Entscheidungsstichwort (Thema)
Besorgnis der Befangenheit bei Spannungsverhältnis zwischen Richter und Prozessbevollmächtigtem
Leitsatz (NV)
- Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten, die in Verfahren anderer Kläger zwischen dem Prozessbevollmächtigten und einem Richter aufgetreten sind, können eine Besorgnis der Befangenheit des Richters gegenüber den durch diesen Prozessbevollmächtigten vertretenen Klägern des vorliegenden Verfahrens nur dann begründen, wenn eine ablehnende Einstellung des Richters auch im vorliegenden Verfahren in Erscheinung getreten ist.
- Sachliche Meinungsverschiedenheiten in Fragen der richterlichen Prozessführung lassen allein nicht auf eine ablehnende Einstellung des Richters schließen.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben eine beim … Senat des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf anhängige Klage erhoben. Berichterstatter dieses Verfahrens ist der Vorsitzende Richter am FG A. Am 16. Juni 2000 fand ein Erörterungstermin vor dem Vorsitzenden Richter A als dem Berichterstatter statt. Ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger eine Frist zur Stellungnahme bis spätestens Ende Juli 2000 eingeräumt.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2000 lehnten die Kläger den Richter am FG B, der Mitglied des selben Senats ist, als befangen ab. Sie begründeten ihre Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters B mit den Ablehnungsgesuchen in zwei anderen Verfahren. An diesen Verfahren sind die Kläger nicht beteiligt. Richter am FG B erklärte sich in einer dienstlichen Äußerung vom 29. Juni 2000 nicht für befangen. Den Klägern war eine Frist zur Stellungnahme zu dieser Äußerung bis zum 5. September 2000 eingeräumt worden.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2000 wurde ―ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters B― das Verfahren dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Dieser beraumte mit Verfügung vom 31. Juli 2000 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 17. August 2000 an. Mit Schriftsatz vom 16. August 2000, der am selben Tage beim FG einging, lehnten die Kläger den Vorsitzenden Richter A als befangen ab:
- Sie verwiesen auf den Ablehnungsantrag, den ihr Prozessbevollmächtigter in einem anderen Verfahren gestellt habe. Auch wenn sie selbst an dem Verfahren nicht beteiligt seien, ergebe sich aus diesem Ablehnungsantrag, dass der Vorsitzende Richter A ihrem Prozessbevollmächtigten und seiner Partei gegenüber als befangen anzusehen sei.
- Der Vorsitzende Richter A habe in dem Erörterungstermin am 16. Juni 2000 eine Frist bis Ende Juli eingeräumt, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass der Urlaub ihres Prozessbevollmächtigten am 15. Juli 2000 beginne. Er habe bereits im Erörterungstermin eine kurzfristige Terminierung der mündlichen Verhandlung angekündigt, falls keine Stellungnahme eingehe. Im Hinblick auf § 43 der Zivilprozeßordnung (ZPO) sei ihnen eine Stellungnahme jedoch nicht möglich gewesen, solange noch nicht über das Ablehnungsgesuch gegen Richter B entschieden worden sei. In dem Beschluss vom 21. Juli 2000 sei der Name des Einzelrichters, auf den der Rechtsstreit übertragen worden sei, nicht genannt worden.
- Fristsetzung und Terminierung im vorliegenden Verfahren begründeten die Vermutung, dass ein faires Verfahren nicht zu erwarten sei.
Der Prozessbevollmächtigte kündigte in seinem Ablehnungsgesuch an, den Termin für die mündliche Verhandlung am 17. August 2000 nicht wahrzunehmen, da er auf Grund des Befangenheitsantrages gehindert sei, Prozesshandlungen vorzunehmen.
Der Vorsitzende Richter A erklärte in seiner dienstlichen Äußerung vom 17. August 2000, er sei nicht befangen. Mit Beschluss vom 24. August 2000 lehnte das FG ―ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter― das Ablehnungsgesuch ab.
