Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung, der Divergenz und der Notwendigkeit der Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts, kein Verfahrensfehler bei Übergehen eines Beweisantrags
Leitsatz (NV)
- Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache reicht die bloße Behauptung nicht aus, dass die Allgemeinheit ein Interesse an der Klärung einer Rechtsfrage habe.
- Zur Darlegung der Divergenz sind bestimmte Rechtssätze aus beiden Entscheidungen und deren Abweichungen voneinander darzustellen.
- Auch zur Darlegung des Zulassungsgrundes, dass eine Revisionsentscheidung zur Fortbildung des Rechts erforderlich sei, ist es notwendig, auf eine konkrete Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre Klärungsfähigkeit einzugehen.
- Ein Verfahrensfehler durch Übergehen eines Beweisantrags ist nicht gegeben, wenn es auf die Beweiserhebung nach Auffassung des Finanzgerichts nicht ankam.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ―HZA―) gewährte der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Wege der Vorfinanzierung Ausfuhrerstattung für Mais zur Stärkeherstellung, den sie im Juli 1995 in den Erstattungsveredelungsverkehr überführen ließ. Eine Teilmenge der daraus hergestellten Stärke meldete sie mit Ausfuhranmeldung vom 20. September 1995 zur Ausfuhr in die Türkei an. Ende Mai 1996 teilte das HZA der Klägerin mit, dass das Kontrollexemplar (KE) bislang nicht eingegangen sei. Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 28. August 1996 die Anerkennung gleichwertiger Unterlagen unter Verlängerung der Vorlagefrist mit der Begründung: Sie habe zwischenzeitlich ein KE-Duplikat erstellt und dieses Anfang Juli 1996 zwecks Beglaubigung an die zuständige Ausgangszollstelle in Triest gesandt. Sie habe damit alles in ihrer Macht Stehende getan, das beglaubigte KE-Duplikat zu beschaffen.
Gleichwohl forderte das HZA mit dem angefochtenen Erstattungsbescheid vom 15. Juli 1997 die im Wege der Vorfinanzierung gewährte Erstattung zuzüglich eines Zuschlags von 20 % ―insgesamt … DM― unter gleichzeitiger Ablehnung der Anträge auf Anerkennung gleichwertiger Unterlagen und Verlängerung der Vorlagefrist zurück. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Voraussetzungen für eine Rückforderung der vorfinanzierten Ausfuhrerstattung zuzüglich eines Zuschlags von 20 % nach "Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2" der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 351/1) seien gegeben. Die Klägerin habe bezüglich der in Rede stehenden Teilmenge der Stärke keinen Anspruch auf die Ausfuhrerstattung, weil sie die Ausfuhr dieser Teilmenge nicht nachgewiesen habe. Der Nachweis der Ausfuhr innerhalb von 60 Tagen nach Annahme der Ausfuhranmeldung sei durch das ordnungsgemäß ausgefüllte Original des KE zu erbringen. Dieses sei ―neben anderen Unterlagen― innerhalb der in Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 genannten Frist dem HZA einzureichen. Diese Frist ebenso wie die Nachfrist des "Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 Gedankenstrich 2 VO Nr. 3665/87" habe die Klägerin unstreitig nicht eingehalten.
Die Anerkennung höherer Gewalt, weil die Klägerin an der Einreichung des KE durch die unzulängliche Arbeitsweise einer Verwaltungsbehörde gehindert worden sei, scheide aus, weil die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, die Anerkennung gleichwertiger Unterlagen ggf. unter Verlängerung der Vorlagefrist nach Art. 47 Abs. 4, 5 VO Nr. 3665/87 zu beantragen. Diesen Antrag habe die Klägerin zwar gestellt, das HZA habe ihm aber mit Recht nicht entsprochen mit der Folge, dass sich die Klägerin im Hinblick auf die Vorlagefrist des Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 nicht auf höhere Gewalt berufen könne. Denn nach Art. 47 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 könne der Ausführer die Anerkennung von Ersatzdokumenten nur verlangen, wenn das in Art. 6 VO Nr. 3665/87 erwähnte Original-KE binnen drei Monaten vom Tag seiner Ausstellung an aus vom Ausführer nicht zu vertretenden Gründen nicht an die Ausgangszollstelle zurückgelangt ist. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass das KE der italienischen Ausgangszollstelle überhaupt vorgelegt worden sei. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin Kenntnis davon gehabt habe, dass es immer wieder Schwierigkeiten bei Rücksendung von KE durch das Zollamt Triest gegeben habe, hätte sie den von ihr beauftragten Frachtführer anhalten müssen, sich von der italienischen Ausgangszollstelle eine Eingangsbescheinigung nach Art. 484 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 253/1) in der damals geltenden Fassung ausstellen zu lassen. Das habe sie aber nicht getan.
Das vorgelegte Beförderungspapier und der Zahlungsnachweis könnten ebenso wie das KE-Duplikat nicht als dem KE gleichwertige Unterlagen anerkannt werden, weil dies nach Art. 47 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 ―i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 1525/92 der Kommission vom 12. Juni 1992 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 … (ABlEG Nr. L 160/7)― nur möglich sei, wenn das Original-KE aus Gründen nicht an die Abgangszollstelle zurückgelangt sei, die der Ausführer nicht zu vertreten habe. In Bezug auf das KE-Duplikat komme hinzu, dass das Zollamt Triest mitgeteilt habe, das Original-KE sei ihm nicht vorgelegt worden.
