Entscheidungsstichwort (Thema)
Abziehbarkeit von Zahlungen aufgrund einer Vermögensübertragung von Eltern auf ihre Kinder
Leitsatz (NV)
Übertragen die Eltern ihr aus einer Metzgerei sowie einem Wohn- und Geschäftshaus bestehendes Vermögen gegen wiederkehrende, lebenslängliche Zahlungen auf den Sohn, ist ernstlich zweifelhaft, ob der Sohn die Zahlungen als Leibrente nur mit dem Ertragsanteil oder als dauernde Last in voller Höhe als Sonderausgaben abziehen kann.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a; FGO § 69
Tatbestand
Die Kläger und Antragsteller (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Vater des Klägers betrieb in einem ihm gehörenden Wohn- und Geschäftshaus eine Metzgerei. Durch notariellen Vertrag vom 29. Dezember 1977 schenkte der - damals 65 Jahre alte - Vater seinem Sohn diesen Grundbesitz. An einer Wohnung behielt der Vater sich und seiner Ehefrau ein Nießbrauchsrecht vor.
Ferner übertrug der Vater durch privatschriftlichen Vertrag vom 29. Dezember 1977 seine Metzgerei zum 1. Januar 1978 auf den Kläger gegen Zahlung einer lebenslänglichen monatlichen Rente an die Eltern von . . . DM. Beim Tod eines Elternteils sollte sich die Rente um 1/3 ermäßigen. Bei einer Änderung des Gesamtlebenshaltungskostenindexes war die Rente entsprechend anzupassen.
In einer Anlage zum Vertrag legten die Beteiligten Leistung und Gegenleistung wie folgt fest: . . .
Im Kapitalkonto war der Buchwert des als notwendiges Betriebsvermögen bilanzierten Grundstücksanteils von . . . DM enthalten. Änderungen des Kapitalkontos zum 31. Dezember 1977 sollten durch Entnahmen oder Einlagen auszugleichen sein. Als Teilwert der Anlagegegenstände war der ,,Neuwert" angenommen worden. Das tatsächlich übertragene Kapitalkonto betrug . . . DM. Der Vater hatte am 30. und 31. Dezember 1977 Barmittel in Höhe von . . . DM entnommen, die jedoch später nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung ausgeglichen wurden.
Ferner schloß der Vater mit dem Kläger am 29. Dezember 1977 einen ,,Beratervertrag". Danach sollte der Vater auf Lebenszeit den Kläger gegen eine monatliche Vergütung von . . . DM in allen kaufmännischen und handwerklichen Fragen des Metzgereibetriebs beraten. Der Vater sollte seine Tätigkeit frei ausüben können und nicht an Dienstzeiten oder Weisungen des Klägers gebunden sein. Die Beraterbezüge des Vaters waren der wirtschaftlichen Entwicklung des Metzgereibetriebs anzupassen. Der Kläger konnte den Vertrag nicht kündigen. Der Vater wurde bevollmächtigt, mit Kunden und Lieferanten alle Geschäfte des laufenden Verkehrs abzuschließen.
Der Kläger buchte die Rentenzahlungen sowie das Beratungshonorar als betrieblichen Aufwand.
Der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) erließ dementsprechend Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide für 1978 und 1979.
Aus der Geschäftsübertragung und aus dem Beratervertrag machte der Kläger bei den Umsatzsteuerveranlagungen 1978 und 1979 Vorsteueransprüche geltend, denen das FA ebenfalls entsprach.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung behandelte das FA - den Feststellungen des Betriebsprüfers folgend - die Betriebsübertragung als eine Schenkung unter Auflage, weil Leistung und Gegenleistung nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen worden seien. Auch sei der Übertragungsvertrag in sich nicht schlüssig, weil im Eigenkapital der aktivierte Grundstücks- und Gebäudewert enthalten sei. Laut Präambel zum Übertragungsvertrag sei jedoch eindeutig festgelegt worden, daß Grund und Boden und Gebäude unentgeltlich auf den Kläger übergehen. Den Beratervertrag sah das FA im wesentlichen wegen der lebenslänglichen Zahlung und der Unkündbarkeit als Zusage einer privaten Versorgungsleibrente an.
Das FA berücksichtigte daher die Rentenzahlungen an die Eltern und die Beratungshonorare an den Vater nicht mehr als Betriebsausgaben, sondern - nur mit einem Ertragsanteil - als Sonderausgaben. Die Einkommensteuer- und Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide 1978 und 1979 wurden entsprechend geändert.
Die Vorsteueransprüche aus der Betriebsübertragung und dem Beratervertrag erkannte das FA in den ebenfalls geänderten Umsatzsteuerbescheiden 1978 und 1979 nicht mehr an.
Einspruch und Klage der Kläger waren erfolglos.
Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision hat der Senat durch Beschluß vom heutigen Tage die Revision hinsichtlich der Einkommensteuer 1978 und 1979 im Hinblick auf den Vorlagebeschluß des Senats vom 25. April 1990 X R 38/86 (BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625) zugelassen.
Mit ihrem nach Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellten Antrag nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begehren die Kläger, die Vollziehung der Steuerbescheide 1978 bis 1982 auszusetzen, soweit die Steuern darauf beruhen, daß das FA die Zahlungen nicht als betrieblich veranlaßt anerkannt hat.
Das FA ist unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) der Auffassung, daß eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht kommt.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig, soweit er sich auf Steuerbescheide für die Jahre 1980 bis 1982 bezieht.
Die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO kann nur das Gericht der Hauptsache oder der Vorsitzende eines Senats des Gerichts der Hauptsache anordnen. Gericht der Hauptsache ist der Bundesfinanzhof (BFH) aber nur hinsichtlich der der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Streitjahre 1978 und 1979. Für die Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide 1980 bis 1982 ist nicht der BFH, sondern das FA oder - sofern schon Klagen anhängig sind - das FG zuständig.
2. Der Antrag der Kläger auf Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide 1978 und 1979 ist teilweise begründet.
Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheids auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß die Zahlungen des Klägers an die Eltern bzw. den Vater nicht betrieblich veranlaßt sind. Eine Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheide 1978 und 1979 kommt daher nicht in Betracht.
Bedenken bestehen jedoch gegen die Einkommensteuerbescheide 1978 und 1979, soweit FA und FG die Zahlungen aufgrund des Betriebsübertragungsvertrages und des Beratervertrages nur mit dem Ertragsanteil zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen haben. Nach Auffassung des Senats sind bei einer Übertragung des gesamten Vermögens gegen Versorgungsleistungen die Versorgungsleistungen in voller Höhe als dauernde Last abziehbar. Zur Begründung verweist der Senat auf seinen Vorlagebeschluß in BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625. Insoweit kommt eine Aussetzung in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 417563 |
BFH/NV 1991, 388 |