Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung; verdeckte Gewinnausschüttung
Leitsatz (NV)
1. Während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH ist dieser als Gericht der Hauptsache zur gerichtlichen Aussetzung der Vollziehung berufen.
2. Das für beherrschende Gesellschafter geltende Recht der verdeckten Gewinnausschüttung ist auch in Fällen anzuwenden, in denen die Leistungsbeziehung zu einer dem beherrschenden Gesellschafter nahestehenden Person besteht.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3; KStG 1977 § 8 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) ist eine GmbH. Am Stammkapital der Klägerin von 30 000 DM war A mit 21 800 DM und deren Sohn mit 8 200 DM (seit 14. November 1974) beteiligt; A war Geschäftsführerin.
Am 2. Januar 1975 schloß die Klägerin mit dem Ehemann B der GesellschafterGeschäftsführerin, der in den Streitjahren hauptberuflich als Rechtsanwalt und Notar tätig war, einen Beratungsvertrag.
Der Beratungsvertrag hat folgenden Wortlaut:
,,Herr Rechtsanwalt B übernimmt ab 1. 1. 1975 die wirtschaftliche und juristische Beratung der GmbH. Er erhält dafür ein Honorar (Beratergebühr) von monatlich . . . DM, das zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer bis zum Ende eines jeden Monats zu zahlen ist. Herr B hat die GmbH in allen wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten zu beraten und zu vertreten bei allen Organisationen, Behörden und Gerichten, wozu ihm hiermit Vollmacht erteilt wird."
Das vereinbarte Beratungshonorar von jährlich . . . DM wurde nicht laufend ausgezahlt, sondern als ,,Sonstige Verbindlichkeiten" gebucht. Daneben wurden für die sonach angesammelten Beträge Zinsen als Betriebsausgaben behandelt, die ebenfalls nicht ausgezahlt, sondern als ,,Sonstige Verbindlichkeiten" gebucht wurden. Eine schriftliche Vereinbarung über die Verzinsung liegt nicht vor.
Anläßlich einer im Jahre 1982 für die Jahre 1974 bis 1980 durchgeführten Außenprüfung erkannte der Prüfer das gewinnmindernd gebuchte Beratungshonorar für die Streitjahre sowie die hierauf entfallenden Zinsen nicht an.
Gegen entsprechend geänderte Körperschaftssteuerbescheide für die Jahre 1975 bis 1979 vom 15. März 1983 und 1980 vom 5. April 1983 legte die Klägerin Einspruch ein.
Im Laufe des Einspruchsverfahrens kam der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, daß auch die weiteren als Verbindlichkeiten gebuchten Zinsen den Gewinn nicht mindern dürften. Nach einem Hinweis auf die beabsichtigte Verböserung erließ das FA eine entsprechende Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 1983.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Wegen Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, der das Finanzgericht (FG) nicht abgeholfen hat.
Am 13. Februar 1986 hat die Klägerin beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide 1975 bis 1980 auszusetzen. Dem Antrag ist ein die Aussetzung der Vollziehung ablehnender Bescheid des FA vom 31. Januar 1986 beigefügt.
Entscheidungsgründe
I. Der Antrag ist zulässig.
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist zur gerichtlichen Aussetzung der Vollziehung das Gericht der Hauptsache berufen. Während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH ist dieser als Gericht der Hauptsache zuständig (vgl. Beschluß vom 30. Mai 1967 VI S 3/67, BFHE 89, 114, BStBl III 1967, 530; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 69 Anm. 26; Tipke /Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 69 FGO Anm. 10; Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Band 1, Tz. 4220 f.). Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils (§ 115 Abs. 4 FGO; vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 24. Oktober 1983 GmS-OGB 1/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 1027). Die umstrittenen Steuerbescheide sind daher auch im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde ,,angefochtene" Bescheide i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO.