Ihre Nichtzulassungsbeschwerde stützt die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) und einen Verfahrensfehler, auf dem das Urteil beruhe (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet, weil die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Sache und die Notwendigkeit einer Revisionsentscheidung zur Fortbildung des Rechts nicht hinreichend dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) und der gerügte Verfahrensmangel nicht vorliegt.
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. Dazu gehört, dass eine konkrete Rechtsfrage gestellt und auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingegangen wird (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Rechtsfrage handeln (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676). Dass die angestrebte Revisionsentscheidung Auswirkungen auf eine Vielzahl von Fällen hätte, begründet die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allein noch nicht (BFH, Beschluss vom 3. Mai 1994 VII B 22/94, BFH/NV 1995, 79). Ferner sind zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache Angaben dazu erforderlich, inwiefern die Frage klärungsbedürftig ist (vgl. BFH, Beschluss vom 21. August 1986 V B 46/86, BFH/NV 1987, 171) und dass sie auf Grund der Feststellungen des FG, an die der BFH gebunden ist, klärungsfähig ist (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 18. Januar 1995 VIII B 41/94, BFH/NV 1995, 807). Diese Anforderungen gelten nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. Beschluss vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51) unverändert auch nach der Neufassung der FGO (Bekanntmachung vom 28. März 2001, BGBl I 2001, 442).
Das Beschwerdevorbringen der Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht.
a) Für von grundsätzlicher Bedeutung hält die Klägerin die Rechtsfrage, wie der Begriff "aus vom Ausführer nicht zu vertretenden Gründen" auszulegen ist. Für die Darlegung des Interesses der Allgemeinheit an der Klärung dieser Rechtsfrage reicht die bloße Behauptung nicht aus, dass die Allgemeinheit ein Interesse daran habe zu erfahren, welche Voraussetzung der Exporteur erfüllen müsse, wenn er einen Anspruch darauf haben wolle, dass die zuständige Dienststelle andere gleichwertige Unterlagen als Nachweis für das Verlassen des Gebiets der EU anerkenne. Insoweit hätte die Klägerin wenigstens begründen müssen, weshalb die Auffassung des FG Bedenken begegnet, dass das Tatbestandsmerkmal "aus vom Ausführer nicht zu vertretenden Gründen" im Streitfall nicht erfüllt sei, weil die Klägerin nicht habe nachweisen können, dass das KE der Ausgangszollstelle überhaupt vorgelegt worden sei. Diese Auseinandersetzung mit der Meinung der Vorentscheidung bleibt die Klägerin jedoch schuldig.
b) Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Sache aus der Divergenz der Vorentscheidung zu dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 18. März 1993 Rs. C-50/92 (EuGHE 1993, I-1035 ff.) herleiten möchte, fehlt es zur ausreichenden Bezeichnung der Divergenz an der Herausarbeitung abstrakter Rechtssätze aus beiden Urteilen und der Darstellung ihrer Abweichung voneinander. Nach Meinung des FG kommt es zudem auf die Auslegung des Begriffs der "höheren Gewalt" (Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87) als Grund für den nicht fristgemäßen Eingang des KE-Duplikats nicht an, weil die Vorlage des KE-Duplikats nach Meinung des FG ohnehin nicht ausgereicht hätte. Dies deshalb, weil die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass sie das Original-KE bei der Ausgangszollstelle vorgelegt hat und es deswegen möglich sein könnte, dass sie die Nichtrücksendung des Original-KE nicht zu vertreten hat (siehe bereits die vorstehenden Ausführungen unter Buchst. a).
c) Die Klägerin meint schließlich, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil ihrem Antrag auf Anerkennung gleichwertiger Unterlagen nicht stattgegeben worden sei. Insoweit fehlt es zur ausreichenden Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung schon an der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage.
2. Hinsichtlich der vorstehend unter Nr. 1 Buchst. a bis c genannten Gründe meint die Klägerin, dass die Revision auch zur Fortbildung des Rechts zuzulassen sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Da es jedoch auch insoweit nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich ist, auf eine konkrete Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre Klärungsfähigkeit einzugehen und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung darzustellen, wird die bloße Aussage, dass der Begriff "aus vom Ausführer nicht zu vertretenden Gründen" bisher noch nicht höchstrichterlich ausgelegt worden sei, den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung des Zulassungsgrundes nicht gerecht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Begriff "höhere Gewalt" (Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87) einen anderen Inhalt hat als der Begriff "aus vom Ausführer nicht zu vertretenden Gründen" (Art. 47 Abs. 3 VO Nr. 3665/87). Davon geht auch das FG aus.
3. Die Revision ist schließlich nicht wegen des von der Klägerin gerügten Verfahrensfehlers zuzulassen. Die Klägerin sieht den Verfahrensfehler zu Unrecht darin, dass das FG den von ihr in der Beschwerdebegründung näher bezeichneten Beweisantrag übergangen habe. Denn auf diesem angeblichen Verfahrensfehler beruht die Vorentscheidung nicht. Mit dem angebotenen Zeugenbeweis hätte die Klägerin beweisen wollen, dass das KE-Duplikat nach Triest geschickt worden sei und dass der Zeuge mehrfach die Bestätigung der Ausfuhr des in Rede stehenden Erzeugnisses auf dem KE-Duplikat angefordert habe. Darauf kam es aber nach Auffassung des FG nicht an, weil die Vorlage des KE-Duplikats als Ersatzbeleg ohnehin nicht ausgereicht hätte (siehe dazu oben unter Nr. 1 Buchst. a und b).
Fundstellen