Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine PKH an gemeinnützigen Verein allein wegen der Pflicht, Mittel nur zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden
Leitsatz (NV)
- Ist eine Körperschaft nicht rechtsfähig, so ist sie als Träger von steuerlichen Rechten und Pflichten parteifähige Vereinigung i.S.d. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO.
- Auch eine gemeinnützige Körperschaft muß die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH erfüllen. Eine unterlassene Rechtsverteidigung läuft nicht bereits deshalb allgemeinen Interessen i.S.d. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuwider, weil sie ihre Mittel nur für steuerbegünstigte Zwecke verwenden darf.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 116 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
I. Der Antragsteller, ein Feuerwehrverein, ist Revisionsbeklagter im Verfahren ... und beantragt, ihm für das bezeichnete Verfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren, weil er ohne Gefährdung seiner gemeinnützigen Zwecke außerstande sei, die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Es sei einem Feuerwehrverein nicht zuzumuten, gemeinnützige Zwecke hintanzustellen, um die Kosten der Revision ggf. durch Spenden und Mitgliedsbeiträge aufzubringen und zu finanzieren.
Im übrigen handle es sich um einen Fall der notwendigen PKH, nachdem der Antragsteller, soweit die Revision reicht, in erster Instanz obsiegt habe. Erfolgsaussichten seien daher bei der Gewährung von PKH nicht zu prüfen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist abzulehnen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH liegen nicht vor.
1. Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Antragsteller ist als Beklagter im Revisionsverfahren "Partei" im Sinne dieser Vorschrift.
Die Auffassung des Antragstellers, es liege ein Fall "notwendiger" PKH vor, weil er in der ersten Instanz teilweise obsiegt habe, findet im Gesetz keine Stütze. Allerdings läßt sich aus dem Obsiegen in der ersten Instanz und aus den Gründen hierfür auf eine ausreichende Erfolgsaussicht i.S. des § 114 ZPO schließen.
2. Beantragt eine inländische juristische Person oder eine parteifähige Vereinigung PKH, so kann dem nur stattgegeben werden, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Der Antragsteller, ein nicht rechtsfähiger Verein, ist eine parteifähige Vereinigung in diesem Sinn, weil er als solcher Träger abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten ist und somit Steuerrechtsfähigkeit besitzt (vgl. z.B. Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 57 Rdnr. 8, m.w.N.).
Beantragt eine parteifähige Vereinigung PKH, so hat sie im einzelnen darzulegen, daß die Voraussetzungen des § 116 ZPO vorliegen. Auf den Streitfall bezogen hätte der Antragsteller darlegen müssen, daß die Kosten der Rechtsverteidigung weder von ihm noch von seinen Mitgliedern als wirtschaftlich Beteiligte aufgebracht werden können (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Januar 1988 VII S 16/87, BFH/NV 1988, 520; vom 29. September 1997 V S 11/96, BFH/NV 1998, 493). Der Antragsteller hätte ferner darlegen müssen, daß die --ohne Gewährung von PKH-- zu unterlassende Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Beides fehlt.
3. Die unterlassene Rechtsverteidigung würde allgemeinen Interessen nur zuwiderlaufen, wenn außer den an der Prozeßführung wirtschaftlich Beteiligten ein großer Personenkreis durch die Unterlassung der Rechtsverteidigung in Mitleidenschaft gezogen werden könnte (vgl. hierzu Gräber/Ruban, a.a.O., § 142 Rdnr. 10, m.w.N.). Allein die Tatsache, daß ein gemeinnütziger Verein im Falle seines Unterliegens die von ihm zu tragenden Prozeßkosten aus Spenden oder Mitgliedsbeiträgen finanzieren müßte, zieht die Allgemeinheit nicht derart in Mitleidenschaft, daß stets PKH zu gewähren wäre. Auch insoweit liegt --entgegen der Auffassung des Antragstellers-- kein Fall "notwendiger PKH" vor. Im übrigen sind die maximal auf den Antragsteller entfallenden Rechtsverteidigungskosten in Anbetracht des Streitwertes nicht so hoch, daß der Antragsteller in der Erfüllung seiner der Allgemeinheit dienenden Aufgaben merklich behindert wäre (maximaler Streitwert im Revisionsverfahren 3 467 DM; vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 1985 VII S 24/84, BFH/NV 1986, 425; vom 2. Oktober 1989 I B 55/89, BFH/NV 1990, 522). Die Aufgaben der freiwilligen Feuerwehr (Veranstaltungen von Feuerwehrfesten, Öffentlichkeitsarbeit, Mitgliederwerbung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1996 I R 16/96, BFHE 182, 195, BStBl II 1997, 361) lassen eine durch die Tragung von Prozeßkosten möglicherweise veranlaßte Beschränkung durchaus zu, ohne daß die Allgemeinheit hiervon erheblich berührt wäre. Die Sachlage im Streitfall ist insoweit nicht mit dem vom VII. Senat des BFH genannten Beispielsfall einer gemeinnützigen Stiftung vergleichbar (vgl. BFH-Beschluß vom 31. Juli 1973 VII R 125/71, BFHE 110, 176, BStBl II 1973, 851).
Die Entscheidung im PKH-Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.
Fundstellen
Haufe-Index 422499 |
BFH/NV 2000, 65 |