2. Auch die Zugangsvoraussetzungen des Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) vom 31. März 1978 (BGBl I 1978, 446, BStBl I 1978, 174) i. d. F. des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1985, 1274, BStBl I 1985, 496) sind gegeben. Die Finanzbehörde hat - zeitlich vor der Antragstellung der Klägerin beim BFH - einen Antrag nach § 69 Abs. 2 FGO abgelehnt.
II. Der Antrag ist nicht begründet.
Ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, 145, BStBl II 1979, 570, 573). Im Streitfall liegen keine ernstlichen Zweifel in diesem Sinne vor.
1. Entgegen der Auffassung des FG ist bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht davon auszugehen, daß ,,die Nichtanerkennung der streitigen Betriebsausgaben" ohne Bejahung einer verdeckten Gewinnausschüttung möglich ist. Denn die umstrittenen Aufwendungen der Klägerin liegen nicht in ihrem ,,nichtbetrieblichen, gesellschaftlich-repräsentativen und daher erfolgsneutralen Bereich" (BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 180 /74, BFHE 119, 434, BStBl II 1976, 753).
2. a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde. Eine verdeckte Gewinnausschüttung dieser Art kann auch dann in Betracht kommen, wenn die Zuwendung nicht unmittelbar an den Gesellschafter, sondern an eine ihm nahestehende Person bewirkt wird, vorausgesetzt, daß die unmittelbare Zuwendung an die nahestehende Person einen Vorteil für den Gesellschafter selbst zur Folge hat.
b) Im Verhältnis zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung angesichts der verschiedenen Möglichkeiten, die Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zu gestalten, auch dann in Betracht, wenn nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters gezahlt wird (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 I R 247/81, BFHE 145, 165, BStBl II 1986, 195). Dies beruht auf der Überlegung, daß der beherrschende Gesellschafter mit dem Schicksal der Gesellschaft besonders eng verbunden ist. Leistungen an die Gesellschaft ohne Entgelt oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt kommen ihm regelmäßig in Gestalt eines höheren Ertrags aus der Beteiligung oder einer Erhöhung des Werts seiner Beteiligung zugute. Er hat daher die Möglichkeit, für seine Leistungen an die Gesellschaft einen gesellschaftsrechtlichen oder einen schuldrechtlichen Ausgleich zu suchen (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1974 I R 205/72, BFHE 113, 218, BStBl II 1974, 719). In solchen Fällen wird eine verdeckte Gewinnausschüttung auch angenommen, wenn nicht einer klaren Vereinbarung gemäß verfahren wird, wenn also vereinbarte Vergütungen nicht gezahlt werden (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234).
3. a) Im vorliegenden Verfahren ist die Angemessenheit der von der Klägerin als Vergütung für B. gebuchten Beträge offenbar nicht im Streit. Von einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. der vorstehenden Ziffer 2. a ist daher nicht auszugehen. Dagegen liegt bei summarischer Prüfung eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. der Ziffer 2. b) vor.
b) Im BFH-Urteil vom 8. März 1967 I 119/64 (BFHE 88, 289, BStBl III 1967, 372) kam das Verbot der rückwirkenden Erhöhung der Bezüge eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers bei einer GmbH nicht zur Anwendung, die von der Ehefrau des - an der GmbH nicht beteiligten - Geschäftsführers beherrscht wurde.
Der BFH hat ausgeführt, auf den Geschäftsführer, der nicht Gesellschafter sei, treffe ,,schwerlich die Feststellung zu, daß er entgeltlich oder unentgeltlich für die Gesellschaft tätig sein kann. Denn diese beruht im wesentlichen auf der engen Verknüpfung der Interessen des Gesellschafters mit denen der Gesellschaft". Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung wurde im BFH-Urteil vom 21. Januar 1970 I R 125/67 (BFHE 98, 470, BStBl II 1970, 466) ausgeführt, das von der Rechtsprechung entwickelte Verbot rückwirkender Vertragsgestaltungen gelte nicht für Vereinbarungen mit einem Geschäftsführer, der nicht Gesellschafter der GmbH sei, auch wenn er eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person sei. Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat in dem Urteil in BFHE 145, 165, 173, BStBl II 1986, 195, 199 aufgegeben. Mithin ist im vorliegenden summarischen Verfahren davon auszugehen, daß das für beherrschende Gesellschafter geltende Recht der verdeckten Gewinnausschüttung auch in Fällen anzuwenden ist, in denen die Leistungsbeziehungen zwischen der Kapitalgesellschaft und einer dem beherrschenden Gesellschafter nahestehenden Person bestehen.
