Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Auslegung von Art. 3 des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. 7. 1985
Leitsatz (NV)
1. Art. 3 des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. 7. 1985 enthält zwei Regelungen: zum einen die Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt, zum anderen die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung.
2. Die Streitwertrevision ist nur gegeben, wenn die gerichtliche Entscheidung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 4. 7. 1985 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist.
Normenkette
VGFGVfBeschlG Art. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, begehrte mit ihrer Klage vor dem Finanzgericht (FG), den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) zu verpflichten, den gegen sie erlassenen Körperschaftsteuerbescheid 1980 vom 29. Oktober 1982 zu ihren Gunsten zu ändern. Das FG wies die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 1985 (Verkündung der Entscheidung im Anschluß an die mündliche Verhandlung) ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, die Revision sei im Hinblick auf den Streitwert von über 10 000 DM zulässig. Die Übergangsvorschrift des Art. 3 des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1274) sei so anzuwenden, wie es den Anforderungen an die Grundsätze der formalen Klarheit und Bestimmtheit entspreche. Nach dieser Vorschrift richte sich u. a. die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 4. Juli 1985 geltenden Bestimmungen, wenn noch vor diesem Datum entweder der angefochtene Verwaltungsakt bekanntgegeben oder das angefochtene Urteil verkündet worden sei. Zwar sei das Urteil des FG erst am 29. Oktober 1985 verkündet, die Einspruchsentscheidung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1980 jedoch bereits am 29. Oktober 1982 erlassen und bekanntgegeben worden. Damit sei eine von zwei Voraussetzungen erfüllt, die nach dem insoweit klaren Wortlaut des Gesetzes unabhängig voneinander zur Anwendung des bisherigen Rechts anstelle der die Streitwertrevision ausschließenden Vorschrift des Art. 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit führten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht zulässig.
Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 - BFHEntlG - (BGBl I, 1861) i. d. F. des Gesetzes vom 4. August 1980 (BGBl I, 1147) fand abweichend von § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revision ohne Zulassung (nur) statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10 000 Deutsche Mark überstieg. Diese Vorschrift wurde mit Wirkung vom 17. Juli 1985 durch das Gesetz vom 4. Juli 1985 (BGBl I, 1247) dahin geändert, daß nunmehr, abweichend von § 115 Abs. 1 FGO, die Revision nur stattfindet, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Art. 3 des Gesetzes vom 4. Juli 1985 enthält als Übergangsvorschrift die Bestimmung, daß die Zuständigkeit des Gerichts über die Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt und die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung sich nach den bisher geltenden Vorschriften richten, wenn der Verwaltungsakt vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bekanntgegeben oder die Entscheidung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Liest man die Vorschrift des Art. 3 vollständig in ihrem Sinnzusammenhang, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß sie zwei Regelungen enthält, nämlich zum einen die Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt (Klage), zum anderen die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine gerichtliche Entscheidung (Revision). Der Satzteil, ,,wenn der Verwaltungsakt vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bekanntgegeben" worden ist, gilt nur für den Teil der Übergangsvorschrift, der die Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt betrifft. Für die Zulässigkeit der Revision ist der zweite Teil der Regelung (Zulässigkeit eines Rechtsmittels) maßgebend, in dem bestimmt wird, daß die bisherigen Vorschriften nur dann anwendbar sind, wenn die gerichtliche Entscheidung vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 4. Juli 1985 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist.
Da das finanzgerichtliche Urteil nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 4. Juli 1985 (17. Juli 1985), nämlich erst am 29. Oktober 1985, verkündet worden ist, gilt Art. 1 Nr. 5 BFHEntlG in seiner neuen Fassung.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen und der Nichtzulassungsbeschwerde nicht abgeholfen. Der erkennende Senat hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin mit Beschluß vom heutigen Tag Az. I B 4/86 zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 414720 |
BFH/NV 1987, 454 |