Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung, Verfahrensmangel, Kostenentscheidung
Leitsatz (NV)
1. Die bloße Umschreibung des Streitstoffes, der Hinweis auf ein FG-Urteil sowie die nicht weiter substantiierte Behauptung, die Rechtssache habe im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsanwendung grundsätzliche Bedeutung, genügen nicht den Anforderungen an das Darlegen der grundsätzlichen Bedeutung.
2. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Beteiligten grundsätzlich das Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern. Diesem Recht entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Beteiligten nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern bei seiner Entscheidung auch in Erwägung zu ziehen.
3. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung kann nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, die ein fachkundig vertretener Kläger selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, aber zu stellen unterlassen hat.
4. Legen der Kläger und das FA erfolglos Nichtzulassungsbeschwerde ein, so ist die Kostenentscheidung nach dem Maß des Unterliegens der beiden Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der zusammengerechneten Streitwerte zu treffen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3, § 96 Abs. 2, §§ 76, 136 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger, Beschwerdegegner und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Streitjahren 1986, 1987 und 1990 als Inhaber eines Unternehmens (Einzelfirma), dessen gesamtes Anlagevermögen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die S-GmbH verpachtet war, deren Anteile er zu 98 % hielt und deren alleiniger Geschäftsführer er war, gewerbliche Einkünfte. Zwischen der Einzelfirma und der S-GmbH bestand umsatzsteuerrechtlich ein Organschaftsverhältnis.
Im Rahmen einer Fahndungsprüfung wurde festgestellt, daß die S-GmbH fingierte Eingangsrechnungen der W-GmbH in Höhe von insgesamt 223 440 DM in 1986, 173 724 DM in 1987 und 707 022 DM in 1990 als Betriebsausgaben verbucht hatte. Die darin enthaltenen Vorsteuerbeträge wurden von der Einzelfirma geltend gemacht und der S-GmbH über Verrechnungskonten gutgeschrieben.
Die S-GmbH stellte nach Erhalt der Rechnungen Schecks aus, die der Geschäftsführer der W-GmbH, L, auf seinem Privatkonto einlöste. Im Anschluß daran händigte L dem Kläger Bargeldbeträge aus. Bei seiner Vernehmung als Beschuldigter im Rahmen der Fahndungsprüfung gab L an, er habe Bargeldbeträge in Höhe der Rechnungsbeträge abzüglich der ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge und abzüglich weiterer 10 v.H. der verbleibenden Nettobeträge ausgezahlt. Der Kläger gab dagegen an, von L weniger, nämlich insgesamt 578 000 DM, erhalten zu haben.
Der Beklagte, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA -) setzte in den Änderungsbescheiden jeweils verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe der Bruttorechnungsbeträge bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb an. Die Einsprüche des Klägers blieben insoweit ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage teilweise statt. Es führte zur Begründung aus, nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellten Kosten, die einem Gesellschafter entstünden, um sich verdeckte Gewinnausschüttungen zuzuführen, als "Zuführungskosten" Werbungskosten des Gesellschafters dar und minderten dessen Beteiligungsertrag i.S. des §20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die vom Kläger an L bezahlten "Provisionen" seien durch die Erzielung der als verdeckte Gewinnausschüttung qualifizierten Beteiligungserträge veranlaßt, da L ohne die entsprechenden Zahlungen nicht bereit gewesen wäre, die Scheinrechnungen auszustellen. Da der Kläger die Beteiligung an seiner Gesellschaft im Betriebsvermögen gehalten habe, seien gemäß §20 Abs. 3 EStG die entsprechenden Beteiligungserträge den gewerblichen Einkünften zuzurechnen und die Zahlungen als Betriebsausgaben zu behandeln (§4 Abs. 4 EStG). Hinsichtlich der Höhe der "Provisionen" sei von den Angaben des L bei seiner Vernehmung als Beschuldigter auszugehen.
Gegen das Urteil des FG haben das FA und der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Das FA macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend, ob der geldmäßige Aufwand, der dadurch entstanden sei, daß eine GmbH durch ihren Gesellschafter- Geschäftsführer im Rahmen eines Scheingeschäfts mit einem Dritten eine Rückflußregelung treffe, die dazu führe, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer geldmäßig -- um den Provisionsanspruch des Dritten gekürzt -- bereichert werde (verdeckte Gewinnausschüttung), auf der Ebene des Gesellschafters den Werbungskostenbegriff des §9 EStG erfülle.
Der Kläger rügt Verletzung rechtlichen Gehörs (Verstoß gegen §96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --) und unzureichende Sachaufklärung durch das FG (Verstoß gegen §76 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerden des FA und des Klägers sind unzulässig.