4. Werden Vergütungen irgendwelcher Art mit dem beherrschenden Gesellschafter vereinbart, müssen diese Vergütungen auch gezahlt werden. Eine Gutschrift allein genügt nicht (BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234). Wird die Vereinbarung nicht vollzogen, ist sie steuerrechtlich nicht anzuerkennen, es sei denn, daß sich die volle oder teilweise Nichtdurchführbarkeit der Vereinbarung zwangsläufig aus der Situation der Gesellschaft ergibt, diese sich insbesondere in finanziellen Schwierigkeiten befindet (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 1973 I R 183/71, BFHE 111, 150, BStBl II 1974, 179; vom 2. Mai 1974 I R 194/72, BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585).
Betriebliche Gründe für eine solche Nichtdurchführung können jedoch nur anerkannt werden, soweit sich die Zahlung der Vergütungen kurzfristig aus betrieblichen Gründen (z. B. erhebliche Liquiditätsanspannung) verschiebt, die auch eine dem beherrschenden Gesellschafter nicht nahestehende Person veranlaßt hätten, sich mit einer vorübergehenden, zeitlich abgegrenzten Kreditierung (Stundung) ihrer Ansprüche einverstanden zu erklären. Die Feststellungen des FG lassen den Schluß zu, daß die Kreditierung der Zins- und Honoraransprüche durch den Ehegatten der beherrschenden Gesellschafterin der Klägerin nicht betrieblich, sondern gesellschaftlich veranlaßt war. Nach diesen Feststellungen leistete die Klägerin erstmals sieben Jahre nach Abschluß des Beratungsvertrags Teilzahlungen; bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 13. Juni 1985 - also mehr als 10 Jahre nach Abschluß des Beratungsvertrags vom 2. Januar 1975 - sei erst etwas mehr als die Hälfte der Honorarforderungen getilgt gewesen. Andere Gläubiger seien - wenn auch schleppend - ausnahmslos befriedigt worden. Die Honoraransprüche seien jedoch nach dem Belieben der Klägerin erfüllt worden.
Im vorliegenden summarischen Verfahren ist nicht damit zu rechnen, daß die Klägerin die Bindungswirkung dieser tatsächlichen Feststellungen des FG durch eine erfolgreiche Verfahrensrüge wird beseitigen können (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Zwar bringt die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde vor, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, ,,der sich auf die Üblichkeit von entsprechenden Beratungsverträgen und sich anschließenden Stundungsvereinbarungen bezog". Dieser Beweisantrag sei schriftsätzlich gestellt und in der mündlichen Verhandlung wiederholt worden. Die Klägerin hat jedoch nicht dargetan, an welcher Stelle der Prozeßakten sich dieser Beweisantrag befinden soll. Ein solcher Antrag ist weder dem schriftsätzlichen noch dem schriflich eingereichten mündlichen Vorbringen und auch nicht der Sitzungsniederschrift des FG zu entnehmen (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1973 V R 130/69, BFHE 110, 493, BStBl II 1974, 219).
5. Der vorliegenden Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung steht nicht entgegen, daß der erkennende Senat durch Beschluß vom heutigen Tag auf die Beschwerde der Klägerin die Revision zugelassen hat (Az. I B 55/85). Denn in dem Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision kommt es nicht auf die Erfolgsaussichten der Revision an (vgl. Ziemer / Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1978, § 115 Anm. 55).
Fundstellen
Haufe-Index 414531 |
BFH/NV 1987, 811 |