Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung gewerblicher Grundstückshandel - private Vermögensverwaltung; Vertrauensschutz; materielle Würdigung des Streitstoffs durch das FG kann nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden; Anforderungen an Aufklärungsrüge
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 15; AO 1977 § 163 Abs. 1, § 227 Abs. 1; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erwarb aufgrund notariell beurkundeten Vertrags vom 30. Juli 1986 zum Preis von 3 200 000 DM ein Grundstück in X, das sie am 13. November 1986 in Wohnungseigentum aufteilte. Am 28. November 1986 erteilte sie ihrem damaligen Ehemann, Herrn B, der vom Finanzgericht (FG) zum Klageverfahren beigeladen wurde (im Folgenden: Beigeladener), eine notariell beglaubigte Vollmacht, nach der dieser beliebig über die Wohnungseigentumsrechte ―einschließlich Belastung und Verkauf der einzelnen Wohnungen― verfügen konnte.
In Ausübung dieser Vollmacht veräußerte der Beigeladene für die Klägerin folgende Wohnungen aus dem Objekt:
1986: 4 Wohnungen
1987: 1 Wohnung
1988: keine
1989: 5 Wohnungen
1990: 5 Wohnungen
1991: die restlichen Wohnungen.
Am 21. November 1986 veräußerte die Klägerin selbst die Wohnung Nummer 19.
Die Klägerin erklärte für das Streitjahr 1987 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie den Gewinn aus dem Verkauf einer Wohnung als Spekulationsgewinn gemäß § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) bejahte dagegen das Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels und ermittelte für Zwecke der Gewerbesteuer unter Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen einen Gewerbeertrag von 86 900 DM, was zu einem einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag von 2 545 DM führte. Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage, die das FG im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückwies.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor:
Im Streitfall liege kein gewerblicher Grundstückshandel vor. Die ersten Wohnungen seien durch ihren ―früheren― Ehemann im Jahre 1986 veräußert worden, als die steuerliche Behandlung solcher Verkäufe höchstrichterlich noch nicht geklärt gewesen sei. Nach damaliger Auffassung der Finanzverwaltung sei im Allgemeinen gewerblicher Grundstückshandel nicht angenommen worden, wenn nicht mehr als sechs Objekte veräußert worden seien. So sei erklärlich, dass ihr Ehemann im Jahre 1986 den Veräußerungserlös als Spekulationsgewinn angesehen habe. Erst ab 1988 habe der Bundesfinanzhof (BFH) zur Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom gewerblichen Grundstückshandel die so genannte Drei-Objekt-Grenze aufgestellt, die die Finanzverwaltung mit einiger zeitlicher Verzögerung im Grundsatz akzeptiert habe.
Darüber hinaus stehe die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang mit dem BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 17/97 (BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306). In jenem Verfahren sei ―in Anbetracht der Grenze von vier Objekten― die Veräußerung des vierten Grundstücks kein rückwirkendes Ereignis dafür gewesen, die Steuerfestsetzung der zurückliegenden Jahre gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern. Im Streitfall sei das fünfte Objekt zu einem Zeitpunkt veräußert worden, als eine Drei-Objekt-Grenze weder durch die Rechtsprechung noch durch die Finanzverwaltung angenommen worden sei. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob wegen der Veräußerungen in 1986 überhaupt von einer gewerblichen Tätigkeit ausgegangen werden könne. Das bebaute Grundstück sei von ihrem Ehemann gekauft worden, um ihre Altersversorgung durch die Mieteinnahmen zu sichern. An einen Verkauf sei zunächst überhaupt nicht gedacht worden.
Ferner seien die Einkünfte unzutreffenderweise ihr selbst zugerechnet worden. Sie habe das Objekt auf Bitten ihres Mannes für diesen treuhänderisch erworben. Aufgrund der ihm erteilten Vollmacht habe dieser jederzeit beliebig über die Wohnungseigentumsrechte verfügen können und sei demnach jederzeit in der Lage gewesen, das Objekt auch auf sich zu übertragen. Soweit sie selbst Rechtshandlungen vorgenommen habe, habe sie dies "praktisch als Marionette des damaligen Ehemannes" getan. Sie sei geschäftlich völlig unerfahren, habe im Streitzeitraum Zwillinge aufziehen und darüber hinaus ihre schwerkranke Mutter pflegen müssen.
Zu Unrecht halte das FG ihre Einlassung für unglaubhaft, ihr früherer Ehemann habe alle entscheidenden Handlungen ohne ihr Wissen vorgenommen. Die Bewertung der eidesstattlichen Versicherung des damaligen Ehemannes und Beigeladenen durch das FG als reine Gefälligkeitsbescheinigung verstoße gegen § 416 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Das behauptete Treuhandverhältnis stehe auch nicht im Widerspruch dazu, dass die Klägerin und der Beigeladene die in ihrer Einkommensteuererklärung erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin zugerechnet hätten. Ihr sei nicht klar, ob ihr die betreffenden Einkommensteuererklärungen überhaupt bekannt und von ihr unterzeichnet worden seien; der damalige Ehemann habe ihre Unterschrift nachahmen können. Da das Gericht nicht abgeklärt habe, ob die Einkünfte in den Einkommensteuererklärungen tatsächlich ihr zugerechnet worden seien, habe das FG gegen seine Sachverhaltsermittlungspflicht verstoßen.
Die Klägerin beantragt, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.
1. Gründe für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO sind dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (BFH-Beschluss vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617).
aa) Zur Konkretisierung dieser Unterscheidung im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels hat der VIII. Senat des BFH mit Urteil vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82 (BFHE 148, 480, 483, BStBl II 1988, 244) die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt. Sie besagt, dass grundsätzlich kein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, sofern weniger als vier Objekte veräußert werden. Je geringer der Umfang von Anschaffungen und Veräußerungen ist, desto weniger ist anzunehmen, dass der Zweck der Vermögensmehrung durch Umschichtung (Ausnutzung substantieller Vermögenswerte) im Vordergrund steht. Eine zahlenmäßige Begrenzung auf drei Wohneinheiten trägt der gebotenen Vereinfachung Rechnung. Werden hingegen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs ―in der Regel fünf Jahre― zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf mindestens vier Objekte veräußert, kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die äußeren Umstände den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (BFH-Urteile vom 18. September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135, und vom 11. März 1992 XI R 17/90, BFHE 167, 401, BStBl II 1992, 1007).
bb) Diese Grundsätze hat der Große Senat des BFH erneut mit Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) bestätigt. Dem Vortrag der Kläger sind keine Anhaltspunkte für bisher in der BFH-Rechtsprechung nicht berücksichtigte Gesichtspunkte zu entnehmen, die ein erneutes Überdenken dieser Rechtsprechung erforderlich machen könnten.
b) Die Klägerin macht sinngemäß geltend, dass der Besteuerung der Grundsatz des Vertrauensschutzes entgegensteht. Auch dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Die rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Vertrauensschutzes sind durch die Rechtsprechung geklärt.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78 ff., jeweils m.w.N.) setzt die Anwendung des aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatzes des Vertrauensschutzes einen Tatbestand voraus, auf den der Steuerpflichtige vertraut und dementsprechend Dispositionen getroffen hat; hinzu kommen muss, dass dieses Vertrauen schutzwürdig ist. Auf dieser Grundlage hat der BFH entschieden, dass bei einer Verschärfung der bisherigen Rechtsprechung ggf. allgemeine Übergangs- oder Anpassungsregelungen aufgrund der §§ 163 Abs. 1 und 227 Abs. 1 AO 1977 ergehen müssen, um den Steuerpflichtigen im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung einen Steuervorteil zu erhalten oder um im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung getätigte Dispositionen nicht zu enttäuschen (vgl. BFH-Urteile vom 23. Februar 1979 III R 16/78, BFHE 127, 476, BStBl II 1979, 455; vom 28. November 1980 VI R 226/77, BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319). Dieser Vertrauensschutz wird darüber hinaus für den Fall als erforderlich angesehen, dass eine höchstrichterliche Entscheidung von einer bisher allgemein geübten Verwaltungsauffassung abweicht (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteil in BFHE 132, 264, BStBl II 1981, 319). Soweit er nicht durch eine allgemeine Billigkeitsregelung gewährt wird, muss ihm durch Einzelmaßnahmen Rechnung getragen werden (vgl. BFH-Entscheidungen vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 764; vom 12. Januar 1989 IV R 87/87, BFHE 155, 487, BStBl II 1990, 261).
