antragstellerin (Klägerin und Revisionsklägerin) ist eine Aktiengesellschaft. Sie betreibt ein Kühlhaus. Das auf langfristig gepachtetem Grund stehende Kühlgebäude hat sie am 22. Dezember 1961 von einer Gesellschafterin erworben. Der Kaufpreis von 3.700.000 DM war mit 1.100.000 DM am 31. Dezember 1961, im übrigen in fünf gleichen Raten von je 520.000 DM zum Ende der Jahre 1962 bis 1966 - jeweils am 31. Dezember - fällig.
Das FA hat die Antragstellerin gemäß §§ 3, 8, 9 KVStG zur Gesellschaftsteuer herangezogen. Das Finanzgericht (FG) hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Mit der Revision rügt die Antragstellerin falsche Rechtsanwendung. Sie beantragt, die Vollziehung des Steuerbescheids auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist nur zum Teil begründet. Die im einzelnen noch darzulegenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO) betreffen nicht den Grund, sondern nur den Betrag der angeforderten Gesellschaftsteuer.
Gemäß § 3 Abs. 1 KVStG unterliegt der Gesellschaftsteuer die Gewährung von Darlehen an eine inländische Kapitalgesellschaft durch einen Gesellschafter, wenn die Darlehnsgewährung eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt. Der Gewährung von Darlehen steht es nach § 3 Abs. 3 KVStG gleich, wenn ein Gesellschafter Forderungen, die ihm gegen die Gesellschaft zustehen, stundet. Darunter fällt regelmäßig die Stundung des Kaufpreises für einen Gegenstand des Anlagevermögens - zumindest, wenn er sachenrechtlich nicht beleihbar ist - auch dann, wenn ein Fall des § 607 Abs. 2 BGB nicht gegeben ist.
Insoweit hat die Revision auch keine Einwendungen erhoben. Sie will jedoch aus der Erkenntnis, daß einer kurzfristigen Zwischenfinanzierung kein kapitalersetzender Charakter zukommt, ableiten, ein Investitionskredit dürfe nur dann angenommen werden, wenn sich die Laufzeit des Kredits und die Amortisationszeit der damit erworbenen Vermögensanlage deckten. Indessen folgt aus der unterschiedlichen Behandlung der auf das Anlagevermögen und der auf das Umlaufvermögen verwandten Darlehensgewährungen - also der Investitionskredite einerseits, der Betriebsmittelkredite andererseits - keineswegs, daß die erstgenannten nicht nur bis zu einer Laufzeit von drei Jahren, sondern bis zur Abschreibung der Investition steuerlich unschädlich seien. Denn die Frage, ob ein Kredit eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt, hängt nicht von der Langlebigkeit des erworbenen Wirtschaftsguts ab.
Ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO) bestehen jedoch daran, ob an der zuletzt in dem Urteil II 27/61 vom 15. Juli 1964 (HFR 1965 Nr. 135 S. 168) niedergelegten Ansicht festgehalten werden kann, ein in Raten zurückzuzahlendes Darlehen sei seinem vollen Umfange nach zu versteuern, sofern seine letzte Rate nach Ablauf der Dreijahresfrist fällig wird. Dagegen läßt sich einwenden, daß unbestrittenermaßen eine Darlehnsgewährung durch einen Gesellschafter nur insoweit der Besteuerung gemäß § 3 KVStG unterliegt, als die Kapitalzuführung - mit den ausdrücklich genannten Beispielen der Kapitalerhöhung, weiterer Einzahlungen und Zubußen - durch die Sachlage geboten wäre, und daß anerkanntermaßen kurzfristige Darlehnsgewährungen nicht geeignet sind, eine solche Kapitalzuführung zu ersetzen. Daraus läßt sich mit beachtlichen Gründen folgern, daß auch bei einem in Raten zurückzuzahlenden Darlehen eine Besteuerung nach § 3 KVStG nur insoweit in Frage kommen sollte, als die Darlehnsmittel der Gesellschaft über eine nicht nur kurze Frist zur Verfügung stehen.
Aus diesem ernstlichen Zweifel heraus ist es geboten, den angefochtenen Steuerbescheid teilweise auszusetzen (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO). Länger als drei Jahre sind der Antragstellerin nur die zum 31. Dezember 1964, zum 31. Dezember 1965 und zum 31. Dezember 1966 fälligen Raten von je 520.000 DM belassen worden. Aus ihnen ergibt sich eine Steuer von 39.000 DM (§ 8 Nr. 5, § 9 Abs. 1 KVStG); hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrags war die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids bis zum Ergehen des Revisionsurteils auszusetzen.
Bei der vorstehenden Berechnung ist nicht zu verkennen, daß die zum 31. Dezember 1964 fällige Rate nur eine um annähernd eine Woche längere Laufzeit als drei Jahre hat. Es liegt jedoch im Wesen einer jeden Frist, mag sie vom Gesetzgeber ausdrücklich verfügt oder durch die Rechtsprechung aus dem Gesetz entnommen werden, daß sie harte Grenzen setzen kann. Ein Kulanzspielraum würde nur die Grenze verschieben und dadurch im nächsten Fall wiederum die Frage aufwerfen, ob die Frist noch weiter auszudehnen ist.
Aus diesem Grund braucht auch nicht Stellung genommen zu werden zu dem Standpunkt der Antragstellerin, es komme für § 3 Abs. 1 KVStG ebenso wie nach den Urteilen des BFH I 366/62 U vom 13. April 1965 (BFH 82, 466, BStBl III 1965, 416) und I 7/65 U vom 20. Juli 1965 (BFH 83, 333, BStBl III 1965, 620) für § 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG auf die mittlere Laufzeit des Kredits an. Denn diese beträgt entgegen der Meinung der Antragstellerin mehr als drei Jahre. Wäre nämlich der Vertrag erst am 31. Dezember 1961 geschlossen worden, so würde die mittlere Laufzeit genau drei Jahre betragen (bei gleich hohen Raten (1 + 2 + 3 + 4 + 5 : 5 = 15 : 5). Da er bereits am 22. Dezember 1961 geschlossen worden ist (auf dem auch die Berechnungen des FG - insoweit unwidersprochen - aufbauen), ist also die durchschnittliche Laufzeit des Kredits - wenn auch nur um ein geringes - länger als drei Jahre.
Durch die oben begründete teilweise Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids sind für dieses Verfahren auch die weiteren Einwendungen abgegolten, welche die Klägerin gegen die Steuerberechnung erhebt, oder die sich daraus ableiten lassen könnten, daß der Kapitalbedarf aus - wenn auch berichtigten - Ertragsbilanzen statt aus einer Vermögensbilanz errechnet ist.
Auch wenn man der Auffassung der Antragstellerin folgen wollte, daß sie als Dienstleistungsbetrieb nur einer geringeren als der sonst üblichen Kapitaldeckung bedürfe, so ist doch kein genügender Anhalt für ernstliche Zweifel dahingehend zu erkennen, daß der angefochtene Steuerbescheid aus diesem Grunde in weiterem Umfang rechtswidrig sein könnte, vorstehend aus anderen Gründen der Aussetzung der Vollziehung zugrunde gelegt worden ist.
Der weitergehende Antrag war demzufolge zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412635 |
BStBl III 1967, 492 |
BFHE 1967, 1 |
BFHE 89, 1 |