Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Begründungsanforderungen; Voraussetzungen des § 16 GrEStG
Leitsatz (NV)
1. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist.
2. § 16 GrEStG erfordert sowohl die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts als auch die Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtsstellung des Veräußerers.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; GrEStG 1997 § 16
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 13.10.2004; Aktenzeichen 5 K 4322/02) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) kaufte im November 1997 ein Grundstück und verkaufte es im November 1998 weiter, und zwar nach seinen Angaben wegen nachträglich bekannt gewordener Mängel, deren Beseitigung er nicht habe finanzieren können. Seinen Antrag, die für den Grundstückskauf festgesetzte Grunderwerbsteuer wegen der Weiterveräußerung wieder aufzuheben, lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ab und verminderte im Klageverfahren lediglich die Bemessungsgrundlage der Steuer um den vom Veräußerer geleisteten Schadenersatz. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, § 16 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sei weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Der Kläger stützt seine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts. Der BFH habe noch nicht entschieden, ob in Fällen der vorliegenden Art in entsprechender Anwendung des § 16 GrEStG ein Anspruch auf Aufhebung der festgesetzten Grunderwerbsteuer bestehe. Diese Frage sei wegen des Vorliegens einer vergleichbaren Interessenlage zu bejahen. Es liege eine planwidrige Regelungslücke vor.
Das FA hält die Beschwerde für unzulässig.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger hat die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht hinreichend dargelegt.
1. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (BFH-Beschluss vom 1. September 2004 II B 156/03, BFH/NV 2005, 71).
2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hat sich mit der Rechtsprechung des BFH zu § 16 GrEStG nicht auseinander gesetzt und nicht begründet, warum danach eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf eine aus welchen Gründen auch immer erfolgte Weiterveräußerung des Grundstücks durch den Erwerber an einen Dritten in Betracht kommen könnte.
Wie der BFH bereits im Urteil vom 9. März 1994 II R 86/90 (BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413) ausgeführt hat, ist bei der Auslegung des § 16 GrEStG der systematische Zusammenhang zwischen den Steuertatbeständen des § 1 GrEStG und der gegenläufigen Vorschrift des § 16 GrEStG von maßgeblicher Bedeutung. Bei § 16 GrEStG handelt es sich nach dieser Entscheidung um eine am Besteuerungszweck orientierte Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG. Die bei Verwirklichung eines der Rechtsvorgänge des § 1 GrEStG entstandene Steuer entfällt im Grundsatz nach § 16 GrEStG dann wieder, wenn es zu den durch diese Rechtsvorgänge intendierten Grundstücksumsätzen tatsächlich (wirtschaftlich) nicht kommt oder es nicht auf Dauer bei ihnen verbleibt. Danach kann für die Tatbestände des § 16 GrEStG nicht nur auf die Aufhebung eines Rechtsvorgangs i.S. von § 1 GrEStG abgestellt werden, sondern muss auch dessen tatsächliche (wirtschaftliche) Rückgängigmachung verlangt werden. Zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber müssen alle Beziehungen tatsächlicher und rechtlicher Art, die von grunderwerbsteuerlicher Relevanz sind, beseitigt sein.
Der BFH hat diese Rechtsprechung seither immer wieder bestätigt und betont, dass § 16 GrEStG sowohl die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts als auch die Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtsstellung des Veräußerers erfordert. Der Erwerber darf die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück gegenüber dem Veräußerer nicht behalten (BFH-Urteil vom 19. März 2003 II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770; BFH-Beschlüsse vom 28. November 2003 II B 143/02, BFH/NV 2004, 368, und vom 19. Januar 2005 II B 27/04, BFH/NV 2005, 913, je m.w.N.).
Wie der BFH ferner bereits entschieden hat, führt eine Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nur unter den in § 16 GrEStG genau bezeichneten Voraussetzungen zum Entstehen eines --den ursprünglichen Steueranspruch bestehen lassenden, ihm aber materiell gegenläufigen-- Anspruchs auf Nichtfestsetzung der Steuer bzw. Aufhebung der Steuerfestsetzung (BFH-Beschluss vom 13. Mai 1992 II B 118/91, BFH/NV 1993, 326).
Der Kläger hat sich weder mit dieser Rechtsprechung noch mit der Literatur zu den Voraussetzungen des § 16 GrEStG auseinander gesetzt. Die Beschwerdebegründung genügt daher nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Fundstellen
Haufe-Index 1460431 |
BFH/NV 2006, 368 |