bb) Für einen solchen Vertrauenstatbestand fehlt es im Streitfall ―angesichts Erwerbs und Veräußerung der Objekte nach 1985― an einer Vertrauensschutz begründenden, die Gewerblichkeit bei Veräußerung von mehr als drei Objekten verneinenden BFH-Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Juli 1998 X B 67/98, BFH/NV 1999, 167).
Denn nach den BFH-Urteilen vom 10. August 1983 I R 120/80 (BFHE 139, 386, BStBl II 1984, 137) und vom 8. August 1979 I R 186/78 (BFHE 129, 177, BStBl II 1980, 106) waren der Bau und der daran anschließende Verkauf von auch nur vier Eigentumswohnungen als mögliche gewerbliche Tätigkeit angesehen worden.
2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Abweichung des FG-Urteils von der BFH-Entscheidung in BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306 zuzulassen.
Diese Entscheidung enthält keine andere Auffassung zur Drei-Objekt-Grenze, sondern betrifft die Rechtsfrage, ob allein die nachträgliche Änderung der rechtlichen Beurteilung von mehreren Grundstücksveräußerungen ―nach früherer Verneinung eines gewerblichen Grundstückshandels― zu einer Änderung ergangener Bescheide nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 führen kann. Da der Streitfall keine solche Änderung eines früheren Bescheids, sondern allein den erstmaligen Erlass eines Gewerbesteuermessbetragsbescheides betrifft, liegt der angefochtenen FG-Entscheidung ersichtlich keine Abweichung von dem BFH-Urteil in BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306 zugrunde.
3. Eine Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil der behauptete Verfahrensmangel mangelnder Sachaufklärung (§ 76 FGO) ersichtlich nicht gegeben ist.
a) Die streitige Zurechnung der Einkünfte auf die Klägerin beruht entgegen ihrer Ansicht nicht darauf, dass das FG "nicht abgeklärt (habe), ob die Einkünfte in den Einkommensteuererklärungen tatsächlich ihr zugerechnet worden seien", sondern darauf, dass das FG der abweichenden Argumentation über die Notwendigkeit einer Zurechnung auf ihren Ehemann nicht gefolgt ist. Die diesbezüglichen Ausführungen des FG betreffen damit dessen materielle Würdigung des Streitstoffs, die mit der Verfahrensrüge i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht angegriffen werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Oktober 1998 X B 132/98, BFH/NV 1999, 510, m.w.N.).
b) Abgesehen davon erfüllt der Vortrag der Klägerin schon deshalb nicht die Anforderungen an eine Aufklärungsrüge, weil diese nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur zulässig erhoben ist, wenn sie ―anders als im Streitfall―
- die ermittlungsbedürftigen Tatsachen,
- die angebotenen Beweismittel,
- die ggf. übergangene Beweisanträge enthaltenden Sitzungsprotokolle und Schriftsätze,
- die Ursächlichkeit des Verfahrensfehlers für die FG-Entscheidung sowie
- das mögliche Ergebnis einer Beweisaufnahme
konkret bezeichnet (BFH-Beschluss vom 9. Februar 1993 V B 153/92, BFH/NV 1995, 601).
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen