Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist und Wiedereinsetzung bzw. Ruhen des Verfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Bitte um Aussetzung der Bearbeitung kann nicht als Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist i.S. des § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO gewertet werden, weil dieser eindeutig auf eine Fristverlängerung abzielen muß.

2. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist setzt voraus, daß innerhalb der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung die Revisionsbegründung nachgereicht wird.

3. Einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens ist nicht stattzugeben, wenn die Revision wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist unzulässig ist, denn das Ruhen des Verfahrens wäre nur sinnvoll, wenn das Verfahren, sobald die Gründe für das Ruhen nicht mehr vorliegen, sachlich wieder aufgenommen werden könnte.

 

Normenkette

FGO § 120 Abs. 1 S. 2, § 56 Abs. 2 S. 3, § 155; ZPO § 251

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 05.02.1985; Aktenzeichen 1 BvR 1488/84)

 

Tatbestand

Die Klage des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) beim Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Der Kläger legte gegen das FG-Urteil Revision ein „mit der Bitte um Aussetzung der Bearbeitung”. Er führte aus, das Rechtsmittel sei nur vorsorglich eingelegt, damit die Gegenpartei eines Zivilprozesses aus der Rechtskraft keine Vorteile geltend machen könne.

Mit Schreiben vom 27.Februar 1984 teilte der Vorsitzende des beschließenden Senats dem Kläger mit, daß die Revisionsbegründungsfrist abgelaufen sei. Er wies den Kläger auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Gleichzeitig bat er um Mitteilung, wie die im Revisionsschriftsatz geäußerte „Bitte” um Aussetzung des Verfahrens zu verstehen sei.

Hierauf beantragte der Kläger „im Benehmen mit dem Finanzamt” lediglich, gemäß § 251 der Zivilprozeßordnung (ZPO), § 155 FGO das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs.1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils des FG einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Da das FG-Urteil dem Kläger am 17.Dezember 1983 zugestellt worden war, ist die Revisionsbegründungsfrist am 17.Februar 1984 abgelaufen. Bis heute ist eine Revisionsbegründung nicht eingereicht worden, weshalb es an einem Formerfordernis für die Revision fehlt.

Allerdings kann die Revisionsbegründungsfrist auf Antrag verlängert werden (§ 120 Abs.1 Satz 2 FGO). Ein solcher Antrag wurde im vorliegenden Fall ausdrücklich jedoch nicht gestellt. Die Bitte des Klägers um Aussetzung der Bearbeitung kann auch nicht als Fristverlängerungsantrag gewertet werden. Denn mit dieser Bitte ist lediglich zum Ausdruck gebracht, daß der Bundesfinanzhof (BFH) die Bearbeitung der Sache zurückstellen möge. Es ist aber nicht zugleich dargetan, daß der Kläger seinerseits die Frist für die Revisionsbegründung verlängert haben möchte. Der Kläger hätte, wenn er einen Antrag gemäß § 120 Abs.1 Satz 2 FGO hätte stellen wollen, dies klarer und anders ausdrücken können und müssen. Denn der nach der zuletzt bezeichneten Vorschrift geforderte Antrag muß eindeutig auf eine Fristverlängerung abzielen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11.Aufl., § 120 FGO Tz.43); ein solcher eindeutiger Antrag fehlt im vorliegenden Fall.

Der Kläger wurde durch den Senatsvorsitzenden auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO hingewiesen. Er hat gleichwohl keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und auch keine Tatsachen zur Begründung eines solchen Antrags vorgetragen (§ 56 Abs.2 FGO). Sein Antrag auf „Ruhen des Verfahrens” kann nicht als ein solcher Antrag verstanden werden. Denn mit diesem Antrag ist lediglich auf den zweiten Teil des Schreibens des Senatsvorsitzenden vom 27.Februar 1984 eingegangen, nicht aber auf den ersten Teil, nach dem die Revisionsbegründungsfrist versäumt sei und hiergegen ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden könne.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt demnach nicht in Betracht, zumal auch von Amts wegen keine Wiedereinsetzungsgründe ersichtlich sind.

Es kommt hinzu, daß nach § 56 Abs.2 Satz 3 FGO innerhalb der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung die versäumte Rechtshandlung nachzuholen ist. Die versäumte Rechtshandlung ist aber die Revisionsbegründung selbst (BFH-Beschluß vom 4.August 1970 II R 48/70, BFHE 99, 355, BStBl II 1970, 666; Tipke/Kruse, a.a.O., § 56 FGO Tz.5). Da die Revisionsbegründung jedoch innerhalb der Antragsfrist für die Wiedereinsetzung nicht eingereicht wurde, kommt auch aus diesem Grund eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.

Da die Revision somit unzulässig ist, ist es nicht zweckmäßig, dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens stattzugeben. Denn ein Ruhen des Verfahrens wäre nur dann sinnvoll, wenn es, sobald die Gründe für das Ruhen des Verfahrens nicht mehr vorliegen, sachlich wieder aufgenommen werden könnte. Dies ist aber im Falle einer –wie hier– unzulässigen Revision nicht möglich.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1934957

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