1. Das FA hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
Wird die Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) eingelegt, so ist in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. "Darlegen" erfordert substantiierte und konkrete Angaben darüber, weshalb die zu der Rechtsfrage zu treffende (Revisions-)Entscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Das bedeutet, daß der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen muß, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und gegebenenfalls in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom 21. August 1986 V B 46/86, BFH/NV 1987, 171; vom 28. März 1991 V B 118/89, BFH/NV 1992, 744; vom 7. August 1992 III B 146/91, BFH/NV 1993, 255). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert u.a. auch eine Auseinandersetzung mit den zu dieser Frage in der Rechtsprechung, im Schrifttum und ggf. von der Verwaltung vertretenen Auffassungen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluß vom 9. Februar 1996 VIII B 1/95, BFH/NV 1996, 617, m.w.N.).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdeschrift des FA nicht. Den Ausführungen läßt sich zwar als Rechtsfrage entnehmen, ob die Kosten eines zu einer verdeckten Gewinnausschüttung an den Gesellschafter führenden Scheingeschäfts der GmbH und einem Dritten, Werbungskosten des Gesellschafters sind. Das FA beschränkt sich jedoch im übrigen in der Beschwerdeschrift auf eine bloße Umschreibung des Streitstoffes, den Hinweis auf ein weiteres FG-Urteil sowie die nicht weiter substantiierte Behauptung, die Rechtssache habe im Hinblick auf eine einheitliche Rechtsanwendung grundsätzliche Bedeutung. Die Formulierung des FA, soweit ersichtlich sei die Frage bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, der BFH habe den Werbungskostenabzug derartiger Aufwendungen bisher lediglich in einem obiter dictum im Urteil vom 22. Februar 1989 (BStBl II 1989, 475) für möglich gehalten, genügt nicht den Anforderungen an das Darlegen der grundsätzlichen Bedeutung (BFH-Beschlüsse vom 12. Januar 1990 V B 24/89, BFH/NV 1990, 664; vom 6. Dezember 1995 II B 87/95, BFH/NV 1996, 555).
2. Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel in der durch §115 Abs. 3 Satz 3 FGO vorgeschriebenen Form bezeichnet.
a) Die formell ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) setzt voraus, daß der Beschwerdeführer schlüssig Tatsachen vorträgt, aus denen sich -- ihre Richtigkeit unterstellt -- ein Verfahrensmangel ergibt und ferner dartut, daß das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG auf ihm beruhen kann (BFH-Beschluß vom 3. Juni 1997 VIII B 69/96, BFH/NV 1997, 875, m.w.N.).
Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Beteiligten grundsätzlich das Recht, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern. Diesem Recht entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Beteiligten nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern bei seiner Entscheidung auch in Erwägung zu ziehen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §93 Anm. 1, m.w.N.).
Der Kläger hat weder schlüssig dargelegt, daß er sich zu bestimmten Punkten des Urteils nicht habe äußern können, noch hat er geltend gemacht, daß das FG bestimmte seiner Ausführungen nicht beachtet oder gewürdigt habe. Er trägt sogar vor, der vom Berichterstatter in der mündlichen Verhandlung vorgetragene wesentliche Inhalt der Akten sei mit dem Tatbestand der Vorentscheidung identisch. Dieser Tatbestand enthält den Hinweis auf eine vom Kläger vorgelegte Aufstellung, in der dieser die fingierten Rechnungsbeträge den Beträgen gegenübergestellt hat, die er tatsächlich erhalten haben will.
Unter diesen Umständen läßt das weitere Vorbringen des Klägers, während der mündlichen Verhandlung habe der Vorsitzende die unterschiedlichen Darstellungsweisen über den Umfang der zurückgeflossenen Beträge mit den Beteiligten nicht erörtert, nicht erkennen, warum der Kläger sich vor dem FG zur Höhe der zurückgeflossenen Beträge nicht hat äußern können. Daß das FG hinsichtlich der Höhe der Provisionen in vollem Umfang den Angaben des L gefolgt ist, kann die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht begründen. Denn damit wendet sich der Kläger gegen die Beweiswürdigung des FG, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist und deshalb nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein kann.
b) Die Rüge mangelnder Sachaufklärung (Verstoß gegen §76 FGO) ist vom Kläger ebenfalls nicht ausreichend dargelegt.
Soll mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden, das FG hätte von Amts wegen bestimmte Beweise erheben müssen, so muß der im Klageverfahren von einem Prozeßbevollmächtigten vertreten gewesene Beschwerdeführer darlegen, warum er nicht einen entsprechenden Antrag gestellt hat und wieso sich dem FG ohne entsprechenden Antrag eine weitere Sachverhaltsermittlung vom Amts wegen nach Lage der Akten hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH- Beschluß vom 11. Januar 1996 X B 92-93/95, BFH/NV 1996, 489, m.w.N.).
Die Ausführungen des Klägers genügen den genannten Anforderungen nicht. Er hat lediglich vorgetragen, dem FG sei durch die Gegenüberstellung der zurückgeflossenen Beträge deutlich gemacht worden, daß er bezüglich deren Höhe deutlich und nachdrücklich von der Auffassung des FA abweiche. Das FG hätte demnach nicht die Aussage des L in seiner Vernehmung als Beschuldigter als zutreffend unterstellen dürfen, sondern diesen als Zeugen vernehmen müssen. Warum er nicht von sich aus einen Antrag auf Vernehmung des L gestellt hat, hat er -- auch in seiner Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs -- nicht schlüssig dargelegt. Im übrigen kann die Sachaufklärungsrüge nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, die der fachkundig vertretene Kläger selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, aber zu stellen unterlassen hat (BFH-Beschluß vom 12. März 1996 VIII B 134/95, BFH/NV 1996, 691, m.w.N.).
3. Die Kostenentscheidung war nach dem Maß des Unterliegens der beiden Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der zusammengerechneten Streitwerte zu treffen (§136 Nr. 1 FGO; vgl. BFH-Beschluß vom 26. Juli 1988 VII B 82-83/88, BFH/NV 1989, 88, unter 4.).
4. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne weitere Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 154364 |
BFH/NV 1999, 478 |