Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines Steuerbescheids gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977
Leitsatz (NV)
Wertet das FA einen Grundlagenbescheid unzutreffend aus, dann ist es verpflichtet, dies zu korrigieren, wenn es den Fehler anlässlich der Auswertung eines anderen Grundlagenbescheids bemerkt.
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 FGO.
Wird geltend gemacht, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), dann ist es nach der ständigen Rechtsprechung des BFH erforderlich, die tragenden Rechtssätze des angefochtenen Urteils und der (angeblichen) Divergenzentscheidung so herauszuarbeiten und gegenüber zu stellen, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird (BFH-Beschluss vom 30. April 2004 III B 90/03, juris, m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist auch darauf einzugehen, dass das Urteil des Finanzgerichts (FG) und die Divergenzentscheidung einen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt betreffen, weil nur dann eine Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gegeben sein kann (Senatsbeschluss vom 16. April 2002 X B 140/01, BFH/NV 2002, 1046).
a) Diesen Anforderungen entspricht der Vortrag des Klägers nicht, das FG habe die Rechtsprechung des BFH nicht berücksichtigt, wonach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) keine Wiederaufrollung der gesamten Steuerveranlagung rechtfertigt, sondern die Änderungsbefugnis nur so weit reicht, wie es die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids verlangt (BFH-Urteil vom 25. Juni 1991 IX R 57/88, BFHE 164, 502, BStBl II 1991, 821). Diese Vorschrift, so der Kläger, ermögliche deshalb auch nicht die Korrektur eines Fehlers, der dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) lediglich "gelegentlich" einer Anpassung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid unterlaufen sei (BFH-Urteil vom 15. Februar 2001 IV R 9/00, BFH/NV 2001, 1007).
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass das FG von einem hiervon abweichenden Rechtsstandpunkt ausgegangen ist. Er berücksichtigt insbesondere nicht, dass die vorstehend genannten Urteile des BFH zu Sachverhalten ergangen sind, in denen das FA Besteuerungsgrundlagen, die nicht Gegenstand eines Grundlagenbescheids waren, in dem Folgebescheid unzutreffend angesetzt hatte. Solche Fehler können nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 korrigiert werden, weil diese Vorschrift nur solche Änderungen eines Folgebescheids rechtfertigt, die der zutreffenden Umsetzung eines Grundlagenbescheids dienen. Demgegenüber hatte hier das FA zunächst einen den Kläger betreffenden Grundlagenbescheid unzutreffend ausgewertet, indem es abweichend von diesem Bescheid den Verlust in doppelter Höhe berücksichtigte. Diesen Fehler hat das FA anlässlich der Auswertung eines anderen, ebenfalls den Kläger betreffenden Grundlagenbescheids bemerkt und auf der Grundlage von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 korrigiert. Hierzu war das FA nach der ständigen Rechtsprechung des BFH nicht nur befugt, sondern verpflichtet (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1007, m.w.N.). Diese Anpassungspflicht statuiert das Gesetz, um einen Regelungswiderspruch zwischen Grundlagen- und Folgebescheid zu beseitigen. Sie besteht unbedingt und uneingeschränkt und kann durch eine unzutreffende Auswertung des Grundlagenbescheids nicht verbraucht werden (vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 175 AO 1977 Rdnr. 182, mit Nachweisen der Rechtsprechung).
b) Auch der Vortrag des Klägers, das FG habe zu Unrecht angenommen, die Befugnis des FA zu einer solchen Änderung sei nicht verwirkt, weil die Rechtsprechung des BFH in diesem Zusammenhang vor allem auf das Verhalten des Steuerpflichtigen und des FA und nicht in erster Linie darauf abstelle, welche Zeit bis zu der Änderung verstrichen sei (BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 89/74, BFHE 126, 130, BStBl II 1979, 121), genügt den Darlegungsanforderungen nicht. Der Kläger hat nicht dargetan, dass das FG von einem grundsätzlich anderen Ansatz ausgegangen ist. Ausweislich der Urteilsgründe (vgl. S. 5 des Urteils, 1. Absatz) war dies auch tatsächlich nicht der Fall. Das FG hat dort ausgeführt, eine Verwirkung setze zusätzlich --zu dem "Zeitmoment"-- ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten (des FA) und einen hierdurch geschaffenen Vertrauenstatbestand beim Verpflichteten (dem Kläger) voraus. Das FG ist mithin nicht in grundsätzlicher Hinsicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen. Es hat vielmehr in dem von ihm zu beurteilenden Einzelfall das Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen verneint und hierbei insbesondere hervorgehoben, es sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass die doppelte Berücksichtigung des Verlustes nur auf einem Versehen des FA beruhen konnte. Selbst wenn diese Beurteilung der Besonderheiten des Streitfalls --wofür wenig spricht-- fehlerhaft gewesen sein sollte, rechtfertigt dies allein nicht die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 55, m.w.N.).
Fundstellen