Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsbegründung erfordert sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des FG-Urteils
Leitsatz (NV)
1. Die Revision ist unzulässig, wenn die Revisionsbegründung keine sachliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der Vorentscheidung enthält, aus denen sich eine Verletzung des materiellen oder des Verfahrensrechts ergibt.
2. Eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung liegt nicht vor, wenn die mit der Revision angestellten rechtlichen Überlegungen nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt als auch nach feststehenden steuerrechtlichen Grundsätzen offensichtlich ausgeschlossen sind. In diesem Fall kann nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden, das FG habe sachliches Recht verletzt, weil es auf derartige Überlegungen nicht eingegangen ist; eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem konkreten Gegenstand des Rechtsstreits liegt nicht vor.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Baugeschäft in A. Er übernahm als Subunternehmer der U.-GmbH im Jahr 1972 die Maurerarbeiten bei der Errichtung des X-Gebäudes der Gemeinde B. In der Zeit bis März 1974 erhielt der Kläger von der U.-GmbH Anzahlungen in Höhe von . . . DM. Infolge des Konkurses der U.-GmbH im Jahr 1974 konnte der Kläger nach seinen Angaben Leistungen in Höhe von ca. . . . DM nicht mehr verrechnen. Da der Kläger selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, schloß er mit seinen Gläubigern (mit Ausnahme u. a. des Beklagten und Revisionsbeklagten - Finanzamt (FA) -) einen außergerichtlichen Vergleich, in dem die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichteten.
Das FA bezog die von der U.-GmbH geleisteten Abschlagszahlungen in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer 1974 ein. Der Umsatzsteuerbescheid 1974 ist bestandskräftig. Dem Antrag des Klägers, die sich aus den Abschlagszahlungen ergebende Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM zu erlassen, wurde - im Rahmen der Beschwerdeentscheidung - lediglich in Höhe von . . . DM wegen persönlicher Unbilligkeit stattgegeben. Die Klage, mit der der Kläger auch den Erlaß des Restbetrages von . . . DM begehrte, hatte keinen Erfolg.
Die Klageabweisung begründete das Finanzgericht (FG) damit, daß den betrieblichen und persönlichen Vermögensverhältnissen des Klägers durch den Erlaß der . . . DM ausreichend Rechnung getragen worden sei. Sachliche Unbilligkeit insbesondere im Hinblick auf die Erhebung der Umsatzsteuer aus einer Abschlagszahlung verneinte das FG unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. November 1983 V R 91/80 (BFHE 139, 319, BStBl II 1984, 120).
Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers, mit der er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer 1974 in Höhe von . . . DM im Billigkeitsweg zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Sie ist nicht ordnungsgemäß begründet (§ 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und war deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO müssen die Revisionsbegründung oder die Revision die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Dies bedeutet, daß unter genauer Anführung von Tatsachen schlüssig dargelegt werden muß, daß und mit welchem Verfahrensmangel die angefochtene Vorentscheidung behaftet ist. Zur ordnungsgemäßen Begründung eines Verfahrensmangels gehört auch die Darlegung, inwieweit das Urteil auf diesem Mangel beruht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Soweit die Revision auf Verletzung materiellen Rechts gestützt wird, muß die Begründung ebenfalls eine sachliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der Vorentscheidung enthalten (vgl. BFH-Urteile vom 5. November 1968 II R 118/67, BFHE 94, 116, BStBl II 1969, 84; vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523).
Die vom Kläger eingereichte Revisionsbegründung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie enthält keine sachlichen Auseinandersetzungen mit den Urteilsgründen der Vorentscheidung, aus denen sich eine Verletzung des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts ergäbe.
Hinsichtlich der Ausführung des FG zur sachlichen Unbilligkeit räumt der Kläger ein, daß hiergegen keine Bedenken bestünden. In bezug auf den vom FG verneinten Rechtsverstoß der Finanzbehörden bei der Entscheidung über die Ablehnung des Erlasses aus persönlichen Billigkeitsgründen bringt der Kläger vor, daß Finanzverwaltung und FG nicht sämtliche Billigkeitsmomente in die Prüfung einbezogen haben. Berücksichtigt hätte insbesondere werden müssen, daß ihm bei den Verhandlungen mit seinen Gläubigern das Ausmaß der umsatzsteuerrechtlichen Belastung hinsichtlich der Abschlagszahlungen nicht bekannt gewesen sei; andernfalls hätte er diesen Umstand in einem angemessenen Maße seinen Gläubigern vortragen und erwarten können, daß die Gläubiger auch diesen Umstand mitwürdigen und dementsprechend einen höheren Betrag der Forderungen im Vergleichsweg erlassen.
Diese Ausführungen enthalten keine hinreichende Revisionsbegründung; dabei unterstellt der Senat, daß sich der Kläger mit diesen Ausführungen dagegen habe wenden wollen, daß das FG diese Frage ausdrücklich offengelassen hat. Der Kläger hat es aber unterlassen, sich mit der Begründung des FG in diesem Punkt auseinanderzusetzen, insbesondere also darauf einzugehen, warum die Frage nicht hätte offenbleiben dürfen.
Die Ausführungen des Klägers, von FA und FG sei nicht berücksichtigt worden, daß er damit habe rechnen können, die Gemeinde B. lege eine so ausreichende finanzielle Vorsicht an den Tag, daß auch bei Zwischenschaltung eines Generalunternehmers die berechtigten Sorgen und Interessen der örtlichen Bauhandwerker berücksichtigt und abgesichert seien, stellt neues tatsächliches Vorbringen dar, das zur Begründung eines materiellen Rechtsfehlers im finanzgerichtlichen Urteil nicht berücksichtigt werden kann; die Ausführungen sind auch nicht geeignet, einen Verfahrensmangel zu begründen.
Eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Revisionsbegründung enthalten auch die Ausführungen des Klägers nicht, bei der Entscheidung über den Billigkeitserlaß hätte die Möglichkeit geprüft werden müssen, ob zwischen dem Kläger als Subunternehmer der U.-GmbH und der Gemeinde B. als bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des unvollendeten Bauwerks ein Leistungsaustausch stattgefunden habe, aufgrund dessen er berechtigt sei, der Gemeinde die geschuldete Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen. Diese Ausführungen lassen keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem konkreten Gegenstand des Rechtsstreits erkennen. Die von dem Kläger zur Diskussion gestellte Möglichkeit ist sowohl nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt als auch nach feststehenden umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu den für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Leistungsbeziehungen (vgl. z. B. Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 15 Bem. 28) so offensichtlich ausgeschlossen, daß nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden kann, das FG habe sachliches Recht verletzt, weil es hierauf nicht eingegangen ist. Darüber hinaus fehlt es insoweit auch an einer sachlichen Auseinandersetzung mit den Ausführungen des FG, als der Kläger lediglich ausführt, daß der genannte Gesichtspunkt bei der Entscheidung über den Billigkeitserlaß hätte mitgewürdigt und mitgeprüft werden müssen und daß die Vorentscheidung deshalb unvollständig sei, weil diese Fragen nicht geprüft und gewürdigt worden seien. Hierin ist allenfalls die bloße Rechtsbehauptung zu sehen, daß das finanzgerichtliche Urteil rechtsfehlerhaft sei. Dies ist für eine Revisionsbegründung nicht ausreichend, denn es fehlt an einer, wenn auch kurzen sachlichen Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen unter dem vom Kläger angeführten Gesichtspunkt.
Fundstellen
Haufe-Index 416449 |
BFH/NV 1990, 114 |