Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wegen Vollstreckung
Leitsatz (NV)
1. Die vorsorglich gegen einen FG-Beschluß eingelegte Beschwerde ist wirksam.
2. Hat das FG in einem Beschluß zur Aussetzung der Vollziehung die Beschwerde nicht zugelassen, so ist die Beschwerde nicht statthaft.
3. Wird beim FG die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Einkommensteuerbescheiden beantragt, ist fraglich, ob ein solcher Antrag nicht zunächst an die Vollstreckungsbehörde hätte gerichtet werden müssen. Jedenfalls muß ein Anordnungsgrund oder Anordnungsanspruch dargelegt und glaubhaft gemacht werden.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3-4, §§ 114, 128; ZPO § 920 Abs. 1-2; BFHEntlG Art. 1 Nr. 3; AO 1977 § 258
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller), zusammenveranlagte Eheleute, sind an der Hausgemeinschaft A GbR in B beteiligt. In nach § 175 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheiden 1984 bis 1986 vom 29. September 1988 legte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die - auf rechtskräftigen Feststellungsbescheiden beruhenden - Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Hausgemeinschaft der Besteuerung zugrunde. Die gegen die Einkommensteuerbescheide erhobenen Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 20. Februar 1989, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 21. Februar 1989, als unbegründet zurück. Mit dem beim Finanzgericht (FG) am 22. März 1989 eingegangenen Schriftsatz vom 17. März 1989 erhoben die Antragsteller gegen die Einspruchsentscheidungen Klage. Sie sind der Auffassung, daß keine Vermietungseinkünfte anzusetzen seien, weil das Haus in B weder vermietet sei noch eigengenutzt werde. Zugleich mit der Klage beantragten die Antragsteller ,,die Zwangsvollstreckung aus den Feststellungsbescheiden vom 29. September 1988 einstweilen einzustellen". Über die Klage hat das FG noch nicht entschieden.
Mit Beschluß vom 27. April 1989 hat das FG den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung als unbegründet zurückgewiesen. Soweit die Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1986 vom 29. September 1988 begehren sollten, sei der Antrag unbegründet, weil die angefochtenen Einkommensteuerbescheide wegen verspäteter Klageerhebung bestandskräftig geworden seien. Sollte der Antrag als Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zur Einstellung der Zwangsvollstreckung angesehen werden, so könne er keinen Erfolg haben, da die Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hätten.
Gegen den Beschluß haben die Antragsteller am 5. Mai 1989 vorsorglich Beschwerde eingelegt. Sie tragen im wesentlichen vor, die Klage sei am Freitag, dem 17. März 1989, vor der Leerung um 16.45 Uhr in C in den Briefkasten geworfen worden. Wenn der Brief erst am 22. März 1989 bei Gericht eingegangen sein sollte, so bedeute dies eine Beförderungszeit von fünf Tagen, mit der sie nicht hätten zu rechnen brauchen. Die Feststellungsbescheide seien noch nicht rechtskräftig. Die Vollziehung würde für sie eine unbillige Härte bedeuten. Es sei dargelegt worden, daß aus dem Haus in B keine Einnahmen erzielt worden seien.
Die Antragsteller beantragen, die Zwangsvollstreckung aus den Feststellungsbescheiden für die Einkommensteuer und Kirchensteuer für die Jahre 1984 bis 1986 vom 29. September 1988 einstweilen einzustellen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Es trägt vor, die Antragsteller hätten bisher nicht vorgetragen, aus welchen Gründen eine einstweilige Anordnung zur Einstellung der Zwangsvollstreckung erlassen werden sollte. Es könne dahinstehen, ob die Vollstreckung gegen die Antragsteller unbillig oder aus sonstigen Gründen einzustellen wäre, da gegen sie nicht vollstreckt werde.
Entscheidungsgründe
Die vorsorglich eingelegte Beschwerde ist zwar wirksam eingelegt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. Mai 1965 VI 91/65, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 517). Sie kann jedoch keinen Erfolg haben.
Sollte sich die Beschwerde - wofür ihre Begründung spricht - gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1984 bis 1986 richten, so ist sie nicht statthaft. Nach Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) steht gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Das FG hat die Beschwerde nicht zugelassen. Es hat vielmehr in der Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen, daß sein Beschluß hinsichtlich des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung unanfechtbar ist.
Sollte sich die Beschwerde gegen die Ablehnung der einstweiligen Anordnung richten, so ist sie zwar statthaft (§ 128 Abs. 1 FGO) und fristgemäß eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der Senat läßt offen, ob den Antragstellern für ihren Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Einkommensteuerbescheiden 1984 bis 1986 nicht schon deshalb das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil Anträge auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung zunächst an die Vollstreckungsbehörde zu richten sind (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 258 AO Tz. 4) und außerdem das FA aus ihnen nicht vollstreckt. Die Beschwerde ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund dargelegt, geschweige denn, glaubhaft gemacht haben (vgl. § 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung).
Fundstellen
Haufe-Index 416659 |
BFH/NV 1990, 253 |