Zur Begründung ihrer dagegen eingelegten Beschwerde machen die Kläger unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ergänzend geltend, ihr Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter A sei entgegen den Bedenken, die der Senat in dem angefochtenen Beschluss geäußert habe, zulässig, auch wenn es sich auf Verhalten in anderen Verfahren stütze. Denn das Verhalten in diesen Verfahren lasse sie befürchten, dass der abgelehnte Richter nicht unparteiisch entscheiden werde. Der Hinweis des Senats, das Ablehnungsgesuch habe der Prozessverschleppung gedient, entspreche nicht den Tatsachen. Auch der Zeitpunkt, zu dem das Verfahren auf den Einzelrichter übertragen worden sei, sei zu beanstanden. Denn die Übertragung sei nicht vor dem Erörterungstermin, sondern nach dem Ablehnungsgesuch gegen den Richter B erfolgt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hat keine Stellungnahme zur Sache abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO setzt die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 21. September 1977 I B 32/77, BFHE 123, 305, BStBl II 1978, 12; vom 30. August 1989 IX B 82/89, BFH/NV 1990, 317; vom 16. Dezember 1996 I B 100/94, BFH/NV 1997, 369). Durch das Institut der Richterablehnung sollen die Beteiligten vor Unsachlichkeit geschützt werden. Es ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, gleichgültig, ob diese Ansichten formelles oder materielles Recht betreffen (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 1974 VIII B 29/74, BFHE 112, 457, BStBl II 1974, 638; vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708; in BFH/NV 1997, 369).
2. Bei Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze rechtfertigen die von den Klägern vorgetragenen Gründe nicht die Besorgnis der Befangenheit.
Die Kläger stützen ihr Befangenheitsgesuch zu Unrecht auf ein Verhalten des abgelehnten Richters in anderen Verfahren,
an denen sie selbst nicht beteiligt sind oder waren. Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Prozessbevollmächtigten und dem abgelehnten Richter, die in anderen Verfahren des Prozessbevollmächtigten zutage getreten sind, können nur dann eine Besorgnis der Befangenheit in dem konkreten Verfahren begründen, wenn eine ablehnende Einstellung auch in diesem Verfahren in Erscheinung getreten ist; sachliche Meinungsunterschiede in Fragen der richterlichen Prozessleitung reichen dafür aber nicht aus (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozeßordnung, 22. Aufl., § 42 Rn. 13). Im Streitfall haben die Kläger weder in ihrem Befangenheitsgesuch noch in der Beschwerdebegründung Umstände dargelegt, die im vorliegenden Verfahren in Erscheinung getreten sind und aus denen sich eine Voreingenommenheit oder unsachliche innere Einstellung ihnen oder ihrem Prozessbevollmächtigten gegenüber ableiten ließe.
Die vom abgelehnten Richter gesetzte Frist zur Stellungnahme und die Terminierung der mündlichen Verhandlung, bei der die Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewahrt wurde, waren nicht unangemessen. Allein die Tatsache, dass der Prozessvertreter ab dem 15. Juli 2000 einen Urlaub geplant hatte, lässt die Frist im Hinblick darauf, dass sie bereits am 16. Juni 2000 gesetzt worden ist, nicht als zu kurz erscheinen. Es wäre Sache der Kläger gewesen, eine Fristverlängerung oder eine Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung (§ 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO) zu beantragen und substantiiert konkrete sachliche Gründe dafür darzulegen, weshalb die gesetzte Frist nicht ausreiche. Dass der Prozessvertreter der Kläger auf Grund eines Rechtsirrtums meinte, wegen der Befangenheitsgesuche daran gehindert zu sein, einen Antrag auf Fristverlängerung oder auf Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung stellen zu können, kann nicht eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters begründen.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb allein der Zeitpunkt, zu dem das Verfahren auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden ist, für eine Voreingenommenheit oder unsachliche Einstellung sprechen könnte. Gleiches gilt für den Umstand, dass in dem Beschluss, durch den das Verfahren auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden ist, der Name des Einzelrichters nicht genannt ist. Durch diese Vorgehensweise stellt das FG sicher, dass die Übertragung von der Funktion als Berichterstatter abhängen soll und nicht an die Person des Richters gebunden ist, der im Zeitpunkt der Übertragung Berichterstatter ist. Darüber hinaus war den Klägern bzw. ihrem Prozessvertreter die Person des Berichterstatters auf Grund des vorangegangenen Erörterungstermins auch bekannt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat unter Hinweis auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung gemäß § 113 Abs. 2 Satz 3 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 602779 |
BFH/NV 2001, 1126 |