Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauantrag als Selbstverbrauchsteuer-Tatbestandsmerkmal

 

Leitsatz (NV)

,,Antrag auf Baugenehmigung" als Tatbestandsmerkmal des § 27 Abs. 15 i. V. m. § 30 UStG 1973 für die Auslösung von Selbstverbrauchsteuer ist ein schriftlicher Antrag.

 

Normenkette

UStG 1973 § 27 Abs. 15, § 30

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt von ihren beiden Gesellschaftern ein Grundstück zum Gebrauch überlassen. Sie errichtete darauf für . . . DM ein Fabrikationsgebäude, das sie ab 1. September 1974 nutzte. Die Baupläne waren bereits vor dem 9. Mai 1973 fertiggestellt. Am 8. Mai 1973 beantragte der Geschäftsführer der Klägerin bei der Gemeindeverwaltung A mündlich, den Bau zu genehmigen; er versprach, die notwendigen Unterlagen nachzureichen. Am 9. Juli 1973 ging der schriftliche Bauantrag der Klägerin beim Bürgermeisteramt ein. Er wurde am 1. August 1973 an die zuständige Baubehörde weitergeleitet.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beurteilte die Errichtung und Inbetriebnahme der Halle als steuerpflichtigen Selbstverbrauch und setzte im Umsatzsteuerbescheid 1974 Selbstverbrauchsteuer in Höhe von . . . DM fest.

Einspruch und Klage, zu deren Begründung die Klägerin sich im wesentlichen darauf berief, den Bauantrag bereits am 8. Mai 1973, also vor dem zeitlichen Geltungsbereich der Selbstverbrauchsteuer nach § 30 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), gestellt zu haben, hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 30 und 27 Abs. 15 UStG 1973.

Nach ihrer Auffassung setzt § 27 Abs. 15 UStG 1973 nicht die Schriftform des Bauantrags voraus. Die Vorschrift stelle auf den Zeitpunkt ab, in dem der Antrag auf Baugenehmigung ,,gestellt" werde, verlange aber kein Formerfordernis dafür, wie § 90 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO), wonach der Bauantrag schriftlich ,,einzureichen" sei. Aus der Bescheinigung des Bürgermeisteramts der Gemeinde vom 16. Mai 1978 ergebe sich, daß sie, die Klägerin, am 8. Mai 1973 einen mündlichen Bauantrag gestellt habe, ferner, daß die notwendigen Unterlagen dazu am 9. Juli 1973 bei der Gemeinde eingegangen seien. Die Gemeinde habe also eindeutig zwischen der (wirksamen) Antragstellung und der Vorlage der Unterlagen unterschieden.

Hinzu komme, daß die Gemeinde sie sehr wohl (entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - FG -) über die Formerfordernisse eines wirksamen Bauantrags im Rahmen der behördlichen Fürsorge- und Betreuungspflicht hätte belehren müssen. Wie das FG ausgeführt habe, sei es Aufgabe der Gemeinde, als der Baupolizei vorgeschalteten Behörde, gewesen, ihr (der Klägerin) zu helfen, eine ihr zustehende Baugenehmigung rasch und reibungslos zu bekommen. Unter diesen Umständen müsse im Rahmen des § 125 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), aus dem das FG die Nichtigkeit der nicht formgerechten Antragstellung herleite, der Grundsatz von Treu und Glauben angewendet werden. Das bedeute, daß sie so behandelt werden müsse, als hätte sie am 8. Mai 1973 einen wirksamen Bauantrag gestellt, zumal davon offensichtlich auch das Bürgermeisteramt der Gemeinde ausgegangen sei.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer 1974 um . . . DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Nach § 30 Abs. 2 UStG 1973 liegt Selbstverbrauch vor, wenn ein Unternehmer abnutzbare körperliche Wirtschaftsgüter . . . der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt.

Nach den Feststellungen des FG nutzte die Klägerin das von ihr errichtete Gebäude ab dem 1. September 1974 in dieser Weise.

Das FG hat auch zutreffend angenommen, daß die Gebäudeinvestition der Klägerin in den zeitlichen Geltungsbereich des § 30 UStG 1973 fiel. Nach § 27 Abs. 15 UStG 1973 ist die Vorschrift des § 30 UStG 1973 auf den Selbstverbrauch anzuwenden, der in der Zeit vom 9. Mai 1973 bis zum (aufgrund der Neunten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes - 9. UStDV - vorverlegten) Endzeitpunkt des 30. November 1973 bewirkt wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Bestellung oder der Beginn der Herstellung in diesem Zeitraum. Bei Gebäuden gilt nach § 27 Abs. 15 Satz 5 UStG 1973 als Beginn der Herstellung der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird.

Das FG hat aufgrund seiner Feststellungen zutreffend entschieden, daß vor dem 9. Mai 1973 ein wirksamer Antrag der Klägerin auf Baugenehmigung nicht gestellt wurde. Ein mündlicher Antrag, auf den sich die Klägerin insbesondere auch in der Revisionsbegründung stützt, reicht nicht aus. Wie der Senat bereits entschieden hat, liegen der Fassung des § 27 Abs. 15 Satz 5 UStG 1973 die baurechtlichen Vorschriften zugrunde (vgl. Urteil vom 27. September 1979 V R 60/76, BFHE 129, 95, BStBl II 1980, 83; und vom 16. Dezember 1982 V R 120/81, BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 154 - ,,formeller Bauantrag" -). Die Anknüpfung an den Antrag auf Baugenehmigung (im Sinn baurechtlicher Vorschriften) diente dazu, eine gleichmäßige Handhabung des Gesetzes zu erreichen. Damit wurde ein Merkmal gewählt, das typischerweise allen Fällen anhaftet und im besonderen Maße geeignet ist, Streitfragen über den Herstellungsbeginn auszuschließen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. März 1971 V R 97/77, BFHE 133, 106, BStBl II 1981, 595).

Die LBO für Baden-Württemberg (in der im Streitjahr geltenden Fassung) setzte, übereinstimmend mit den Bauordnungen der anderen Bundesländer, in § 90 voraus, daß der Antrag auf Baugenehmigung schriftlich bei der Gemeinde einzureichen war. Dieses Erfordernis hat die Klägerin nicht am 8. Mai 1973, sondern nach den Feststellungen des FG erst am 9. Juli 1973 erfüllt. Diese Feststellungen sind nicht wirksam mit Verfahrensrügen angegriffen worden.

Soweit die Klägerin weiterhin geltend macht, nach Treu und Glauben müsse sie so gestellt werden, als hätte sie rechtzeitig vor dem zeitlichen Geltungsbereich der neuen Selbstverbrauchsteuer den wirksamen Bauantrag gestellt, weil sie von der Gemeinde nicht auf das Erfordernis der schriftlichen Einreichung hingewiesen worden sei, ist die ablehnende Begründung des FG ebenfalls zutreffend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415859

BFH/NV 1989, 200

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge